EU-Chemikalienverordnung 14.01.2011, 19:51 Uhr

Chemiefirmen müssen wegen Reach nachbessern

Nach Ablauf der Registrierungsfrist zur EU-Chemikalienverordnung Reach Ende November 2010 muss jetzt so manche Chemiefirma fehlerhafte Dossiers nachbessern. Zudem stehen alle Anwender von Chemikalien in der Pflicht, schrittweise Arbeitsschutzmaßnahmen zu überprüfen und eventuell anzupassen.

Seit Dezember 2010 liegen bei der EU-Chemikalienagentur (Echa) mehr als 20 000 ausführliche Registrierungsdossiers über rund 3400 Stoffe. Die eigentliche Arbeit aber beginne erst jetzt, sagte Eva Lechtenberg-Auffarth, Reach-Fachfrau der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) Mitte Dezember auf der Veranstaltung „Nach der Registrierung ist vor der Registrierung“ in Dortmund.

Hersteller und Importeure von Chemikalien sind verpflichtet, aus den Dossiers die für den Arbeits-, Verbraucher- und Umweltschutz wichtigen Daten an die Anwender weitergeben. Diese wiederum müssen schauen, ob ihre Schutzmaßnahmen noch zeitgemäß sind. Die Echa ihrerseits prüft stichprobenartig jedes 20. Dossier auf seine Richtigkeit, ob nachzubessern ist und ob Firmen auf Tierversuche verzichtet können.

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Reach: Chemiefirmen müssen Expositionsszenarien vieler Stoffe zusammenfassen

Informationsweitergabe: Einige Firmen geben bereits mit Expositionsszenarien erweiterte Sicherheitsdatenblätter weiter. Darin ist beschrieben, wie gefährliche Stoffe sicher gehandhabt werden können. Das fordert vor allem Firmen, die aus vielen Stoffen Gemische wie Schmiermittel, Farbe oder Lacke herstellen, heraus. Denn sie müssen für ihren jeweiligen Kunden Expositionsszenarien vieler Stoffe zusammenfassen.

Die BAuA-Veranstaltung zeigte, dass eine praktikable Software noch fehlt. Erste Hilfe bietet aber der „Reach Praxisführer zur Expositionsbewertung und zur Kommunikation in den Lieferketten“ des Verbands der Chemischen Industrie (VCI).

Mit den Expositionsszenarien müssen sich Arbeits- und Verbraucherschützer an die Abkürzung DNEL (derived no effect lecel) gewöhnen. Unterhalb solcher „abgeleiteter Nicht-Wirksamkeitswerte“ wirken giftige Stoffe nicht mehr auf Menschen.

Christine Guhe, BAuA, stellt aber klar: „Es gibt nicht nur einen DNEL-Wert.“ Für jeden Stoff existiert eine Vielzahl solcher Werte, etwa für die Aufnahme mit der Nahrung, der Atemluft oder über die Haut – jeweils unterschieden nach einzelnen Effekten, nach Belastungsdauer und ob es Arbeitnehmer oder Verbraucher sind, die damit umgehen.

In der Praxis müssen sich Betriebe an jenen Werten orientieren, die die Belastung bei den wahrscheinlichen Aufnahmewegen und der üblichen Belastungsdauer beschreiben.

In Deutschland ergänzen die DNEL-Werte den Arbeitsschutzgrenzwert (AGW). Liegen beide Werte gleich hoch, besteht kein Handlungsbedarf. Liegt der AGW niedriger, gilt er. „Liegt der AGW oberhalb des DNEL, sollte der Ausschuss für Gefahrstoffe den AGW überprüfen“, rät Guhe. Sie verweist zudem auf das Minimierungsgebot der deutschen Gefahrstoffverordnung.

Reach-Registrierung: Viele Dossiers sind fehler- oder mangelhaft

Dossiercheck: „Fehlen Informationen oder sind sie mangelhaft, fordern wir diese nach“, erklärte Norbert Fedtke. Er leitet eine der drei Bewertungsabteilungen der Echa mit insgesamt ca. 80 Fachleuten. Die Prüfung von 158 Dossiers läuft bereits. Bis Ende November 2010 hatte Echa 27 frühzeitig eingereichte Dossiers abgeschlossen, 38 Mängelbriefe verschickt und 33 Informationen nachgefordert.

Mit Mängelbriefen will Echa unnötige Verwaltungsvorgänge vermeiden. Firmen könnten so nachbessern und aktualisierte Dossiers nachreichen, so Fedtke: „Wir wissen, dass bei dem Zeitdruck, unter dem viele Dossiers erstellt wurden, Fehler und Ungenauigkeiten passieren können.“

Fordert die Echa jedoch von einer Firma eine Information an, beginnt ein genau festgelegter Bearbeitungsprozess mit engen Fristen. Am Ende steht eine von allen EU-Staaten getragene Entscheidung, gegen die die Firma Widerspruch einlegen kann.

„Reach hat auch das Ziel, unnötige Tierversuche zu vermeiden“

Tierversuche: „Reach hat auch das Ziel, unnötige Tierversuche zu vermeiden“, betont Fedtke. Die Echa prüft daher jeden Vorschlag zu neuen Versuchen mit Wirbeltieren. Das ist viel Arbeit: 580 der eingereichten Dossiers enthalten 1548 Vorschläge. Die Prüfungen sollen Ende 2012 beendet sein, zu 18 Vorschlägen fand bereits eine öffentliche Anhörung via Internet statt. Auch hier kann eine Firma Vorschläge der Echa kommentieren und Widerspruch einlegen.

Reach wird also Firmen in der gesamten Wirtschaft, aber auch die Echa sowie nationale Behörden (s. Interview, unten) noch lange beschäftigen. Klar ist zudem: Je besser Firmen sich untereinander und mit Behörden austauschen, desto glatter wird sich die EU-Chemikalienverordnung umsetzen lassen.

Ein Beitrag von:

  • Ralph H. Ahrens

    Chefredakteur des UmweltMagazins der VDI Fachmediengruppe. Der promovierte Chemiker arbeitete u.a. beim Freiburger Regionalradio. Er absolvierte eine Weiterbildung zum „Fachjournalisten für Umweltfragen“ und arbeitete bis 2019 freiberuflich für dieverse Printmedien, u.a. VDI nachrichten. Seine Themenschwerpunkte sind Chemikalien-, Industrie- und Klimapolitik auf deutscher, EU- und internationaler Ebene.

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