Biomechatronik 16.04.2013, 16:00 Uhr

Symbiose aus Technik und Naturwissenschaft

Technik treibt als Querschnittsfach Entwicklung und Erfolg vieler Branchen an. Paradebeispiele sind Medizin und Biologie, an deren Schnittstellen zur Technologie immer neue interdisziplinäre Studiengänge mit faszinierenden Kombinationen und beruflichen Möglichkeiten entstehen.

Der Automatisierungsspezialist Festo nutzt die Biomechatronik, um Maschinen und Roboter nach Vorbildern aus der Natur zu bauen. Als Studienfach wird Biomechatronik an der TU Ilmenau gelehrt.

Der Automatisierungsspezialist Festo nutzt die Biomechatronik, um Maschinen und Roboter nach Vorbildern aus der Natur zu bauen. Als Studienfach wird Biomechatronik an der TU Ilmenau gelehrt.

Foto: Festo

Kraft der Gedanken Maschinen lenken, über Smartphone die eigene Fitness überprüfen, mit Lasertechnik die Stammzellforschung optimieren, mit einer Prothese schnell wie der Wind laufen… Wo Biologie auf Technik trifft, sind Grenzen „bestenfalls der Fantasie gesetzt“.

So schildert Hartmut Witte, Professor an der TU Ilmenau, die Möglichkeiten seines Fachs, der Biomechatronik. „Am Anfang steht die Analyse des Bauplans und der Funktionsweise von Lebewesen“, so Witte. Prinzipiell aber ist die Biomechatronik ein Technikfach, angesiedelt an der Schnittstelle zwischen lebenden Organismen und Maschine, jenem unsterblichen Faszinosum.

Ob Robotik, Biomechanik, Mess-, Regel- oder Steuerungstechnik: Alle Aspekte der Biomechatronik werden aus Sicht der Biokompatibilität betrachtet, etwa bei der Forschung und Entwicklung mobiler, auf den Nutzer zugeschnittener Transportgeräte. „Die müssen so konzipiert sein, dass im Extremfall auch demente Menschen das Gerät bedienen können.“

Biomechatronik ist eine Spezialität der TU Ilmenau

In Deutschland bietet nur die TU Ilmenau Biomechatronik in einem grundständigen Studium an. Sonst taucht das Fach allenfalls als Vertiefungsrichtung in der Medizintechnik auf, von der sich die Biomechatronik in Ilmenau allein durch die Nähe zum Maschinenbau und der Liaison mit der Biologie unterscheidet.

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Im Trend der individualisierten Medizin und der omnipräsenten Lebenswissenschaften mutiert auch die traditionelle Medizintechnik zur Biomedizintechnik, die Entwicklungen im schnell wachsenden Gesundheitsbereich aufnimmt, anschiebt und beschleunigt.

Heute investieren mehrere Hochschulen in medizintechnische Zentren, die am Erfolg der Branche partizipieren. Auch die Uni Ilmenau. Ihr Institut für Biomedizinische Technik und Informatik (BMTI) profitiert von Synergien unterschiedlicher Akteure wie dem Fachgebiet Biomechatronik, der Uniklinik Göttingen oder einschlägig spezialisierten Firmen.

Oder das hannoversche Uni-Zentrum Biomedizintechnik: Es bindet mehrere Akteure ein, etwa die Medizinische und die Tierärztliche Hochschule sowie und das Laserzentrum.

Egal ob Biomedizintechnik oder Biomechatronik – Studienkombinationen mit Medizin, Biologie und Technik gelten heute als Schlüsselfächer mit goldener Zukunft. Schließlich besetzt die deutsche medizintechnische Industrie nicht nur weltweit den zweiten Platz hinter den USA und vor Japan. Sie ist, gemessen an Umsatz und den über 130 000 hoch qualifizierten Arbeitsplätzen, Deutschlands wichtigste Branche nach der Autoindustrie.

Grenzen zwischen den Schwerpunkten sind fließend

Und sie sucht Hochschulabsolventen. Die Feinwahl des richtigen interdisziplinären Studiums allerdings ist diffizil. Oft sind die Grenzen zwischen den Angeboten unscharf und Schwerpunkte nur aus den Curricula ersichtlich. Letztlich aber lohnt eine genaue Prüfung – besonders mit Blick auf spätere Tätigkeiten.

Wer sich etwa für Forschung im Bereich medizinischer Großgeräte interessiert, ist in der universitären Biomedizintechnik gut aufgehoben. Das breite Spektrum der Biomechatronik wiederum bereitet die Absolventen bestens auf Tätigkeiten in den branchen-prägenden KMU vor, die nicht für alles einen Spezialisten anheuern können oder wollen.

Spannend sind diese interdisziplinären Fächer allemal. Denn bahnbrechende Erkenntnisse gedeihen meist an den Rändern der Disziplinen. Doch für viele Studierende macht erst die „menschliche“ Komponente diese Fächer attraktiv. „Zuerst habe ich an der ETH Maschinenbau studiert, was mir aber nicht richtig lag“, erzählt George Rosenberg, deutscher Student an der ETH Zürich. „Da ich mich seit der Schule für Biologie interessiere, kam mir der 2011 eingerichtete Studiengang ‚Gesundheitswissenschaften und Technologie‘ wie gerufen.“

Mit diesem fachlichen Novum will die ETH Profis im Dienst der Gesundheit ausbilden, passend zum demografischen und Lebensstilwandel. „Das Studium ist wirklich nicht leicht, aber es ist machbar“, bekennt Rosenberg. Die Lehrinhalte streuen breit und gehen tief. Rosenbergs Favoriten sind Neurowissenschaften, Anatomie, Histologie, Physiologie, Trainings- oder Bewegungslehre. Das begeistert auch medizin-affine Studierende, wie Rosenberg erzählt. „Viele bewerben sich gleichzeitig für Medizin und diesen Studiengang als mögliche Alternative.“

Auf jeden Fall trifft der neue Studiengang „Gesundheitswissenschaften und Technologie“ den Nerv der Studierenden. Nach nur eineinhalb Jahren besetzt dieses Bachelor-Studium den dritten Rang auf der Beliebtheitsskala der ETH-Fächer, nach Maschineningenieurwissenschaften und Architektur.

2014 soll der Master-Studiengang folgen. Rosenberg: „Mich würde ein MA in ‚Health, Nutrition and Environment‘ interessieren.“ In welche Richtung auch immer der Abschluss dieses Studiums geht, er öffnet Türen zum biomedizinischen oder pharmazeutischen Sektor ebenso wie zur Gesundheitspolitik, zum Versicherungswesen, Sport… Die Möglichkeiten sind so breit wie das Spannungsfeld Mensch-Biologie-Gesundheit-Technik.

Ein Beitrag von:

  • Ruth Kuntz-Brunner

    Ruth Kuntz-Brunner ist Karriereautorin und schreibt über die Schwerpunkte Arbeitsleben und Arbeitssicherheit.

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