Interview 08.11.2023, 11:50 Uhr

Mint-Fachkräfte: Ingenieurdienstleister erklärt, wie man die besten Nachwuchstalente findet

In unserem Gespräch mit Frank Ferchau, Geschäftsführendem Gesellschafter der ABLE GROUP, gewinnen wir Einblicke in die Strategien einer der führenden IT- und Ingenieurdienstleister Europas zur Bewältigung des Fachkräftemangels und zur aktiven Förderung von Nachwuchstalenten.

Fachkräfte suchen

Deutschlands Mint-Bereiche leiden weiterhin unter einem bedeutenden Fachkräftemangel.

Foto: PantherMedia / AndreyPopov

In Deutschland besteht nach dem Mint-Herbstreport des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) weiterhin ein signifikanter Mangel an Arbeitskräften, insbesondere in den Mint-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik), mit insgesamt 285.800 offenen Stellen. Dieses Thema steht heute im Fokus, da wir im Interview mit Frank Ferchau, Geschäftsführender Gesellschafter der ABLE GROUP , Einblicke erhalten, wie Europas führender IT- und Ingenieurdienstleister dieses Problem angeht und in die Nachwuchsförderung investiert.

Herr Ferchau, könnten Sie bitte Ihre persönliche Erfahrung in der technischen Dienstleistungsbranche teilen? Wie sind Sie zu dem geworden, was Sie heute sind?

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Die Anfänge von Ferchau liegen in einem kleinen Ingenieurbüro, das mein Vater gegründet hat. Als ich als Jungspund Mitte der 90er-Jahre in den Betrieb einstieg, war das ein Wendepunkt: Das Unternehmen befand sich mitten in einer turbulenten Phase – Wiedervereinigung, wirtschaftlicher Umbruch und schwache Konjunktur. Viele Unternehmen hatten genug Personal und dachten nicht an Dienstleister. Wir standen vor der schwierigen Entscheidung, unsere Belegschaft zu halbieren. Mein Job war es, unser Unternehmen durch diese Krise zu navigieren und für eine sichere Zukunft zu rüsten. Das hat mich geprägt. Heute sind wir einer der größten IT- und Ingenieurdienstleister Europas und suchen vor allem eins: Nachwuchs.

Als Gründer und leitender Kopf von Ferchau, was waren die entscheidenden Momente oder Strategien, die Ihnen geholfen haben, sich in der Branche zu etablieren und erfolgreich zu sein?

Mein Vater hat den Betrieb vor über 50 Jahren gegründet. Anfang der 2000er-Jahre habe ich das Unternehmen dann übernommen und es dorthin geführt, wo es heute steht. Das war aber nur möglich, weil mein Vater mir eine gute Basis und das nötige Vertrauen mit auf den Weg gegeben hat.
Unsere Stabilität verdanken wir auch unserer familiären Geschäftsstruktur – wir sind ja bis heute ein Familienunternehmen. Mit der Zeit sind wir gewachsen, sind mit über 120 Standorten flächendeckend vor Ort und haben heute das Privileg, Projekte für große Dax-Konzerne zu realisieren. Ich denke, dass man diese räumliche Nähe, aber vor allem eine gewisse Größe braucht, um als Dienstleistungspartner wahrgenommen zu werden. Das macht das Unternehmen auch für Top-Talente attraktiver.

Flexibles Arbeiten und möglichst viel Freiheit

Wie kann man junge Talente und Fachkräfte in Zeiten des Fachkräftemangels für sich gewinnen und fördern?

Indem du das anbietest, was die jungen Leute fordern und zeigen: Hey, das geht auch bei uns! Flexibles Arbeiten und möglichst viel Freiheit, das steht bei den jungen Leuten hoch im Kurs. Was vielen oftmals nicht bewusst ist: Im Ingenieurbereich kannst du Work-Life Balance haben und gleichzeitig von überall aus an abwechslungsreichen Projekten mitarbeiten.

Und: Junge Talente findest du da, wo die sich rumtreiben. Das heißt: Frühzeitig da sein, wo sie sind. Das fängt bei uns mit Schulpraktika an und geht weiter bis zur Hochschulkommunikation. In dem Zusammenhang gehen wir auch gerne ungewöhnliche Wege wie zuletzt der Teilnahme auf der Gamescom. Da haben wir viele junge Leute erreicht, die sich für IT begeistern – und genau solche Young Talents suchen wir. Wenn die dann mit unseren Mitarbeitern ins Gespräch kommen, ist das ein guter Anfang.

Gesellschaft und unser Land fit für die Zukunft machen

Haben Sie spezifische Ansätze, um junge Menschen für den Bereich Maschinenbau, Elektrotechnik und IT zu interessieren? Bzw. womit kann man sie „locken“?

Ich glaube, dass es heute vielen jungen Menschen wichtig ist, eine sinnvolle bzw. sinnstiftende Arbeit zu haben. Und das musst du dem Nachwuchs vermitteln: Als Ingenieur trägst du dazu bei, die Gesellschaft und unser Land fit für die Zukunft zu machen. Wer baut denn die ganzen Windräder? Und wer sorgt dafür, dass die Digitalisierung in Deutschland endlich vorankommt? Wir brauchen Technik wie Maschinenbau und IT, um die Energie- & Klimawende konkret umzusetzen. Da gestaltest du die Zukunft aktiv mit. Wie viel sinnvoller kann ein Job sein?

Welche Bedeutung messen Sie dem Mangel an Ingenieuren und Fachkräften in Deutschland bei? Und wie gehen Sie gegen diesen Mangel vor?

Ohne Ingenieurinnen und Ingenieure werden wir die ehrgeizigen Ziele, die sich Deutschland gesetzt hat, nicht erreichen. Wir wollen nachhaltiger und digitaler werden – das unterstütze ich voll und ganz. Aber jemand muss das umsetzen. Wir haben gerade in allen Bereichen mehr Nachfrage an Experten, als das Angebot hergibt. Deswegen: Von guten Fachkräften hängt eine Menge ab.

Auch wir bei Ferchau spüren natürlich den Fachkräftemangel. Wir bekommen viele Bewerbungen, müssen aber auch eine Menge dafür tun. Zum Beispiel ins Marketing und in Employer-Branding-Maßnahmen investieren. Oder einen intensiven Dialog mit wissenschaftlichen Institutionen pflegen. Und wir sprechen die junge Zielgruppe da an, wo sie sich aufhalten: In der Schule, an Unis, auf Messen, in den sozialen Medien usw.

Mehr Frauen für Ingenieurberufe begeistern

Inwiefern engagieren Sie sich für die Förderung und Unterstützung von Frauen im Ingenieurwesen? Welche Initiativen oder Programme gibt es, um mehr Frauen für Mint-Berufe zu gewinnen?

Das ist mir ein ganz persönliches Anliegen, mehr Frauen für Ingenieurberufe zu begeistern.

Familie und Job unter einen Hut zu bringen, das geht auch bei einem Ingenieurdienstleister wie Ferchau. Wir bieten flexible Arbeitszeiten, jegliche Form von Teilzeit und da, wo es geht, Remote Work. Natürlich gibt’s bei uns auch Formate wie den Girls‘ Day – den ich für gut und wichtig halte, um junge Frauen an technische Berufsfelder heranzuführen. Die eigentliche Herausforderung liegt aber darin, umfassender und schon viel früher anzufangen, Frauen für Mint-Fächer zu begeistern. Und das ist für mich ein klarer Auftrag an die Verantwortlichen im Bildungssystem: Wir müssen das Image ändern, dass Technik nur was für Jungs ist. Angefangen vom Kindergarten, der Schule bis hin zur Universität müssen wir Mädchen und junge Frauen für Mint-Fächer begeistern und fördern.

Hier bei Ferchau sind wir bereits stark darin, da wir im ständigen und langjährigen Dialog mit Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen stehen, um junge Frauen für technische Jobs zu gewinnen. Das spiegelt sich auch in unseren Zahlen wider:

Der Frauenanteil im technischen Bereich liegt bei uns bei knapp 23 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Frauenanteil in Mint-Berufen bei knapp über 15 Prozent. Um ehrlich zu sein: Beide Zahlen sind mir noch viel zu wenig. Da muss ein Umdenken stattfinden, denn – und das ist meine alltägliche Erfahrung – Frauen sind nicht nur sehr gute Entwicklerinnen und Technikerinnen – sie bringen auch wichtige Future Skills mit, die wir alle gut gebrauchen können, z.B. kollaboratives Arbeiten, Kommunikation und Kreativität.

Chancen sind so gut wie nie

Frank Ferchau weiß genau, wie man Fachkräfte findet. Foto: FERCHAU-GmbH

Frank Ferchau weiß genau, wie man Fachkräfte findet.

Foto: FERCHAU-GmbH

Wo sehen Sie persönlich die Zukunftsperspektiven für Ingenieure in Deutschland? Welche Entwicklungen und Branchen halten aus Ihrer Sicht besondere Chancen bereit?

Ingenieur:innen packen die Themen der Zukunft an: Nachhaltigkeit, erneuerbare Energien, Digitalisierung. An all diesen großen Projekten sind sie beteiligt. Ich glaube, die Chancen sind so gut wie nie – vor allem wenn es um transformative Aufgaben geht, die die Welt maßgeblich beeinflussen.

Wie bewerten Sie den aktuellen Status des Ingenieurwesens in Deutschland und welche Veränderungen oder Entwicklungen würden Sie sich für die Branche wünschen?

Ich glaube, dass in der Gesellschaft oft noch das Klischee des verkopften und etwas steifen Ingenieurs herumgeistert. Das muss sich in der Kultur und im Denken der Menschen ändern. Ich wünsche mir für Deutschland mehr Offenheit und Begeisterung für Technik. Wenn ich nach Osteuropa schaue, haben Mint-Berufe dort einen ganz anderen Stellenwert. Auch bei jungen Frauen. Ich meine: Ohne einen Mentalitätswandel wird ein Innovationsschub in und aus Deutschland nicht möglich sein und damit riskieren wir eine wirklich gute Zukunftsperspektive, die wir haben können.

Als erfahrener Experte, welche Ratschläge oder Tipps würden Sie jungen Menschen geben, die eine Karriere in den Bereichen Maschinenbau, Elektrotechnik oder IT anstreben?

Neugierig sein und vor allem eine offene Herangehensweise. Mutig und lösungsorientiert arbeiten. Nur dann können wir was ändern und mit den schnellen gesellschaftlichen Veränderungen Schritt halten.

Wie schaffen Sie es, Ihr Unternehmen auf dem neuesten Stand der Technologie und Innovation zu halten, um den sich ständig ändernden Anforderungen der Industrie gerecht zu werden?

Als Dienstleister wissen wir: Wir müssen immer am Puls der Zeit sein, oft sogar zwei Schritte voraus. Deshalb sind Innovation und technologischer Fortschritt für uns immer ein Thema. Das zeigt sich bei unseren großen Kundenprojekten wie der Ariane 6, für die wir Module für die Trägerrakete mitentwickeln. Oder wenn unsere Expert:innen Lösungen finden, um die Lebensdauer von Akkus zu verlängern. Das alles geht nur, wenn du deinen Leuten auch die Basis dafür bietest: Unsere Mitarbeitenden arbeiten mit den besten Tools, modernster Technik und schlanken digitalen Prozessen. Auch ein angenehmes Arbeitsumfeld trägt dazu bei. Da lege ich großen Wert drauf, denn wenn wir all das nicht bieten, können wir erfolgreiche Lösungen für andere nicht mitgestalten.

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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