Interview 30.04.2025, 10:00 Uhr

So steuert Ferchau durch stürmische Zeiten

In seinen ersten 100 Tagen als Geschäftsführer von Ferchau hat Alexander Schulz gemeinsam mit Frank Ferchau eine umfassende Neustrukturierung des Unternehmens vorangetrieben – mit spürbarem Erfolg. Im Interview spricht er über den Wandel hin zu fokussierten Divisionen, neue Marktchancen im Verteidigungssektor und darüber, warum Deutschland dringend an seiner Attraktivität für Fachkräfte arbeiten muss.

Alexander Schulz

Trotz turbulenter Zeiten optimistisch: Alexander Schulz über Chancen für junge Ingenieure, den Wandel in der Industrie – und warum Spaß an der Arbeit der Schlüssel zum Erfolg ist.

Foto: FERCHAU GmbH

Herr Schulz, die ersten 100 Tage im Amt sind nun vorbei. Wie fällt Ihr persönliches Zwischenfazit aus?

Nach 100 Tagen habe ich – auch in Kooperation mit Frank Ferchau – ein erstes Zwischenfazit gezogen. Denn wir haben das Unternehmen neu aufgestellt und unser gesamtes Management-Team neu formiert. Daher kann ich rückblickend sagen: Das hat sehr gut funktioniert. In den vergangenen drei Monaten sind wir gut zusammengewachsen. Die ersten Management-Meetings in der neuen Struktur liegen hinter uns, und die vier Divisionen entfalten zunehmend ihre Wirkung – sie adressieren und bearbeiten den Markt nun deutlich fokussierter.

Das ist im Moment wirklich erfreulich. Natürlich befinden wir uns an einigen Stellen noch in den sprichwörtlichen Kinderschuhen; es gibt Aspekte, die nachjustiert werden müssen – aber das ist in einer solchen Phase völlig normal.

Aber was wäre dann vielleicht als Beispiel?

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Vor der Gründung der Divisionen haben die Niederlassungen unseren Kunden unser gesamtes Leistungsspektrum angeboten. Weil unsere Auftraggeber aber auch Spezialwissen und Spezialberatungen brauchen, präsentieren wir uns heute mit vier klar definierten Divisionen.

Den Anfang macht der Bereich Competence. Hier konzentrieren wir uns gezielt auf unsere Technologie-Dienstleistungen in den Branchen Automotive, Luftfahrt und Anlagenbau. Diese drei Bereiche bedienen wir mit eigenen Niederlassungen, einer eigenständigen Struktur und einer dedizierten Organisation.

Die zweite Division ist der Bereich, den wir als Support bezeichnen. In diesem Segment unterstützen wir unsere Kunden mit professionell ausgebildetem Personal oder wir bieten spezifisches Know-how. Wir können ganze Abteilungen outsourcen und betreiben im Kundenauftrag Organisationseinheiten oder Projektgruppen. Zusätzlich unterstützen wir mit Fachkräften aus Ländern mit Entwicklungsmärkten, indem wir die Liefertreue und Qualität durch unser – speziell auf die Zusammenarbeit mit Best Cost Countries abgestimmtes – Projektmanagement sicherstellen. Besonders kosteneffizient können wir unsere Dienstleistungen in Indien und Polen anbieten.

Unsere dritte Division Contract unterstützt mit Freelancern – von erfahrenen Interimsmanagern bis zu hochspezialisierten Beratern – unsere Kunden, vor allem im Bereich Digitalisierung und Prozessentwicklung. Dabei erschließen wir auch gezielt neue Branchen wie zum Beispiel Handel, Banken, Versicherungen oder auch den Public-Sektor.

In unserer vierten Division Business Development bündeln wir unsere jungen, neu etablierten Geschäftsfelder. Darunter ist auch die Dienstleistung Direct, die handverlesen Fach- und Führungskräfte an unsere Kunden vermittelt. Verortet ist hier auch unser internationales Geschäft, das wir zurzeit in Spanien, Frankreich, Österreich und Polen konsequent ausbauen. Ebenso der Bereich Managed Service Providing, der zusammen mit der Tochtergesellschaft primeing, das Lieferantennetzwerk unserer Kunden managt.

Zwischen Automobilkrise und Verteidigungsboom

Wenn Sie auf die vergangenen drei Monate zurückblicken – gab es eine Situation oder Entscheidung, bei der Sie im Nachhinein sagen würden: Das hätte ich vielleicht anders machen sollen?

Wir müssen stets in – heute immer kürzeren – Zyklen unser Handeln hinterfragen und uns auf sich verändernde Situationen einstellen. Und klar, wenn ich derzeit auf unser Marktumfeld blicke, gibt es Situationen, die nicht vorhersehbar waren. Wie die Einführung neuer Zölle in den USA. Solche Entwicklungen bringen auch unsere Kunden in Unsicherheit; man spürt deutlich, dass sich die Automobilindustrie derzeit neu sortiert. Viele unserer Kunden stellen infolgedessen ihre Budgetplanungen und Investitionsbereitschaft auf den Prüfstand – und überlegen, ob sie neue Projekte starten oder verschieben.

Gleichzeitig verzeichnen wir deutlich mehr Anfragen aus dem Verteidigungsbereich – der für uns bisher weniger relevant war. Diese Entwicklung hat in den vergangenen Monaten stark an Dynamik gewonnen – nicht zuletzt durch die geopolitische Situation, aber auch durch den anhaltenden Krieg in der Ukraine. Auch die Automobilindustrie steht unter immensem Druck – einerseits durch die Transformation hin zur Elektromobilität, andererseits durch den zunehmenden Wettbewerb aus Fernost. Das zwingt die Branche zu einer tiefgreifenden Neuausrichtung. Die Stärke Ferchaus, sich in dem verändernden Umfeld flexibel einzubringen, kommt jetzt zum Tragen. Denn wir bauen Brücken zwischen den jeweiligen Branchen.

Sie haben gerade schon den Verteidigungsbereich erwähnt – ganz aktuell gab’s ja auch diese Studie, laut der die Jobs in dem Bereich richtig boomen. Wie nehmen Sie das bei Ferchau wahr? Spüren Sie diesen Trend auch schon konkret?

Ja, deutlich: Wir sind in der Luftfahrt aktiv, insbesondere im Airbus-Umfeld. Dieser war zwar schon zuvor eng mit der Verteidigungstechnik verbunden. Aber aktuell steht die Entwicklung von Drohnen besonders im Fokus, ein Thema, das nah an unserem Kerngeschäft liegt. Daher entstehen in diesem Marktumfeld derzeit neue Optionen – sei es durch neue Großkunden oder Start-ups.

Darüber hinaus bringen wir fundierte Kompetenzen im Schiffbau mit, haben zahlreiche Schiffe mitkonstruiert, insbesondere im Bereich Maschinenraum großer Kreuzfahrtschiffe. Daher betreiben wir bei Papenburg (in Oldenburg) oder auch Warnemünde auf Schiffbau spezialisierte Niederlassungen. Auch Kieler Kunden setzen auf unsere langjährigen Erfahrungen und Kompetenzen im U-Boot-Bau.

Welche Ziele haben Sie sich persönlich und für das Unternehmen in nächster Zeit gesetzt?

Mein wichtigstes Ziel ist aktuell, Ferchau in eine nachhaltige Wachstumsphase zu führen – und die Rentabilität unseres Unternehmens zu sichern. Auf diesem Weg ist unsere Transformation und die Etablierung der vier Divisionen ein Meilenstein, unsere strategische Positionierung in den neuen Branchen – wie den vorhin genannten und auch in den digitalen Zukunftsfeldern – ebenso. Ein weiteres Ziel, das ich persönlich mit Nachdruck verfolge, ist der konsequente Ausbau unseres internationalen Geschäfts. Gleichzeitig ist es mir wichtig, unsere internen Prozesse hoch effektiv zu gestalten. Dazu haben wir Programme initiiert, die Ferchau künftig schneller skalierbar machen.

Welche Rolle spielt Frank Ferchau noch im täglichen Geschäftsbetrieb?

Frank ist nach wie vor präsent. Erstens ist es auch sein Unternehmen, zweitens stehen wir in unseren Jour-Fixe-Terminen und Telefonaten in engem Austausch, drittens bringe ich seine Anliegen auf der Management-Ebene ein. Im operativen Geschäft hat er sich allerdings weitgehend zurückgezogen, bis auf seine beratende Rolle, bei der er auch seine Perspektive als Gesellschafter einbringt.

KI als CEO?

Ich habe mir auch Ihre LinkedIn-Seite angeschaut und fand eine sehr interessante Frage, die Sie dort aufgeworfen haben: Ob in Zukunft eine Künstliche Intelligenz die Rolle des CEO übernehmen könnte. Was denken Sie heute darüber?

Ich hoffe es nicht – aber genau das ist eine der Herausforderungen im Umgang mit Künstlicher Intelligenz: Am Ende muss der Mensch die Verantwortung für eine Entscheidung übernehmen. Daher ist eine KI ein wertvolles Werkzeug, um zu einer fundierten Entscheidung zu kommen, zum Beispiel, indem sie für mich Informationen zusammenfasst oder Strukturvorschläge für Projekte macht. Aber sie kann uns Menschen nicht die Aufgabe abnehmen, final die Verantwortung zu tragen – mit allen Folgen, die sich daraus ergeben.

Stichwort Jobverluste durch die KI: Wie sehen Sie diese Entwicklung vor allem für Ingenieure? Sind diese Ängste gerechtfertigt?

Ich gehe davon aus, dass sich einiges verändern wird, zusätzlich zu den Automatisierungsprozessen der vergangenen Jahre. Dennoch sind die technologischen Jobs nicht verschwunden, sondern: Die Mitarbeitenden mussten ihre Fähigkeiten und Methoden an den Entwicklungen anpassen – und diese Prozesse werden sich fortsetzen. Jedoch wird es im administrativen Bereich Tätigkeiten geben, die sich durch den Einsatz von KI stark verändern oder nicht mehr gebraucht werden.

Entscheidend aber ist, dass die KI nicht den Menschen ersetzen kann: Zum einen funktioniert sie nur, wenn ein Mensch ihr einen Prompt erteilt. Zum anderen sind wir Menschen es, die die mit KI-Unterstützung erstellten Produkte nutzen. Insofern werden wir lebenslang lernen müssen, um die KI für uns zu nutzen.

Und wie bereiten Sie sich auf diese Entwicklung vor? Gibt es bereits Schulungen oder wie gehen Sie dieses Thema an?

Wir haben ein Innovationsteam, das sich intensiv mit Künstlicher Intelligenz auseinandersetzt. Es prüft, wie wir diese in unser Business – insbesondere in unsere CRM- und Collaboration-Tools mit unseren Kunden – so integrieren, dass wir unsere Effektivität steigern. Dazu stellt uns das Team regelmäßig neue Methoden und Anwendungen vor, was spannend ist und uns weiterbringt. Zusätzlich arbeiten wir eng mit der FH Köln und ihrem Standort in Gummersbach zusammen, sowohl mit deren KI-Forschungsbereich als auch vor Ort mit der Expertise von Studierenden, die ihre Masterarbeiten bei uns schreiben.

Zwischen Deindustrialisierung und Verteidigungsboom: Alexander Schulz über die Zukunft des Standorts Deutschland, den Fachkräftemangel – und wie Ferchau Brücken zwischen Branchen baut. Foto: FERCHAU GmbH

Zwischen Deindustrialisierung und Verteidigungsboom: Alexander Schulz über die Zukunft des Standorts Deutschland, den Fachkräftemangel – und wie Ferchau Brücken zwischen Branchen baut.

Foto: FERCHAU GmbH

„Abwarten ist definitiv der falsche Weg“

Wir haben über Ängste hinsichtlich des Jobverlusts gesprochen, und auch die Autoindustrie wurde erwähnt, wo zunehmend Stellen abgebaut werden. Haben Sie bereits Auswirkungen dieser Entwicklung gespürt?

Ja, wir stellen einerseits fest, dass das Projektvolumen in der Automobilindustrie zurückgegangen ist. Andererseits haben sich auch die Anforderungen verändert: Es wird nach wie vor investiert, aber zunehmend in andere Themen als in die klassischen wie Karosserie, Fahrzeug- oder Antriebstechnik. Aktuell liegt der Fokus auf Elektromobilität, vernetztem Fahren oder auch der parallelen Nutzung verschiedener Antriebstechnologien – sei es Hybrid-, Wasserstoff- oder Batteriesysteme oder auch Diesel- und Benzinmotoren. Herausfordernd ist, dass all diese Technologien gleichzeitig bedient werden müssen; die Hersteller stehen unter enormem Wettbewerbsdruck, lassen parallel Effizienzprogramme laufen und müssen trotz allem investieren.

Die Frage für alle Beteiligten ist – und auch wir stecken in diesem Prozess: Wie initiieren wir diese Transformation und wie nehmen wir die Mitarbeitenden mit, um sie passgenau weiterzuentwickeln? Zusätzlich haben wir in diesem Marktumfeld einen hohen Kostendruck, da Fahrzeughersteller die günstigsten Konditionen einfordern. Darauf müssen wir flexibel und schnell reagieren.

Und dann kommt noch die neue US-Zollpolitik hinzu, die nicht ohne Auswirkungen auf die gesamte Industrie bleiben wird. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?

Ja, das sehe ich genauso. Die Zollpolitik wurde jüngst um drei Monate verschoben, aber was künftig umgesetzt wird, bleibt ein Überraschungspaket. Das sorgt natürlich für eine enorme Unsicherheit. Es gibt jedoch einzelne Fahrzeughersteller oder industrielle Unternehmen, die weniger stark betroffen sind, weil sie bereits zuvor in den USA produzierten – also in Deutschland entwickeln, in Amerika fertigen.

Wie gehen Sie mit dieser Verunsicherung in dieser Zeit um? Welchen Ratschlag würden Sie den Menschen geben – einfach abwarten oder sich bereits jetzt vorbereiten?

Abwarten ist definitiv der falsche Weg. Daher sind wir derzeit intensiv im Vertrieb aktiv, indem wir neue Kunden akquirieren und uns in neuen Geschäftsfeldern etablieren. Dazu führen wir im Vorfeld umfangreiche Marktanalysen durch. Auch das Infrastruktur-Paket der Bundesregierung nennt uns Ansatzpunkte – von der Energieversorgung über den Straßenbau und die Digitalisierungsmaßnahmen bis zu den Verteidigungssystemen.

Außerdem gilt es nach wie vor, den Fachkräftemangel im Blick zu behalten. Auch wenn jetzt in vielen Unternehmen Personal abgebaut wird, ist der Bedarf an Spezialisten hoch. Denn unsere Gesellschaft altert und Fachkräfte sind rar.

Wettlauf um Talente: Was Deutschland tun muss, um attraktiv zu bleiben

Haben Sie eine Lösung für das Problem des Fachkräftemangels? Die Babyboomer gehen in Rente, ihr Wissen geht verloren, und die Generation Z kommt auf den Arbeitsmarkt – mit anderen Arbeitsvorstellungen. Wie gehen Sie damit um?

Ja, das ist herausfordernd. Ich denke, alle Generationen müssen zusammenrücken, um ein besseres Verständnis füreinander zu entwickeln und auch voneinander zu lernen. Dennoch: Viele Wünsche der Generation Z – wie etwa mehr Freiheit oder die Vorstellung, dass Arbeit vor allem Sinnhaftigkeit bieten muss – sind nicht in dem Maße umsetzbar, wie sie sich das erhoffen. Vielleicht vor ein paar Jahren, vor dem Ukrainekrieg, vor der wirtschaftlichen Stagnation, vor der aktuellen Zollproblematik. Aber momentan haben sich die Prioritäten verschoben; wir alle müssen vor allem unseren Lebensunterhalt sichern.

In diesem Zusammenhang blicken wir auch auf unsere Standorte im Ausland, zum Beispiel nach Polen oder Spanien. Wir stellen bei der jüngeren Generation eine enorme Leistungsbereitschaft fest, die vermutlich auf die höhere Arbeitslosigkeit zurückzuführen ist. Vielleicht ist es auch ein Wettbewerb, ein Wettlauf zwischen den Ländern, um konkurrenzfähig zu bleiben.

Wäre es dann auch eine Option, mehr ausländische Fachkräfte nach Deutschland zu holen?

Das ist auf jeden Fall eine Option, auch, um unsere Gesellschaft zu verjüngen. Aber ist Deutschland mitsamt seinen Hürden – den Visabedingungen und Ausbildungsanerkennungen, dem Wohnraummangel und der geringen Willkommenskultur – für ausländische Fachkräfte überhaupt attraktiv? Denn Hochqualifizierte haben heute schließlich weltweit die Wahl, wo sie ihr Know-how einbringen.

Wie würden Sie den Standort Deutschland einschätzen? Ist die Marke „Deutschland“ aus Ihrer Sicht nicht mehr so stark wie früher?

Der Standort Deutschland muss auf jeden Fall an seiner Wettbewerbsfähigkeit arbeiten. Er ist nicht mehr so konkurrenzfähig wie andere Länder, das spiegelt sich auch in den Deindustrialisierungstendenzen wider: Momentan fließt mehr Kapital in andere Länder, als dass es in Deutschland investiert wird. Daher gibt es für uns einiges zu tun.

Welche Maßnahmen oder Ideen würden Sie vorschlagen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken?

Ein großes Thema sind die Energiekosten für produzierende Unternehmen, die den Vergleich mit anderen Ländern standhalten müssen. Hinzu kommen die maroden Infrastrukturen, die wir in den Griff bekommen müssen; ebenso gilt es, den hohen Bürokratie- und Dokumentationsaufwand zu verringern. Im internationalen Vergleich schwächen uns auch die Arbeitskosten, die zu den höchsten in Europa zählen. Auch der Krankenstand – nimmt man ihn als Indikator für die Effizienz der Arbeitswelt – ist auf einem hohen Niveau und müsste genauer erforscht werden.

Um wettbewerbsfähige Produktions- und Arbeitsbedingungen zu schaffen und attraktiv für Investoren zu sein, braucht es aus meiner Sicht auch steuerliche Anreize. Es kann nicht sein, dass – aus dem Blickwinkel des Arbeitnehmers betrachtet – bei höheren Arbeitszeiten weniger als zuvor im Portemonnaie bleibt.

Und: Wir müssen wieder mehr an unser Land und unsere Fähigkeiten glauben: Es gibt so viele tolle, blühende Betriebe, an denen sollten wir uns im öffentlichen Diskurs ein Beispiel nehmen.

Meinen Sie, es fehlen positive Nachrichten oder positive Schlagzeilen in den Medien?

Ja, zum Beispiel über die digitalen Kompetenzen Europas: Die wirtschaftliche Situation in Amerika und ihre Zollpolitik machen es deutlich, dass die Softwareentwicklung – bis hin zur Hardware in unseren IT-Abteilungen – zum großen Teil in amerikanischer Hand liegt, von Microsoft bis Salesforce. Daher wünsche ich mir Schlagzeilen, dass sich Europa emanzipiert und eigene IT-Lösungen entwickelt – wie die Schwarz-Gruppe ihre beeindruckende Cloud-Plattform Stackit.

Beruf mit Sinn: Warum Ingenieure auch in Krisenzeiten gefragt sind

Welchen Rat würden Sie jungen Ingenieuren geben, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen und nun diese turbulente Zeit erleben?

Es klingt einfach, ist es aber nicht: Ich rate, positiv und optimistisch auf die Chancen zu blicken, die sich auftun. Und natürlich, das liegt in der Natur des Ingenieurs, offen und neugierig für neue Technologien zu bleiben, sich kontinuierlich weiterzubilden und lernen zu wollen.

Und noch etwas rate ich: Arbeit mit Spaß zu verbinden. Denn sie ist ein integraler Teil des Lebens, der ohne Freude nicht funktioniert. In manchen Zeiten fordert der Job, dass man mehr als das Übliche leisten muss – wenn man dann dazu bereit ist, wird sich der Erfolg einstellen, zu allen Zeiten und auch bei den jungen Menschen. Manchmal braucht es aber auch Durchhaltevermögen, um durch schwierige Phasen zu kommen.

Wer Ingenieurwesen studiert hat – also Erfindergeist hat, tüfteln, entwickeln und programmieren will und Leidenschaft mitbringt, sorgt dafür, dass sein Job mehr wird als ein Broterwerb: eine erfüllende Tätigkeit, die zum Erfolg führt.

Wie schätzen Sie generell die Jobperspektiven für Ingenieure in Deutschland ein? Sehen Sie das Glas eher halb voll oder halb leer?

Das Glas ist definitiv halb voll. In Deutschland ist das technologische Know-how von Ingenieuren essenziell für unsere Zukunft. Auch wenn die Produktion künftig weiter zurückgehen wird, ist die Entwicklung von Produkten, Software und mechanischen Lösungen zentral; Deutschland wird immer ein technologie-intensives Land sein – und Ingenieure gefragt bleiben. Ich sehe das sehr positiv.

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Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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