Sicherheit 05.09.2008, 19:36 Uhr

Die Kugel führt zum Täter  

VDI nachrichten, Wiesbaden, 5. 9. 08, sta – Benutzte Hülsen und deformierte Projektile verraten Mord-Ermittlern oft mehr als vermeintliche Zeugen. Die kleinen Metallteile tragen den Fingerabdruck des Täters – zumindest indirekt. Sie verraten viele Details zur benutzten Waffe. Das engt den Kreis der Verdächtigen stark ein.

Die Uhr zeigt schon nach 1. Tiefe Finsternis liegt über Karlsruhe. Kies knirscht, als ein Taxi auf dem Parkplatz des Wasserwerks stoppt. Ein Mann im Kapuzenpullover steigt aus und geht an den Kofferraum. Fahrer Gabor R. folgt ihm. Plötzlich blitzt Mündungsfeuer durch die Nacht. Fünf Schüsse zerreißen die Stille. Gabor R. sackt zu Boden. Der Täter zerrt ihn hastig in den nahen Wald. Anschließend eilt er zurück zum Wagen und flüchtet mitsamt der Einnahmen. Am folgenden Nachmittag findet ein Spaziergänger die Leiche.

Fernseh-Kommissare würden hier mit sicherem Instinkt schnell mehrere Verdächtige benennen. Echte Ermittler hingegen müssen erst arbeiten: Sie sperren den Tatort ab und sichern Beweismaterial. Etwaige Fingerabdrücke, DNA-Materialien, Haare oder Blutspuren werden ebenso untersucht wie Textilfasern und Munitionsreste.

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Für die gefundenen Geschossteile ist der Schusswaffenerkennungsdienst des Bundeskriminalamts (BKA) in Wiesbaden zuständig. Die Behörde soll anhand der Metallteile drei Fragen beantworten: Wie viele Waffen wurden benutzt? Um welchen Typen handelte es sich? Und sind die Waffen schon einmal bei einer anderen Straftat benutzt worden?

Im ersten Schritt landen die Asservate im Kriminaltechnischen Institut (KTI). Wer hier ein Labor aus Glas und Edelstahl im Stil der Fernsehserie „CSI“ vermutet, wird enttäuscht. Die Sachbearbeiter sitzen in schlichten, weiß verputzten Behördenräumen. Einer trägt Jeans und Karohemd. Seinen Namen möchte er nicht verraten. Dafür lässt er sich bereitwillig über die Schultern schauen.

„Ich bestimme zunächst das Kaliber. Dann prüfe ich die Hülsen und Projektile unter der Stereolupe.“ Bei 25-facher Vergrößerung sucht er Riefen, Einkerbungen und Abdrücke. Diese entstehen unter anderem durch die spiralförmigen Züge in modernen Läufen (siehe Kasten). „Jedes Waffenmodell verursacht ein eigenes Spurenbild“, weiß der Profi mit 19 Jahren Berufserfahrung. Rasch erkennt er: „Alle Schüsse wurden aus einer Waffe, Kaliber 7,65 mm Browning, mit sechs Feldern und Zügen mit Rechtsdrall abgegeben.“

Nach einem zweiten Blick fügt er hinzu: „Die 0,7 mm bis 1,1 mm breiten Feldereindrücke auf den Geschossen sowie die Spuren des Schlagbolzens, Stoßbodens und des Repetiervorgangs auf den Hülsen sprechen für eine Waffe aus dem ehemaligen Jugoslawien.“ Die Daten aus der etwa 8500 Exemplare umfassenden Waffensammlung des BKA belegen diese These: Das Spurenbild passt genau zu einer Pistole des Herstellers Crvena Zastava.

Bleibt die Frage: Ist die Waffe schon einmal auffällig geworden? Jetzt hilft etwas, das in keinen Krimi zu sehen ist: die zentrale Tatmunitionssammlung. Sie enthält Munitionsteile aus ungeklärten Delikten in Deutschland.

Zielsicher greift der Sachbearbeiter in einen hellgrauen Schrank. In Reagenzgläsern lagern hier Projektile, die mit ähnlichen Waffen abgefeuert wurden. Die passenden Hülsen liegen gleich daneben, säuberlich eingesteckt in Schaumstoffmatten. Im „aktiven Teil“ der Sammlung befinden sich derzeit etwa 5300 Hülsen und fast 2000 Geschosse. In den „toten Teil“ kommen einzelne Stücke erst, wenn der zugrunde liegende Fall länger als 15 Jahre her ist. Sie werden nur noch auf ausdrücklichen Wunsch der Ermittler herangezogen.

In einem fensterlosen Labor spannt der Experte nun ein Munitionsteil aus dem Taxi-Fall und eines aus der Sammlung unter ein Vergleichslichtmikroskop. Bei bis zu 200-facher Vergrößerung werden feine, µm-große Riefen innerhalb vorhandener Abdrücke sichtbar.

„Erst die Entwicklung dieses Geräts hat die Untersuchungen von Munitionsteilen gestattet“, erläutert der Physiker Ruprecht Nennstiel, Leiter des Fachbereichs „Schusswaffenerkennung, Ballistik und Waffentechnik“ im KTI. „Damit ist nachweisbar, ob zwei Munitionsteile aus ein und derselben Waffe stammen.“

Der Blick durch das Okular zeigt die reflektierenden Messingoberflächen der beiden Asservate nebeneinander, nur durch eine vertikale Linie getrennt. Um Übereinstimmungen zu finden, verschiebt und dreht der Experte die angestrahlten Objekte in ihrem jeweiligen Halter. Doch am Ende heißt es: Kein Treffer. Eine Verbindung zu vorherigen Taten lässt sich nicht ziehen.

Nennstiel entdeckt aber individuelle Spuren von der Tatwaffe. „Die Hülsenböden haben einen eigentümlichen Stoßboden- und Schlagbolzeneindruck. Das könnte von einem beschädigten Schlagbolzen herrühren.“

Die Munitionsteile vom Taxi-Fall wandern in die „aktive“ Sammlung. Ein Gutachten geht wenige Tage später an die Soko. Diese hat inzwischen über 400 Hinweise ausgewertet – ein entscheidender war nicht dabei.

Einige Wochen nach dem Taxi-Fall widmet sich der Sachbearbeiter drei anderen Hülsen und zwei Projektilen. Sie stammen aus Weinstadt bei Stuttgart. Hier wurde auf ein parkendes Auto geschossen. Bald steht fest: Genutzt wurde die selbe Waffe wie in Karlsruhe.

Um neu eingetroffene Hülsen und Projektile schnell mit bereits registrierter Munition vergleichen zu können, nutzt das BKA die Software „Evofinder“. Das Programm wirft nach drei bis vier Minuten die Bilddateien potenzieller Treffer aus. Der Kriminaltechniker sieht sie sich an einem hochauflösenden 30-Zoll-Bildschirm an und begutachtet einzelne Spurenbereiche. Er stellt sie nebeneinander, dreht und überlappt sie und ändert virtuell die Beleuchtung.

Die Ermittlungsgruppe „Taxi“ wird sofort über die Neuigkeit informiert. Die neuen Ermittlungsansätze führen die Polizei auf die richtige Spur: Genau drei Monate nach dem Mord an Gabor R. nimmt sie einen 24-Jährigen fest. Er besitzt eine Pistole Crvena Zastava, Modell 70, Kaliber 7,65 mm Browning.

Der Fall ist damit noch nicht abgeschlossen. Die sichergestellte Waffe geht nun zunächst an das KTI. Ein Techniker schießt mit ihr in ein 4 m langes Wasserbecken. Ziel ist es, Hülsen und Geschosse mit den individuellen Verfeuerungsspuren der Waffe ohne weitere Anhaftungen oder Deformationen zu gewinnen. Dann folgt die Routine des Munitionssachbearbeiters.

Sind sich die Experten danach immer noch nicht sicher, setzen sie ihr schärfstes Schwert ein: das Vergleichs-Rasterelektronenmikroskop (V-REM). Das weltweit einzigartige Gerät besteht aus zwei gekoppelten REM. In ihren Vakuum-Probekammern tasten Elektronenstrahlen die Objekte zeilenförmig ab. Parallel dazu baut sich eine detailreiche Oberflächenabbildung des jeweiligen Asservats mit extrem hoher Tiefenschärfe auf dem Monitor auf. Spurenbereiche von 20 µm lassen sich nun mit 500-facher bis 1000-facher Vergrößerung leicht begutachten.

Im konkreten Fall war diese Methode nicht nötig. Die Abdrücke auf der Hülse belegten: Die sichergestellte Pistole wurde sowohl beim Mord als auch bei der Sachbeschädigung verwendet.

Das Mordmotiv des Täters fand sich dann auch schnell: Er brauchte Geld, um seiner Spielsucht nachgehen zu können. Erbeutet hat er etwa 250 €. Eingebracht hat ihm das eine lebenslange Freiheitsstrafe. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Verbrechen des 24-Jährigen ungesühnt bleiben würde, war von vornherein klein: Die Polizei klärt aktuell über 95 % aller Tötungsdelikte auf. B. GEHBAUER-SCHUMACHER

 

Ein Beitrag von:

  • Bettina Gehbauer-Schumacher

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