Arbeitsrecht 06.01.2020, 12:15 Uhr

In welchen Fällen greift die Arbeitnehmerhaftung bei Ingenieuren?

Ingenieure müssen bei ihrer Tätigkeit mit Schäden rechnen. Konstruktionsfehler sind ebenso wenig auszuschließen wie Momente der Unaufmerksamkeit. Gegebenenfalls greift dabei die Arbeitnehmerhaftung. Versicherungsschutz ist daher empfehlenswert.

Bei Fehlbeträgen haften Arbeitnehmer nur eingeschränkt.

Bei Fehlbeträgen haften Arbeitnehmer nur eingeschränkt.

Foto: panthermedia.net/AndreyPopov

In der Öffentlichkeit ist relativ selten von Ingenieuren zu lesen, die im Sinne der Arbeitnehmerhaftung beispielsweise dazu herangezogen werden, Schadenersatz zu leisten. Einer der spektakulärsten Fälle liegt schon viele Jahre zurück: Beim Zugunglück von Eschede war im Jahr 1998 ein ICE entgleist. 101 Menschen kamen ums Leben – Ursache war ein Radbruch. Zwei Ingenieure der Bahn und ein Konstruktionsingenieur des Reifenherstellers mussten sich schließlich vor Gericht verantworten. Im Raum stand die Frage, ob sie die Bruchgefahr des Reifens hätten erkennen müssen. Das Verfahren wurde 2003 schließlich gegen die Zahlung einer Geldbuße von jeweils 10.000 Euro eingestellt. Es zeigt aber eindrucksvoll, dass Ingenieure durchaus damit rechnen müssen, zur Arbeitnehmerhaftung herangezogen zu werden.

Wann greift das Gesetz direkt auf Arbeitnehmer durch?

Das Gesetz unterscheidet zwischen natürlichen Personen, in diesem Fall Arbeitnehmern, und juristischen Personen wie einem Unternehmen. Für die Arbeitnehmerhaftung macht das einen wesentlichen Unterschied. Denn das deutsche Strafrecht greift grundsätzlich auf natürliche Personen durch – im Strafrecht ist festgelegt, welche Verhaltensweisen verboten sind und strafrechtlich verfolgt werden. Die Ermittlungen werden im Wesentlichen von der Polizei durchgeführt, unter Federführung der Staatsanwaltschaft. Typische Beispiele für strafrechtlich relevante Taten im Sinne der Arbeitnehmerhaftung sind die fahrlässige Körperverletzung und die fahrlässige Tötung. Mit anderen Worten: Kommt ein Mensch zu Schaden und besteht der Verdacht, dass dieses Unglück hätte verhindert werden können, wird nicht gegen das Unternehmen ermittelt, sondern gegen die zuständigen Mitarbeiter persönlich.

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Anders sieht es aus, wenn beispielsweise ein anderes Unternehmen eine Schadenersatzklage vor einem Zivilgericht anstrebt. Diese Klage kann sich nur gegen die juristische Person, also den Arbeitgeber, richten. Eine Klage auf Schadenersatz gegenüber einem einzelnen Angestellten ist nicht möglich. Das hat einen einfachen Grund: Der Ingenieur ist gegenüber einem Dritten deswegen nicht schadenersatzpflichtig, weil kein Vertragsverhältnis besteht. Das verbindet ihn nur mit seinem Arbeitgeber – der wiederum gegenüber Dritten Verträge abschließt.

Das heißt jedoch nicht, dass Ingenieure nicht fürchten müssen, unter Umständen zu Schadenersatzzahlungen herangezogen zu werden. Muss der Arbeitgeber gegenüber Dritten einen entstandenen Schaden ausgleichen, hat er gegebenenfalls die Möglichkeit, sich diesen von dem betreffenden Ingenieur teilweise oder sogar vollständig erstatten zu lassen. Auch hier greift also die Arbeitnehmerhaftung.

Welche Folgen hat die Arbeitnehmerhaftung bei Fahrlässigkeit?

Glücklicherweise sind solche Unfälle wie das Zugunglück von Eschede sehr selten. Beim Thema Arbeitnehmerhaftung geht es in den meisten Fällen um einen rein wirtschaftlichen Schaden. Wann muss ein Ingenieur jedoch damit rechnen, für die Folgen seiner Arbeit zu haften? Unterm Strich gibt es zwei Situationen, in denen die Arbeitnehmerhaftung greift:

  1. Der Ingenieur hat fahrlässig gehandelt.
  2. Er hat sich sogar mit Vorsatz einen Fehler zuschulden kommen lassen.

Dabei ist es zunächst mal unerheblich, ob die falsche Handlungsweise gegenüber dem Arbeitgeber durchgeführt wurde oder gegenüber einem Dritten.

Wann muss ein Ingenieur mit dem Vorwurf der Fahrlässigkeit rechnen?

Fahrlässigkeit ist mit mangelnder Sorgfalt gleichzusetzen. Da der Ingenieur aufgrund seines Arbeitsvertrages die Pflicht hat, Schaden von seinem Arbeitgeber abzuwenden, muss er fahrlässiges Verhalten vermeiden. Der Gesetzgeber unterscheidet dabei drei verschiedene Abstufungen der Fahrlässigkeit:

Leichte Fahrlässigkeit: Realistischerweise gehört sie zum Arbeitsalltag. Jeder Ingenieur, der über einen längeren Zeitraum in einem Betrieb beschäftigt ist, greift mal daneben, übersieht eine Kleinigkeit oder führt eine Handlung nicht perfekt aus. Ungewollte Missgeschicke wie ein heruntergefallener Laptop fallen ebenfalls in diese Kategorie. Leichte Fahrlässigkeit hat in der Regel keine Konsequenzen im Sinne der Arbeitnehmerhaftung. Kommt es zu einem Schaden, greift in solch einem Fall der sogenannte innerbetriebliche Schadensausgleich.

Der besagt, vereinfacht gesagt, dass die Haftung in einem Betrieb nicht gleichmäßig auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber verteilt ist. Denn von keinem Arbeitnehmer kann man erwarten, dass er sich stets fehlerfrei verhält. Einen Schaden aufgrund leichter Fahrlässigkeit muss daher der Arbeitgeber übernehmen. Er kann keinen Ausgleich über die Arbeitnehmerhaftung fordern.

Mittlere Fahrlässigkeit: Hier sieht die Situation schon anders aus. In den meisten Situationen hat der Ingenieur die notwendige Sorgfalt bei der Arbeit nicht beachtet, das aber ohne besondere Schwere. Im Volksmund würde es heißen: „Das kann jedem Mal passieren.“ Die Arbeitnehmerhaftung kann dazu führen, dass der Ingenieur den Schaden anteilig oder vollständig begleichen muss. Wie die Schadenssumme unter Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt wird, hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem:

  • Ausmaß der Fahrlässigkeit
  • Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit – zum Beispiel bei Arbeitsprozessen mit hohem Fehlerrisiko erwartet der Gesetzgeber tendenziell, dass der Arbeitgeber sich entsprechend gegen Schäden versichert
  • Position des Arbeitnehmers – Führungskräfte tragen eine höhere Verantwortung und müssen daher damit rechnen, dass sich diese Position auf die Arbeitnehmerhaftung auswirkt
  • Schadenshöhe – die Arbeitnehmerhaftung darf nicht existenzgefährdend sein, sodass sich im Zweifel der Anteil des Arbeitgebers automatisch erhöht, weil dem Ingenieur nur Zahlungen bis zu einer bestimmten Höhe zuzumuten sind. Bei der Berechnung spielt auch das Verhältnis von Gehalt zur Schadenshöhe eine Rolle. Eine maximale Summe als Arbeitnehmerhaftung ist zwar nicht festgelegt. Als ungefährer Richtwert können Ingenieure jedoch von bis zu drei Monatsgehältern ausgehen.
  • Bisheriges Verhalten des Ingenieurs – ein Angestellter, der viele Jahre in einem Unternehmen beschäftigt ist und zum ersten Mal durch mittlere Fahrlässigkeit aufgefallen ist, wird normalerweise einen geringeren Anteil am Schaden begleichen müssen, als ein Kollege, der bereits häufiger Schäden durch mangelnde Sorgfalt verursacht hat
  • Eventuelles Mitverschulden des Arbeitgebers

Grobe Fahrlässigkeit: Laut Definition geht es hier um einen besonders schweren Fall von mangelnder Sorgfalt. In der Regel handelt es sich bei grober Fahrlässigkeit um Situationen, in denen für jeden klar ist, dass ein Verhalten falsch war. Auch für den betreffenden Ingenieur hätte es einleuchtend sein müssen, dass er gerade fahrlässig handelt. Ein Beispiel wäre es, wenn ein Mitarbeiter Sicherheitsvorschriften verletzt oder unter Alkoholeinfluss eine Maschine bedient. Hier greift die Arbeitnehmerhaftung in vollem Umfang. Eine Quotenregelung, also eine Aufteilung des Schadens zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, kommt in der Regel nur in Betracht, wenn sonst die Existenz des Arbeitnehmers gefährdet wäre. Die Entscheidungen sind hier jedoch in starkem Maße abhängig vom individuellen Fall, sodass es keine allgemeinen Richtlinien gibt.

Wie ist „Vorsatz“ für die Arbeitnehmerhaftung definiert?

Die Grenze zwischen grober Fahrlässigkeit und Vorsatz kann schmal sein. Denn in beiden Fällen geht der Arbeitnehmer ein unangemessenes Risiko ein. Der entscheidende Unterschied ist die Bewertung der Situation oder die Motivation für das Handeln. Als Vorsatz ist falsches Verhalten dann zu bewerten, wenn der Arbeitnehmer die Sorgfalt außer Acht lässt und die Gefahr erkennt – diese aber ignoriert. Er nimmt also einen Schaden billigend in Kauf. Das ist meistens verbunden mit einer bestimmten Motivation. Zum Beispiel erhofft ein Ingenieur sich einen Karrieresprung von besonders effizienten Prozessen. Dabei ignoriert er die Tatsache, dass die Umstellung der Arbeitsprozesse gegen die Arbeitsschutzbestimmungen verstößt. Er geht also bewusst ein Risiko ein, um sein Ziel zu erreichen.

Natürlich gibt es auch Fälle, in denen ein Ingenieur bewusst einen Schaden herbeiführt, weil er sich beispielsweise bei einer Beförderung übergangen geführt. Auch solch eine Situation fällt für die Arbeitnehmerhaftung unter Vorsatz.

Was ist mit der Mankohaftung bei der Arbeitnehmerhaftung gemeint?

Bei der Mankohaftung handelt es sich um einen besonderen Fall der Arbeitnehmerhaftung. Es geht dabei um die Frage, wer für eine Differenz zwischen Ist- und Sollbestand zuständig ist. Dabei kann es sich um Geld handeln oder um Ware. Im Prinzip greifen hier die gleichen Grundsätze wie bei der sonstigen Arbeitnehmerhaftung. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer also Fahrlässigkeit in Form einer schuldhaften Pflichtverletzung nachweisen können oder natürlich einen Vorsatz. Das gilt in gleichem Maße bei Schäden gegenüber Dritten. Wieder haftet gegenüber dem Dritten zunächst der Arbeitgeber, der sich jedoch unter den entsprechenden Umständen einen Teil oder den gesamten Schaden vom Arbeitnehmer ersetzen lassen kann.

Ein Sonderfall bei der Mankohaftung ist die Mankoabrede. Diese spezielle Klausel im Arbeitsvertrag bezieht sich auf Fehlbestände. Sie greift aber nur, wenn sie auch wirksam ist. Als unproblematisch gelten Mankoabreden, die dem Arbeitnehmer eine Prämie versprechen, für den Fall, dass es zu keinen Fehlbeständen kommt. Die grundsätzliche Arbeitnehmerhaftung bleibt davon unberührt. Unzulässig sind hingegen in der Regel Klauseln, die festlegen, dass der Ingenieur für jedes Manko in seinem Arbeitsbereich haften soll, unabhängig von seinem Verschulden. Solch eine einseitige Verschiebung der Haftung ist unzulässig.

Möglich wäre sie hingegen, wenn eine mögliche Zahlungsverpflichtung des Ingenieurs durch ein Mankogeld ausgeglichen würde. Das heißt: Der Ingenieur erhält von vornherein ein höheres Gehalt, muss eventuell entstehende Fehlbeträge dafür aber im Sinne der Arbeitnehmerhaftung aus eigener Tasche bezahlen.

Wie ist die Beweislast bei Streitfällen zur Arbeitnehmerhaftung verteilt?

Für die Arbeitnehmerhaftung ist es entscheidend, bei wem die Beweislast liegt. Das ist klar geregelt: Sobald ein Arbeitgeber von einem angestellten Ingenieur Schadenersatz fordert, muss er nachweisen, dass dieser Anspruch berechtigt ist. Das heißt aber nicht, dass der Arbeitnehmer sich zurücklehnen und schweigen kann. Im Normalfall wird sich das Ereignis, das schließlich zu einem Schaden geführt hat, in seinem engeren Umfeld abgespielt haben. Entsprechend schwer ist es für den Arbeitgeber, Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz nachzuweisen. Geht es um Fehlverhalten, das gegenüber einem Dritten aufgetreten ist, hat es womöglich außer Haus stattgefunden.

Deswegen ist der Arbeitnehmer verpflichtet, alle Fakten darzulegen, die ihn entlasten können. Beispielsweise muss er beschreiben, wie und in welcher Reihenfolge er normalerweise überprüft, ob alle Sicherheitsbestimmungen eingehalten wurden – falls es bei der Arbeitnehmerhaftung darum geht, dass eine solche Bestimmung verletzt wurde.

Macht eine zusätzliche Versicherung für Ingenieure Sinn?

Bei Versicherungen stellt sich immer die Frage, wie das Verhältnis zwischen den Kosten und einem möglichen Nutzen aussieht. Als Ingenieur sind Sie nicht automatisch einem hohen Risiko ausgesetzt, durch Fahrlässigkeit einen Schaden herbeizuführen, der unter die Arbeitnehmerhaftung fällt. Vorsatz können Sie bewusst vermeiden.

Falls Sie jedoch in einem Bereich mit einem hohen Risiko tätig sein sollten, ist es empfehlenswert, sich nach einer Berufshaftpflichtversicherung zu erkundigen. Analog zur privaten Haftpflichtversicherung deckt sie selbst verursachte Schäden ab. Natürlich sollte die Deckungssumme im Verhältnis zum Betrag stehen, der auf Sie als Einzelperson maximal im Rahmen der Arbeitnehmerhaftung zukommen könnte. Perfekt wäre es daher, wenn Sie sich vor Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung von einem Anwalt beraten ließen.

Die Berufshaftpflichtversicherung sollten Sie unbedingt abschließen, falls Sie als selbstständiger Ingenieur tätig sind. Schon ein verhältnismäßig kleiner Fehler, der aber zu einem Schaden gegenüber einem Dritten führt, kann sonst Ihre Existenz bedrohen. Sind höhere Summen im Spiel, wäre vermutlich die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung die richtige Wahl, bei der es sich um eine spezielle Form der Berufshaftpflichtversicherung handelt, die einen höheren Schadensbetrag abdeckt.

Unternehmen schließen ihrerseits übrigens in der Regel eine Betriebshaftpflichtversicherung ab, die eventuelle Schäden begleicht, auch gegenüber Dritten.

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Ein Beitrag von:

  • Nicole Lücke

    Nicole Lücke macht Wissenschaftsjournalismus für Forschungszentren und Hochschulen, berichtet von medizinischen Fachkongressen und betreut Kundenmagazine für Energieversorger. Sie ist Gesellschafterin von Content Qualitäten. Ihre Themen: Energie, Technik, Nachhaltigkeit, Medizin/Medizintechnik.

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