Mein Ziel: Führungskraft
Karriereberater Heiko Mell diskutiert, wie man Führungskraft wird – mit Leserreaktionen, Praxisbeispielen und Tipps, wie man Chefs, Chef-Chefs und Kollegen für den eigenen Aufstieg gewinnt.
Heiko Mell im Dialog mit Lesern: Strategien und Erfahrungen, wie man erfolgreich zur Führungskraft aufsteigt.
Foto: PantherMedia / Jakub Jirsák
Frage/1:
Ihre Antwort auf die Frage 3.291 motiviert mich, über meine eigenen Erfahrungen zu berichten. Sie haben dankenswerterweise meinen Berufsweg vom Studium bis zur Pensionierung direkt und indirekt begleitet und beeinflusst. Fast immer hatte ich mich an die von Ihnen formulierten Grundregeln und Ihren Rat gehalten, mit dem Ergebnis bin ich voll und ganz zufrieden. Vielen Dank dafür!
Immer wieder haben Sie zu Recht die Bedeutung des unmittelbaren Vorgesetzten für die eigenen Beförderungsaussichten betont. Dem stimme ich uneingeschränkt zu, aber ich würde es ergänzen: Befördert wird man nicht vom direkten Chef, sondern vom Chef des Chefs. Man soll den eigenen Chef begeistern, aber man muss auch darauf achten, zuerst die Aufmerksamkeit und dann die Anerkennung und das Vertrauen des Chef-Chefs zu erreichen.
Wenn eine Besetzungsentscheidung Wellen schlägt
Antwort/1:
Ein ganz sicher sehr wertvoller Hinweis! Es gibt bei der Betrachtung der Konstellation dieser drei handelnden Personen diverse mögliche Kombinationen, deren ausführliche Betrachtung unseren Rahmen sprengen würde. Unterstellen wir also einschränkend nur einmal eine Standard-Situation (alle drei schätzen einander und arbeiten ziemlich harmonisch zusammen), dann bleiben uns noch folgende Varianten, die wir uns anschauen müssen:
Alle vorhandenen Hierarchieebenen sind besetzt, der Chef X ist Abteilungsleiter, der ihm unterstellte Mitarbeiter Teamleiter Müller will Abteilungsleiter werden, über allem steht der Bereichsleiter Y.
Hier gelten folgende Voraussetzungen bzw. Grenzen, die zu beachten sind (und zwar alle gleichermaßen):
Der Chef X muss Müller schätzen und grundsätzlich sehr positiv beurteilen. Sollte er sich zweifelnd über das Aufstiegspotenzial von Müller äußern, ist dessen Aufstieg stark gefährdet, sollte er strikt dagegen sein, ist an eine Beförderung im Gesamtbereich des Chef-Chefs kaum zu denken.
Fazit dazu: Ohne aktive Unterstützung des Chefs X läuft im „heimischen“ organisatorischen Rahmen (Verantwortungsbereich des Chef-Chefs Y) praktisch gar nichts. Dann bleiben nur noch hausinterne großräumige Versetzungen oder externe Bewerbungen – beide mit dem üblichen ungewissen Ausgang. Denn auch dort ist (Auskunft des Chef gegenüber potenziellen neuen internen Chefs bei der Versetzung oder Einfluss des Chefs auf Zeugnisse) gegen die Intentionen des direkten Vorgesetzten wenig zu machen.
Abteilungsleiter X kann Teamleiter Müller fördern – zum Abteilungsleiter befördern kann er ihn nicht. Erstens verfügt er über keine freie Abteilungsleiter-Stelle, zweitens gilt das Prinzip, dass die eigentliche Entscheidung über die Beförderung in eine Ebene hinein von dem Vorgesetzten dieser Ziel-Ebene getroffen wird (also in diesem Fall vom Bereichsleiter Y).
Zur Verdeutlichung: Ein Teamleiter befördert niemanden zum Teamleiter – und auch ein Vorstandsmitglied beruft niemanden in den Vorstand.
Fazit dazu: Wer Abteilungsleiter werden will, braucht dazu mindestens auch die wohlwollende Zustimmung des darüber angesiedelten Bereichsleiters, der allein kann ihn berufen.
Das auch in anderen Fällen (disziplinarische Maßnahmen, wesentliche Änderungen in Zuständigkeits und Einkommensfragen) geltende Prinzip lautet: Der (künftige) direkte Chef stimmt sich vorher mit seinem Chef ab.
Zusätzlich gelten bestimmte allgemeine Gepflogenheiten, die hausintern durchaus unterschiedlich ausgeprägt sein können, aber etwa so geregelt sein dürften:
Je höher die zu besetzende Position in der Unternehmenshierarchie angesiedelt ist, desto höhere „Wellen“ schlägt die Besetzungsentscheidung: Während also etwa eine Teamleiter-Berufung auf Bereichsleiterebene abschließend behandelt werden dürfte, wird – unabhängig von der Anzahl der vorhandenen Ebenen – eine Abteilungsleiter-Ernennung ziemlich sicher auch noch auf Geschäftsführer/Vorstandsebene zumindest „abgehakt“, wenn nicht sogar aktiv mitentschieden.
Wenn Teamleiter Müller Abteilungsleiter werden will, die Ebene aber über ihm derzeit nicht besetzt ist und er direkt dem Bereichsleiter untersteht, dann verfügt dieser über eine freie Abteilungsleiterstelle – und so könnte der Chef des Herrn Müller diesen ohne die Einschränkung gem. a2 nicht nur fördern, sondern auch befördern; er wird sich aber – auch gem. a2 – mit seinem Vorgesetzten in dieser Frage abstimmen.
Der Sonderfall „Nachfolge“: Abteilungsleiter X räumt seinen Stuhl, wird pensioniert, hausintern versetzt oder verlässt das Unternehmen. Er kann Teamleiter Müller empfehlen, befördern zu seinem eigenen Nachfolger kann er ihn nicht, eventuelle „Zusagen“ von ihm gegenüber Müller wären absolut unverbindlich! Im Gegenteil: Sofern X mit schlechter Reputation unfreiwillig gehen müsste, wäre seine Empfehlung sogar ein Beförderungs-Hindernis für Teamleiter Müller.
Gesamt-Fazit bis dahin: Wer (weiter) aufsteigen will, braucht dazu in der Regel das aktive fördernde Wohlwollen seines Chefs (der mit direkten Widerstand alle Hoffnungen zunichtemachen könnte), mindestens noch das „tolerierende Wohlwollen“ des Chef-Chefs und bei höheren Ansprüchen zusätzlich auch noch einen „Stein im Brett“ bei der Unternehmensleitung.
Sicherheitshalber verweise ich auf einen erprobten Spruch, den ich aus dem System herausdestilliert habe: „Gutes über andere will der Mensch bewiesen haben, Schlechtes hingegen glaubt er sofort“.
Das bedeutet: Die positive allgemeine Meinung einer maßgeblichen Person über Sie kann dennoch für Ihre Förderung nicht ausreichen; eine energisch vorgetragene Kritik oder sogar nur der Hinweis auf ein kritisches Gerücht von ebendieser Person kann Ihre Beförderung jedoch problemlos verhindern!

Karriereberater Heiko Mell.
Frage/2:
Nach meiner Erfahrung ist es darüber hinaus auch elementar wichtig, die anderen Führungskräfte ernst zu nehmen, sich deren Wohlwollen zu erwerben und es zu erhalten. Ein konkreter Fall:
Bei meinem letzten Arbeitgeber, bei dem ich die F&E verantwortete, war die Stelle des dem Vertrieb unterstellten Leiters Produktmanagement zu besetzen. Mein Vertriebskollege ließ den neuen Stelleninhaber nach einiger Zeit im Führungskreis vortragen. Noch während des Vortrags erhielt der gesamte Kreis eine Textnachricht von unserem CEO: „Wer hat den Schwätzer eingestellt?“ Die Sache endete letztlich tragisch sowohl für den Leiter Produktmanagement als auch für dessen Chef.
Aus diesr Geschichte möchte ich den Rat an karriereinteressierte Manager ableiten: Das Wohlwollen der Geschäftsführung ist unabdingbar! Wenn man dort vorträgt, geht es um „alles“.
Wenn ein Führungsfehler des CEO Wellen schlägt
Antwort/2:
Im Prinzip liegt hier ein Führungsfehler des CEO vor – aber wer sagt ihm das? Man schreibt als höchster Vorgesetzter beim ersten Vortrag einer neuen Führungskraft keine solchen Textnachrichten an alle anderen Teilnehmer – und man hängt diesem armen Neuling nicht das vernichtende Urteil „Schwätzer“ an, das der während der gesamten Dienstzeit dort nicht wieder los wird. So etwas kann man anders, viel souveräner und deutlich weniger menschenverachtend lösen. Aber dies ist keine CEO-Beratung, um dessen Missgriff geht es hier nicht. Menschen, denen Macht verliehen wurde, neigen zu solchen (und anderen) Ausfällen.
Uns geht es hier um den Leiter Produktmanagement. Er hat es versäumt, die gewaltige, sein Image auf Jahre hinaus prägende Wirkung seines ersten Vortrags vor dem CEO zu erkennen und sich optimal vorzubereiten: Was mag dieser CEO und was hasst er? Will er „kurz und knapp“ oder liebt er es ausführlich? Muss ich ein paar Schmeicheleien Richtung Unternehmensleitung in meinen Vortrag einbauen oder steht der Mann über solchen Tricks?
Und wenn der Neuling im Führungskreis schon nicht klug genug war, um entsprechend zielsicher zu agieren – warum hat sein verantwortlicher Chef ihn nicht besser vorbereitet, warum ließ er ihn während des Vortrags ins offene Messer laufen?
Nun, es heißt in Ihrer Einsendung, dass schließlich beide gehen mussten. Ganz unverdient war das offensichtlich nicht.
Zusammenhänge und Abhängigkeiten akzeptieren
Frage/3:
Darüber hinaus sind die Kollegen des eigenen Chefs bei Laune zu halten. Die können vielleicht eine Beförderung nicht verhindern, aber den Erfolg in der neuen Stelle denn doch.
Auch die Kollegen auf gleicher Ebene sollte man mit Respekt behandeln und sich nicht zu Feinden machen. Die sprechen mit ihren jeweiligen Chefs – und wenn dort vermerkt kritische Botschaften ankommen, dann führt das zu einer kritischen Haltung dieser Führungskräfte gegenüber weiteren Aufstiegsplänen.
Antwort/3:
Auch das ist alles absolut richtig. Bleibt die Frage: Wie schafft man es, alle diese Anforderungen zu erfüllen – und so ganz nebenbei auch noch überzeugende sachliche Arbeit zu leisten, seine Ziele zu erfüllen etc. pp? Das klingt ja fast nach einer Mammutaufgabe.
Mein wichtigster Rat ist hier: Sie müssen zunächst diese Zusammenhänge und Abhängigkeiten akzeptieren. Dann wird das alles zu einem „erkannten Problem“ – und man sagt ja, dass dieses Erkennen bereits die halbe Lösung einschließt. Die andere Hälfte der Lösung erreicht man, indem man die hier formulierten Ziele auch tatsächlich erreichen will. Dazu gehört auch die Bereitschaft, in taktischen Zusammenhängen zu denken, nicht nur „die Sache“ als alleinigen Maßstab zu akzeptieren. Ganz im Gegenteil: Je höherrangig die Partner sind, desto weniger geht es um rein sachliche Gegebenheiten, sondern vermehrt um emotionale Aspekte, um persönliche Befindlichkeiten, um versteckte Minderwertigkeitskomplexe usw. Denken Sie an den untalentierten Leiter Produktmanagement aus Frage/2. Der CEO dort hat sicher das Schimpfwort „Schwätzer“ nicht zum ersten Mal gebraucht, das hätte man vorab leicht recherchieren und bei seinem Vortrag berücksichtigen können. Vorausgesetzt man will auf diesem „Klavier“ spielen.
Wobei folgende Argumentationsbrücke nicht ganz von der Hand zu weisen ist: Wie will jene Führungskraft als Leiter Produktmanagement ein Höchstmaß an Kundenzufriedenheit durch entsprechende Gestaltung, Auswahl und Präsentation der hauseigenen Produkte erzielen, wenn er es nicht einmal schafft, den eigenen CEO mit seinem Vortrag zu begeistern?
Vielleicht hat jene Top-Führungskraft mit ihrer eigentlich zu kritisierenden ruppigen Art nur einen Prozess (Trennung vom neuen Leiter Produktmanagement) beschleunigt, der bei besserem Führungsverhalten nur länger gedauert und damit noch mehr Geld gekostet hätte? Und der in Ungnade gefallene Produktmanager? Er hätte hier nie eingestellt werden dürfen. Ein klarer Fehler des Vertriebsleiters.
So schließt man eine solche Analyse regelgerecht ab: Man definiert einen Schuldigen. Und zwar einen aus der höchsten zweiten Ebene. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf – und das wäre die Schuldzuweisung an den CEO gewesen. Obwohl – so ein klein wenig Mitschuld bleibt auch ihm. Nur, wem nützt diese Erkenntnis letzten Endes?
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