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Lufthygiene auf Großveranstaltungen 10.10.2022, 13:02 Uhr

Forschende testen UVC-Technologie auf dem Oktoberfest

Kann die Luftqualität bei großen Events durch den Einsatz von ultravioletter Strahlung (UVC) nachweislich verbessert werden? Antworten sollte ein Forschungsprojekt auf dem weltweit größten Volksfest in München liefern.

Forschungsprojekt auf der Wiesn: Das Schottenhamel Festzelt diente als Versuchslabor. Foto: imago images/Smith

Forschungsprojekt auf der Wiesn: Das Schottenhamel Festzelt diente als Versuchslabor.

Foto: imago images/Smith

Zur Entkeimung von Oberflächen, etwa den Handläufen von Fahrtreppen, zur Wasseraufbereitung und auch in der Raumluftdesinfektion kommt UVC-Technologie bereits zum Einsatz. Doch kann die Strahlung auch auf Großveranstaltungen nachhaltig dabei helfen, Mikroorganismen in der Luft zu inaktivieren und somit für reinere Luft zu sorgen? Dieser Frage gingen Forschende des Leistungszentrums „Sichere Intelligente Systeme“ (LZSiS) auf dem Oktoberfest 2022 nach.

Messungen in außergewöhnlichem Rahmen

„Das Phänomen, dass in größeren Personengruppen die Anzahl der Luftkeime höher ist, ist nichts Neues. Früher haben wir das recht selbstverständlich hingenommen. Seit Corona hat sich die Sensibilität diesbezüglich aber stark erhöht“, erläutert Professor Dr. Gunnar Grün, Projektinitiator und stellvertretender Leiter des Fraunhofer IBP. Die gute Wirksamkeit des Reinigungsprinzips mittels UVC habe man bereits in kleineren Foren nachgewiesen, beispielsweise im Rahmen des Projekts „CineCov“ für einen Kinosaal mit 55 Sitzplätzen. Durch die Zusammenarbeit mit der Familie Schottenhamel konnte die Methode nun auch in einem Großbetrieb mit über 6.000 Sitzplätzen auf einer Fläche von 4.800 Quadratmetern erprobt werden.

Mitarbeitende des Fraunhofer IBP haben dabei an vier Tagen in der Festhalle Schottenhamel orientierende Messungen vorgenommen. Dafür installierten die Forschenden im oberen Bereich des Festzeltes 14 UVC-Geräte in der Größe von Videoprojektoren. Die Arbeitshypothese: Atemluft ist wärmer als die Umgebungsluft und steigt daher, zusätzlich angetrieben durch die Körperwärme der Gäste, in den Deckenbereich des Festzeltes auf. In der Luft sind Mikroorganismen aller Art enthalten – darunter die viel diskutierten Corona-Viren, aber auch zahlreiche andere Luftkeime. Diese sind größtenteils harmlos, doch finden sich darunter auch solche, die verschiedene andere Infektionen verursachen und schon seit jeher nach dem Besuch großer Veranstaltungen zu Grippe oder Erkältungskrankheiten führen können. Wenn die Mikroorganismen in den Bereich der UVC-Geräte kommen, nimmt ihnen das unsichtbare UVC-Licht die Vermehrungsfähigkeit. Kühlt die Luft ab, sinkt sie wieder Richtung Boden und wird von Gästen oder Mitarbeitenden eingeatmet, allerdings mit einer verdünnten Konzentration an Mikroorganismen.

Im Schottenhamel-Festzelt, dem ältesten der Münchener Wiesn, wurden insgsamt 14 UVC-Geräte unter der Decke angebracht.

Foto: Festhalle Schottenhamel/K.Jungblut

Geringere Hintergrundbelastung durch Einsatz von UVC

Bei laufendem Festbetrieb wurde in der Mitte der Festhalle an zwei Tagen mit den eingeschalteten Geräten gemessen, an zwei weiteren Tagen ohne. Alle zwei Stunden erfolgte ein Messzyklus. Dabei wurden über 20 Minuten 100 Liter Luft durch fünf Gelatinefilter gezogen, die auf diese Weise mit Luftkeimen befrachtet wurden. Die beladenen Filter wurden anschließend im mikrobiologischen Labor des Fraunhofer IBP aufbereitet und nach jeweils zehn Tagen ausgezählt. Dabei zeigte sich, dass an den Tagen, an denen die Geräte betrieben wurden, die vermehrungsfähigen Mikroorganismen in den Luftproben reduziert waren. Die Anzahl der sogenannten „koloniebildenden Einheiten (KBE)“ war bei den Beprobungen unter Einsatz der UVC-Geräte geringer als an den Referenztagen. Die Anzahl an keimfähigen Einheiten aerober Luftkeime lag mit im Median 1290 KBE/m³ an Tagen unter UVC-Einsatz um 27 % niedriger als an Tagen ohne UVC mit im Median 1760 KBE/m³.

Eindeutige Ergebnisse: Koloniebildende Einheiten aerober Luftkeime mit und ohne Einsatz von UVC-Geräten im Vergleich. Grafik: Fraunhofer IBP

Entsprechend fällt das Fazit des Fraunhofer IBP eindeutig aus: Durch die UVC-Technologie kann die Anzahl der vermehrungsfähigen Luftkeime gesenkt werden. „Technologische Lösungen können einen maßgeblichen Beitrag dazu leisten, das Wohlbefinden und die Sicherheit bei Großveranstaltungen zu steigern. Wenn die Luft hygienisiert werden kann, hat das neben der konkreten Verringerung der potenziellen Keimbelastung auch positive Effekte auf eine sorgenfreie Atmosphäre“, ist Professor Dr. Gunnar Grün überzeugt. Der direkte Infektionspfad, beispielsweise über Tröpfchen- oder Schmierinfektion, bleibe natürlich bestehen, doch die Hintergrundbelastung werde geringer.

Methodik und beteiligte Partner

Die durchgeführte volumetrische Luftkeimmessung gehört zu den Standardmethoden der Innenraummikrobiologie, so das Fraunhofer IBP. Die Hintergrundbelastung mit Luftkeimen eigne sich sehr gut als Indikator, um in der Praxissituation die Leistung von Hygienemaßnahmen zu untersuchen. Für den Einsatz der UVC-Technik seien aber verschiedene Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die auch für das Forschungsprojekt auf dem Oktoberfest angewendet und zudem für den Arbeits- und Gesundheitsschutz abgenommen wurden.

Im Leistungszentrum „Sichere intelligente Systeme“ (LZSiS) sind sechs Fraunhofer-Institute zusammengeschlossen. Beteiligt sind das Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit (AISEC), für Mikrosysteme und Festkörper-Technologien (EMFT), für Bauphysik (IBP), für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik (IGCV), für Kognitive Systeme (IKS) und für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV). Ebenfalls involviert sind die Technische Universität München, die Universität der Bundeswehr München sowie die Hochschule München. Technologie-Partner für das Oktoberfestprojekt war die Signify GmbH mit Philips UVC-Geräten.

 

 

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Von Fraunhofer IBP / Marc Daniel Schmelzer