Wandel in der Solarbranche 20.09.2025, 10:30 Uhr

Ist die Energiewende noch ein Jobmotor?

Die aktuelle Insolvenz des Solarherstellers Meyer Burger wirft kein gutes Licht auf die Solarbranche. Sie scheint weiterhin unter Druck zu stehen. Noch vor wenigen Jahren wurden händeringend Fachkräfte gesucht. Wie passt das mit der Insolvenzwelle, die seit 2024 die Branche erschüttert, zusammen?

Fachkräfte Solar

Solarbranche im Umbruch: Stellenabbau bei Meyer Burger zeigt die Herausforderungen der Energiewende – Fachkräfte bleiben dennoch gefragt.

Foto: PantherMedia / temis1964

In der Solarbranche geht die Angst um. Wie die dpa meldete, hat das Schweizer Unternehmen Meyer Burger mehr als 600 Mitarbeitende in Deutschland gekündigt. Die Solarzellenproduktion in Bitterfeld-Wolfen (Sachsen-Anhalt) und der Entwicklungsstandort in Hohenstein-Ernstthal (Sachsen) werden abgewickelt. Nach gescheiterter Investorensuche und wachsendem Wettbewerbsdruck aus China stünden die Standorte vor dem Aus. Zuvor hatte das Unternehmen bereits in den Vereinigten Staaten 300 Stellen gestrichen. Dort war der Grund ebenfalls eine fehlende Perspektive.

Der Plan einer Rückkehr der Solarproduktion nach Europa scheint gescheitert. Laut dpa ist die Solarbranche in Deutschland und Europa weiterhin wirtschaftlich hoch belastet. Diese Meldung wirft die Frage auf, ob die Energiewende noch immer der erhoffte Jobmotor sein kann.

Erneuerbare Energien im Aufschwung

Legt man aktuelle Zahlen zugrunde, sollte es im Bereich der erneuerbaren Energien eigentlich positive Entwicklungen geben. Im ersten Halbjahr 2025 lag der Anteil erneuerbarer Energien am deutschen Strommix laut BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. bei mehr als 54 Prozent. Den größten Teil trug die Windenergie mit 61 Milliarden Kilowattstunden (kWh) dazu bei, gefolgt von der Photovoltaik mit 47 Milliarden kWh, knapp 25 Milliarden kWh aus Biomasse und Siedlungsabfällen und Wasserkraft mit 8,1 Milliarden kWh. Durch fossile Energieträger entstanden 110 Milliarden kWh. Das Ergebnis zeigt: Die erneuerbaren Energien entwickeln sich immer mehr zu einer tragenden Säule der Stromversorgung in Deutschland.

Jobs in der Energiewende

Grundsätzlich gibt es aufgrund der Energiewende viele Arbeitsplätze: Das gilt besonders für Ingenieurinnen und Ingenieure, Technikerinnen und Techniker, Monteurinnen und Monteure, Elektriker und Elektrikerinnen sowie Expertinnen und Experten für Energieinformatik. Betrachtet man den Zuliefererbereich, sind Logistik, Transport sowie Produktion von Solarmodulen und Windkraftkomponenten gefragt. Auch Dienstleistungs- und Wartungsunternehmen sind unverzichtbar. Das Handwerk profitiert ebenso: Gebäudesanierung, Installation klimafreundlicher Heizungen und Netzumbau bieten viele neue Chancen für Beschäftigte.

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Die Bertelsmann-Stiftung stellt fest, dass die Zahl der Jobs mit Bezug zur Energiewende von 173.000 (2019) auf mehr als 400.000 (2024) angewachsen ist. Der Anteil der Stellenangebote im Energiesektor stieg in fünf Jahren von 1,8 auf 3,8 Prozent. Windenergie und Solarbranche sind die wichtigsten Treiber. Besonders technikorientierte Berufe werden stärker nachgefragt. Die beruflichen Perspektiven sind vielfältig – ob Planung, Montage, Entwicklung oder Service. Noch im März 2025 bezeichnete die Bertelsmann Stiftung die gesamtwirtschaftliche Situation der vergangenen Jahre in Deutschland zwar als schwierig, sah in der Energiewende aber weiterhin einen Jobmotor. Diese Branche sei von der Rezession kaum betroffen. Zu diesem Ergebnis kommt die Bertelsmann Stiftung nach einer Auswertung des Stellenmarktes in Deutschland in den Jahren 2019 bis 2024. Für 2025 prognostizierte die Stiftung sogar noch einen weiteren Anstieg der verfügbaren Stellen. Die Analyse stammt allerdings aus dem März dieses Jahres.

Es lohnt sich, einen Blick auf die Zahlen im Detail zu werfen. Betrachtet man die Entwicklung der Solarbranche von 2019 bis 2024, zeigt sich laut der Bertelsmann-Stiftung eine klare Dynamik: Die Zahl der Stellenangebote verdreifachte sich von 41.500 auf 127.000. Der Ausbau der Photovoltaik wurde politisch gefördert. Das schuf Anreize für private wie gewerbliche Investoren, die PV-Anlagen installieren ließen. Hinzu kam die Energiekrise der vergangenen Jahre mit zum Teil explodierenden Preisen. Das weckte den Wunsch vieler Verbraucherinnen und Verbraucher, sich mit einer eigenen PV-Anlage mehr Autarkie und gleichzeitig weniger Abhängigkeit volatiler Preise zu verschaffen.

Die Solarbranche: aktuelle Entwicklung und Herausforderungen

Doch schon 2024 zeichnete sich in der Photovoltaikbranche eine Veränderung ab: Die wirtschaftliche Lage verschärfte sich zusehends, es gab erste Insolvenzen bei kleinen wie großen Betrieben. Im Verlaufe des Jahres kam es zu einer regelrechten Insolvenzwelle. Betroffen waren unter anderem die Unternehmen Wegatech Green Energy GmbH, Enersol und Eigensonne / Amia. Das sorgte für eine erste Kettenreaktion, denn indirekt kam es dadurch zu Problemen bei Zulieferern und Dienstleistungsunternehmen. Die anhaltende Rezession in Deutschland schürte zudem die Unsicherheit und damit die Zurückhaltung bei Firmen wie Privatleuten hinsichtlich Investitionen.

Neben dem Konjunktureinbruch kam es zu einer globalen Wettbewerbsverschärfung – insbesondere durch billige Importe aus China. Das setzt die Branche nach wie vor unter Druck. War sie in den vergangenen Jahren zum Motor für Innovation und Beschäftigung geworden, scheint die Solarbranche derzeit vor einem Wendepunkt zu stehen.

Politische Veränderungen und ihre Folgen

Neben der Wettbewerbsverschärfung tragen politische Rahmenbedingungen dazu bei, dass die Solarbranche sich von der Insolvenzwelle aus dem vergangenen Jahr so schnell wohl nicht erholen kann. Das bezieht sich einerseits auf die politische Situation in der Vereinigten Staaten und damit verbundene Entscheidungen des amerikanischen Präsidenten. Sie belasten die globale Wirtschaftslage. Andererseits hatte die deutsche Regierung zeitweise Förderprogramme für Solaranlagen ausgesetzt oder gekürzt. Damit gingen Standortvorteile verloren.

2025 sank zudem die Einspeisevergütung für Solaranlagen. Bereits im Februar waren es für eine PV-Anlage bis zehn kW bei einer Teileinspeisung nur noch 8,03 Cent pro kWh, im August senkte die Bundesnetzagentur die Sätze nochmals: auf 7,86 Cent pro kWh. Wirtschafts- und Energieministerin Katharina Reiche (CDU) hat außerdem jüngst angekündigt, den Ausbau erneuerbarer Energien zurückfahren zu wollen, mehr Gaskraftwerke zu bauen, um so günstige Energiepreise und Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Gleichzeitig greifen China und die USA mit direkten Subventionen in den Markt ein, was die internationalen Wettbewerbsbedingungen weiter verzerrt. Unternehmen beklagen mangelnde Planungssicherheit und zu wenig Unterstützung für die heimische Produktion.

„Energiewende neu denken“

In Fachkreisen zeichnet sich ab, dass die Ausrichtung der Energiewende zu überdenken sei. Die Positionen dazu sind aktuell sehr unterschiedlich. Frithjof Staiß, geschäftsführender Vorstand des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und Professor für Innovationsmanagement in Energiesystemen an der Universität Stuttgart, pocht auf Planungssicherheit: „Aber um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu sichern und über die im Green Deal Industrial Plan angelegten Maßnahmen mit einer schnellen Umsetzung von klimaneutralen Technologien, Produkten und Services gezielt Vorteile im internationalen Wettbewerb zu generieren, benötigen wir Planungssicherheit: bezüglich des konsequenten weiteren Ausbaus der erneuerbaren Energien, der Energieinfrastrukturen, der Speicherkapazitäten und des Aufbaus einer grünen Wasserstoffwirtschaft.“

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer unterstützt den Vorschlag von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche. DIHK-Präsident Peter Adrian bezieht sich auf die vom DIHK veröffentliche Studie „Neue Wege für die Energiewende“, nach der diese in ihrer aktuellen Ausgestaltung bis zu 5,4 Billionen Euro Kosten bis zum Jahr 2050 verursacht. Das führe zu einer Belastung für Unternehmen und Haushalte, die von der Volkswirtschaft nicht zu stemmen sei. „Um Klimaneutralität zu erreichen, ohne Wachstum und Wohlstand einzubüßen, müssen wir die Energiewende neu denken: Sie muss flexibler, kosteneffizienter und internationaler werden“. Dazu gehören aus seiner Sicht eine übergreifende Netzplanung, ein effizienterer Energiemix und ein drastischer Bürokratieabbau.

Jobmotor Energiewende – Realität oder Mythos?

Das Konzept „Jobmotor Energiewende“ bleibt grundsätzlich bestehen: Mit Blick auf alle erneuerbaren Energieformen wächst die Zahl der Jobs weiter. Auch in Krisenjahren wurde weniger stark abgebaut als im Durchschnitt der Gesamtwirtschaft. Die Energiewende ist ein Stabilitätsanker auf dem deutschen Arbeitsmarkt – allerdings mit Abstrichen bei einzelnen Teilbranchen wie der Solarindustrie. Die verschiedenen Standpunkte zur möglichen neuen Ausrichtung der Energiewende zeigen deutlich: Die Solarindustrie ist ein wichtiger Baustein der Energiewende, aber nicht der einzige.

Der Widerspruch zwischen Stellenabbau und Fachkräftemangel ist also durchaus erklärbar: Die Solarindustrie kämpft mit Überkapazitäten, Preisverfall und internationaler Konkurrenz. Bei Windenergie, Gebäudesanierung, neuen Versorgungstechnologien wie Wasserstoff, Fernwärmeausbau und dem gezielten Ausbau der Energienetze steigt dagegen der Bedarf an Arbeitskräften kontinuierlich. Die Energiewende schafft Jobs, aber nicht überall gleichzeitig. Doch Fachkräfte sind in der Energiewende weiterhin gefragt.

Fazit: Chancen für Fachkräfte

Die Energiewende bleibt ein starker Jobmotor, wenn auch mit temporären Rückschlägen in einigen Bereichen wie der Solarindustrie. Die aktuellen Entlassungen bei Meyer Burger sind Ausdruck massiver globaler Herausforderungen, aber auch Anstoß für Debatten über politische Förderung und den Wert heimischer Energieproduktion. Wer sich weiterbildet und neue Perspektiven sucht, kann von der Zukunft der erneuerbaren Energien profitieren – als Teil einer nachhaltigen Wirtschaft. Die Chancen für Fachkräfte sind also weiterhin vorhanden.

Ein Beitrag von:

  • Nina Draese

    Nina Draese hat unter anderem für die dpa gearbeitet, die Presseabteilung von BMW, für die Autozeitung und den MAV-Verlag. Sie ist selbstständige Journalistin und gehört zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Automobil, Energie, Klima, KI, Technik, Umwelt.

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