Revolutionäre 3D-Materialien: DNA definiert Nanotechnologie neu
Forschende haben einen Ansatz entwickelt, der es ermöglicht, komplexe Strukturen im Nanomaßstab zu bauen. Das soll schneller, effizienter und vielseitiger erfolgen als je zuvor. Möglich macht das der Einsatz von DNA.
Mithilfe einer elektronenmikroskopischen Aufnahme konnten die Forschenden den 3D-Nanopartikel präsentieren.
Foto: Oleg Gang
Als das Empire State Building in New York errichtet wurde, wuchs es Stockwerk für Stockwerk in die Höhe – jedes einzelne Element wurde sorgfältig zusammengesetzt, bis das Gebäude jahrzehntelang als höchstes der Welt galt. In Uptown Columbia stehen für Oleg Gang, Professor für Chemieingenieurwesen an der Columbia University School of Engineering and Applied Science, und seinem Forschungsteam keine Wolkenkratzer, sondern winzige Geräte aus nanoskopischen Bausteinen im Mittelpunkt, die sich selbst organisieren. Das Ziel: die Entwicklung von 3D-Materialien, die auf DNA basieren und sich durch eine bisher nicht erreichte Komplexität und Präzision auszeichnen.
„Wir können jetzt komplexe 3D-Strukturen aus selbstorganisierten Nanokomponenten bauen, eine Art nanoskalige Version des Empire State Buildings“, erklärt Gang. Die Möglichkeit, 3D-Materialien im Nanomaßstab gezielt zu gestalten, eröffnet neue Perspektiven für Anwendungen wie Lichtmanipulation, neuromorphes Computing, Katalyse oder biomolekulare Gerüste. In zwei aktuellen Publikationen stellen Gang und sein Team eine Methode vor, mit der gezielte 3D-Nanostrukturen durch Selbstorganisation entstehen. Ein eigens entwickelter Algorithmus macht das Design für andere Forschende nachvollziehbar – alles auf Basis des elementarsten biologischen Bausteins: DNA.
3D-Material aus DNA: Neue Wege in die Materialentwicklung
Traditionelle Verfahren zur Herstellung winziger elektronischer Bauteile setzen auf sogenannte Top-down-Strategien. Ein Beispiel ist die Fotolithografie, bei der mit Licht und Schablonen Schaltkreise erzeugt werden. Diese Methoden stoßen bei komplexen, dreidimensionalen Strukturen an ihre Grenzen. Der 3D-Druck hingegen ist im Nanomaßstab noch nicht einsetzbar. Beide Ansätze sind zudem langsam, da sie jedes Element einzeln fertigen. Gang verfolgt einen anderen Weg: Inspiriert von biologischen Systemen nutzt er DNA-gesteuerte Selbstorganisation, um 3D-Materialien und Geräte von Grund auf entstehen zu lassen. Durch enge Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern konnte er seine Methode so weiterentwickeln, dass dabei winzige elektronische Komponenten entstanden.
Vor kurzem gelang es, einen Prototyp für Partner an der University of Minnesota zu liefern. Ziel war die Entwicklung von 3D-Lichtsensoren, die in Mikrochips integriert werden können. Die Sensoren entstanden, indem DNA-Gerüste direkt auf einem Chip gezüchtet und anschließend mit lichtempfindlichem Material überzogen wurden. Dies war jedoch erst der Anfang: In der neuesten Veröffentlichung präsentiert das Team eine inverse Designstrategie, die es erlaubt, gewünschte 3D-Strukturen aus DNA-Komponenten und Nanopartikeln gezielt zusammenzusetzen. Die Studie zeigt vier weitere Anwendungen ihres „DNA-Origami“-Ansatzes: von kristallartigen Strukturen über Materialien, wie sie in Solarzellen zu finden sind, bis hin zu spiralförmigen Kristallen und speziellen Reflexionsstrukturen. Mit Hilfe hochentwickelter Analyseverfahren wie Synchrotron-Röntgenstreuung und Elektronenmikroskopie konnten die Forschenden nachweisen, dass die gebildeten Strukturen exakt den Entwürfen entsprachen. Die Selbstorganisation der Komponenten erfolgte im Wasser, was schneller als herkömmliche Methoden und auch umweltfreundlicher ist. „Dies ist eine Plattform, die für viele Materialien mit vielen verschiedenen Eigenschaften geeignet ist: biologische, optische, elektrische, magnetische“, sagt Gang. Das Resultat hängt allein vom Design ab.
Designprinzipien für 3D-Material aus DNA
Die DNA eignet sich besonders, da ihre vier Bausteine nur in bestimmten Kombinationen gepaart werden können. So lässt sich die Faltung präzise steuern. Die Herausforderung bestand darin, die richtige Ausgangssequenz zu finden. Gang und sein Team lösen dieses Problem mit einem inversen Strukturdesign. „Wenn wir die große Struktur mit der Funktion kennen, die wir erstellen möchten, können wir diese in kleinere Komponenten zerlegen“, so Gang. Die Grundbausteine sind DNA-Stränge, die sich zu stabilen Oktaedern – Gang bezeichnet sie auch als Voxel – falten. Diese Voxel besitzen an den Ecken Verbindungsstücke und können durch DNA-Codierung zu wiederkehrenden 3D-Mustern zusammengesetzt werden, ähnlich wie Puzzleteile ein Bild ergeben. Die parallele Montage dieser Motive ermöglicht die Bildung komplexer, hierarchisch organisierter Strukturen.
Um die Effizienz zu steigern, haben die Forschenden einen Algorithmus entwickelt, der die minimale Anzahl an DNA-Puzzleteilen bestimmt, die für die gewünschte Struktur notwendig sind. „Man kann sich das wie das Komprimieren einer Datei vorstellen. Wir wollen die Informationsmenge für die DNA-Selbstorganisation minimieren, um eine maximale Effizienz zu erreichen“, erläutert Jason Kahn, Erstautor der Studie. Der Algorithmus namens „Mapping Of Structurally Encoded aSsembly“ (MOSES) funktioniert wie eine CAD-Software im Nanomaßstab. „Er sagt Ihnen, welche DNA-Voxel Sie verwenden müssen, um ein bestimmtes, willkürlich definiertes, hierarchisch geordnetes 3D-Gitter zu erstellen.“
Zukunftsperspektive: 3D-Material aus DNA als Plattform
Die entwickelten DNA-Voxel lassen sich mit verschiedenen Nano-Komponenten bestücken, um der endgültigen Struktur spezifische Eigenschaften zu verleihen. So wurden etwa Goldnanopartikel integriert, um besondere optische Effekte zu erzielen. Es ist jedoch ebenso möglich, anorganische oder biologische Nanobausteine in die DNA-Gerüste einzubauen. Nach der Montage werden die Strukturen mineralisiert, indem sie mit Siliziumdioxid beschichtet und erhitzt werden – dann zersetzt sich die DNA und es entsteht aus dem organischen Gerüst ein widerstandsfähiges, anorganisches Material.
Die Arbeit der Forschenden zielt darauf ab, die Prinzipien für den Aufbau noch komplexerer Strukturen zu erforschen. Ein langfristiges Ziel ist die Entwicklung eines 3D-Schaltkreises, der die komplexen Verbindungen des menschlichen Gehirns nachbildet. „Wir sind auf dem besten Weg, eine Bottom-up-Plattform für die 3D-Nanomanufaktur zu etablieren. Wir sehen dies als ‚3D-Druck der nächsten Generation‘ im Nanobereich, aber jetzt ermöglicht uns die Leistungsfähigkeit der DNA-basierten Selbstorganisation eine massiv parallele Fertigung“, fasst Gang zusammen.
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