Bleibt Deutschland ein Top-Ziel für ausländische Fachkräfte?
Das demografische Wandel stellt Deutschland vor die Herausforderung, verstärkt auf Fachkräftezuwanderung aus dem Ausland zu setzen. Bereits heute sind Personen mit Migrationshintergrund in vielen Berufsfeldern unverzichtbar.
Ab dem 1. März 2024 treten neue Regelungen in Kraft, die ausländischen Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern mit Berufserfahrung ermöglichen, in Deutschland in nicht reglementierten Berufen zu arbeiten, ohne dass ihr Abschluss in Deutschland formal anerkannt werden muss. Diese Änderungen stellen eine Erleichterung der Einwanderung und eine Erweiterung der Beschäftigungsmöglichkeiten für qualifizierte Fachkräfte dar, was zu einer größeren Vielfalt und Innovationspotenzial auf dem deutschen Arbeitsmarkt führen könnte.
„Fachkräfte mit Abschluss und Berufserfahrung können dann auch ohne vorheriges Anerkennungsverfahren einreisen und in Deutschland arbeiten“, sagte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Mehr ausländische Beschäftigte für Deutschland?
In zahlreichen Arbeitsbereichen ist der deutsche Arbeitsmarkt seit langem von Fachkräftemangel betroffen und funktioniert nur dank der Beteiligung von Personen mit ausländischem Hintergrund. Insbesondere in Berufen wie der Reinigung (60 Prozent) und der Gastronomie (46 Prozent) ist der Anteil der Erwerbstätigen mit Migrationshintergrund überdurchschnittlich hoch, wie das Statistische Bundesamt unter Berufung auf Daten für das Jahr 2022 mitteilte.
Im Jahr 2022 hatte demnach ein Viertel (25 Prozent) aller Erwerbstätigen im Alter von 15 bis 64 Jahren einen Migrationshintergrund. Nach Angaben der Behörde in Wiesbaden wird eine Person als mit Einwanderungsgeschichte bezeichnet, wenn sie seit dem Jahr 1950 selbst nach Deutschland eingewandert ist oder wenn beide Elternteile seit dem Jahr 1950 eingewandert sind.
Auch in den Bereichen Verkehr und Logistik stellten Personen mit Migrationshintergrund mit 38 % einen überdurchschnittlichen Anteil an allen Beschäftigten dar. Unter den Fahrern von Fahrzeugen im Straßenverkehr, einschließlich Berufskraftfahrern, Bus- und Straßenbahnfahrern, betrug ihr Anteil knapp 40 %. In den Hoch- und Tiefbauberufen zeigt sich ein ähnliches Bild, wobei der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund bei 36 % lag, in Hochbauberufen bei 40 % und in Berufen des Innenausbaus bei 34 %.
Auch in einem anderen Bereich zeigt sich ein Unterschied in der Beschäftigung von Personen mit und ohne Migrationshintergrund. Unter den Führungskräften waren Personen mit Migrationshintergrund weniger stark vertreten. Ihr Anteil an allen Führungskräften im Jahr 2022 betrug 18 %. Ähnliches galt für akademische Berufe, in denen 19 % der Beschäftigten einen Migrationshintergrund hatten. Personen mit Migrationshintergrund waren hingegen häufiger in gering qualifizierten Berufen tätig als solche ohne Migrationshintergrund. Im Jahr 2022 stellten sie die Mehrheit aller Hilfsarbeitskräfte (52 %).
Deutschland als attraktives Ziel
Laut einer aktuellen internationalen Umfrage bleibt Deutschland für ausländische Arbeitskräfte weiterhin attraktiv. In einer kürzlich veröffentlichten Befragung von 150.000 Arbeitnehmern aus 188 Ländern belegt Deutschland den fünften Platz auf der Liste der beliebtesten Arbeitsstandorte. Es ist somit das führende nicht-englischsprachige Land, hinter Australien, den USA, Kanada und Großbritannien. Die Studie wurde von der Unternehmensberatung Boston Consulting Group, der Stellenbörse Stepstone und ihrem Dachverband The Network veröffentlicht. Im Gegensatz dazu bleiben in Deutschland ansässige Arbeitnehmer in der Regel eher im Inland.
Fachkräfte und Arbeitgeber zu einer Anerkennungspartnerschaft verpflichten
Zukünftig dürfen Personen aus Drittstaaten bereits in Deutschland arbeiten, wenn sie mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Herkunftsland anerkannten Berufs- oder Hochschulabschluss vorweisen können. Eine spezifische Anerkennung ihrer Ausbildung in Deutschland ist zunächst nicht erforderlich. Diese Maßnahme zielt darauf ab, Bürokratie zu reduzieren und die Verfahren zu beschleunigen. Das Arbeitsplatzangebot in Deutschland muss jedoch ein Bruttojahresgehalt von mindestens 40.770 Euro garantieren. Bei Tarifbindung des Arbeitgebers reicht eine Vergütung gemäß des Tarifvertrags aus.
Wenn eine Anerkennung der Berufsqualifikation weiterhin erforderlich ist, wie beispielsweise in vielen Gesundheits- und Pflegeberufen, und sich Fachkräfte sowie Arbeitgeber zu einer Anerkennungspartnerschaft verpflichten, kann das Verfahren künftig auch nach der Einreise nach Deutschland eingeleitet werden. In dieser Partnerschaft verpflichten sich Arbeitgeber und die betreffende Fachkraft, die Anerkennung nach der Einreise zu beantragen und das Verfahren aktiv zu unterstützen. Dabei kann die Fachkraft bereits in Deutschland nebenbei qualifizieren oder arbeiten. Die grundlegenden Voraussetzungen für eine Anerkennungspartnerschaft sind ein Arbeitsvertrag sowie eine im Herkunftsland anerkannte Berufsqualifikation von mindestens zwei Jahren oder ein Hochschulabschluss. Zusätzlich werden deutsche Sprachkenntnisse auf Niveau A2 verlangt.
Faeser sagte: „Wir sorgen dafür, dass die Fachkräfte in unser Land kommen können, die unsere Wirtschaft seit Jahren dringend braucht“.
Paradigmenwechsel in der Einwanderungspolitik
Der Migrationsexperte Martin Lange am ZEW Mannheim bezeichnete es als einen „Paradigmenwechsel in der Einwanderungspolitik“, dass Personen aus Drittstaaten künftig eine Beschäftigung in Deutschland aufnehmen können, ohne vorher ihre Qualifikationen anerkennen lassen zu müssen. Allerdings wies er darauf hin, dass ein „unverhältnismäßig hohes Einkommen“ nachgewiesen werden müsse. Lange äußerte den Wunsch, dass die Bundesregierung in diesem Bereich nachbessern solle, um mehr Zuwanderung über diesen Kanal zu ermöglichen. Er betonte jedoch, dass dies keine umfassende Reform sei, da die Einwanderung aus Drittstaaten attraktiver gestaltet werden müsse. Er forderte die Beseitigung administrativer Hürden und die Senkung hoher Verdienstschwellen.
VDI-Projekt Xpand für eingewanderte Ingenieure und Ingenieurinnen
Das neue VDI-Projekt Xpand hat es sich zum Ziel gesetzt, Brücken für Ingenieure und Ingenieurinnen aus dem Ausland zu bauen. Diese stehen vor zahlreichen Herausforderungen, die den Weg zu einer angemessenen beruflichen Beschäftigung in Deutschland erschweren. Trotz ihrer Qualifikationen mangelt es ihnen oft an beruflichen und sozialen Netzwerken sowie an Kenntnissen über die regionalen Ingenieurarbeitsmärkte. Diese Faktoren sind entscheidend, um sich in Deutschland zu etablieren. „Wir wollen zugewanderten Ingenieuren, Ingenieurinnen und Studierenden der Ingenieurwissenschaften im höheren Semester die Integration in den Arbeitsmarkt, aber auch in die Gesellschaft erleichtern und ihnen damit eine Heimat bieten“, sagt Projektleiter Ingo Rauhut.
VDI-Xpand zielt darauf ab, erfahrene Fachkräfte als Mentoren mit zugewanderten Fachkräften, den sogenannten Mentees, zusammenzubringen. Das Ziel dieser Kooperation ist es, den Arbeitsmarkt mit hochqualifizierten Fähigkeiten zu bereichern. Die Initiative VDI-Xpand wird in Nordrhein-Westfalen pilothaft in Zusammenarbeit mit den VDI-Bezirksvereinen Aachen, Bochum, Münsterland und Ostwestfalen-Lippe durchgeführt. Neben der Unterstützung im Bewerbungsprozess ermöglicht das Programm den Austausch über den Umgang mit Vorurteilen und die Arbeitskultur.
Rauhut erläuterte weiterhin, dass es zum Selbstverständnis des VDI gehört, allen Ingenieuren und Ingenieurinnen in Deutschland, die eine Leidenschaft für Technik haben, als Anlaufstelle zu dienen. Dabei sei es nicht das Ziel, einen Brain-Drain in anderen Ländern zu fördern, sondern vielmehr, die Ingenieure und Ingenieurinnen aus dem Ausland, die sich bereits in Deutschland befinden, durch einen kollegialen Austausch auf Augenhöhe zu unterstützen und ihnen eine Heimat zu bieten.
„Es wird viel darüber geredet, wie wir qualifizierten Fachkräften die Zuwanderung und Aufnahme einer bildungsadäquaten Beschäftigung in Deutschland erleichtern können. Als VDI kümmern wir uns jetzt in der Praxis darum, dass auch etwas geschieht“, resümierte Direktor Adrian Willig.
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