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Altlastensanierung 08.07.2022, 15:56 Uhr

Biologisch-physikalisch Boden gut machen

Organisch kontaminierte Böden lassen sich mithilfe von Mikroorganismen so aufbereiten, dass sie im Idealfall anschließend erneut dem Stoffkreislauf zugeführt werden können.

Kernstück der biologischen Bodenbehandlungsanlage ist eine teilmassive Halle mit einer Grundfläche von etwa 65 x 50 Meter. Foto: Fischer Weilheim

Kernstück der biologischen Bodenbehandlungsanlage ist eine teilmassive Halle mit einer Grundfläche von etwa 65 x 50 Meter.

Foto: Fischer Weilheim

Trifft in Deutschland ein Bauherr auf einen beispielsweise durch einen Havariefall verunreinigten Boden, so ist er verpflichtet, das belastete Material zu entsorgen. Weil in der Regel hochgradig schadstoffbelastete Böden von Deponien nicht angenommen werden, müssen diese zunächst mit Hilfe von meist sehr aufwendigen Verfahren behandelt werden, um die Grenzwerte für eine Deponierung einzuhalten.

Oft erfolgt dies über eine energieintensive thermische Behandlung des Bodens in einem Drehrohrofen, die aufgrund der Anlagenknappheit in Deutschland häufig mit weiten Transportwegen verbunden ist. Auch eine In-Situ-Altlastensanierung mithilfe von Bohrungen auf dem Gelände ist möglich.

Mikrobiologische Sanierung

Eine Alternative stellt die biologische Bodenbehandlung in speziellen Anlagen mit Bodenheizung und unterstützt von einem Trockenwendemietenverfahren dar. Hierbei handelt es sich um ein mikrobiologisches Sanierungsverfahren, bei dem mithilfe von Mikroorganismen organische Verbindungen unter optimierten Milieubedingungen in einigen Tagen oder Wochen zu Kohlendioxid, Wasser und Biomasse umgesetzt werden. Mit solchen Verfahren lassen sich organisch kontaminierte Böden so hochwertig aufbereiten, dass sie im Idealfall anschließend erneut dem Stoffkreislauf zugeführt werden können.

Anlagen dieser Art existieren in Deutschland bisher ebenfalls nur wenige. Bauherren aus Baden-Württemberg mussten bisher entweder nach Nürnberg oder Mannheim fahren, um kontaminierte Böden mikrobiologisch aufbereiten zu lassen. Im Juni 2022 hat der Entsorgungsfachbetrieb Fischer Weilheim an seinem Firmensitz in Weilheim an der Teck (rund 45 Kilometer südöstlich von Stuttgart) eine biologische Bodenbehandlungsanlage in Betrieb genommen. Das Annahmespektrum an mineralischen Abfällen reicht bei dieser Anlage von unbelasteten Baurestmassen bis hin zu hochbelasteten, gefährlichen Abfällen, die insbesondere mit LHWK/AKW und MKW belastet sind.

Die Energie für die Bodenheizung der Anlage wird nachhaltig über eine großflächige Photovoltaikanlage und über Erdwärmesonden erzeugt.

Foto: Fischer Weilheim

„Der nachhaltige und schonende Umgang mit regionalen Ressourcen ist die Grundlage all unserer Vorhaben“, so Udo Kolb Vorsitzender Geschäftsführer von Fischer Weilheim über die Unternehmensgrundsätze. Und der Blick in den Arbeitsalltag des Unternehmens zeige, dass der Bedarf groß ist. „Fast täglich fallen auf unseren Baustellen kontaminierte Böden an, die es fachgerecht zu entsorgen gilt“, ergänzt Kolb.

Organisch kontaminierte Böden behandeln

Das Unternehmen für Bodenbewegungen und Rückbaumaßnahmen sowie Transportlogistik und Baustoff-Recycling setzt nach eigenen Angaben auf einen ressourcenschonenden Umgang mit mineralischen Materialien. „Deshalb haben wir uns dazu entschieden, eine biologische Bodenbehandlungsanlage zu entwickeln und zu betreiben“, erklärt Jörg Czischek, Bereichsleiter Entsorgungs- und Kreislaufwirtschaft, die Markteinführung.

Die mit neuartiger Anlagentechnik ausgestattete und immissionsschutzrechtlich genehmigten Bodenbehandlungsanlage sei in der Lage, mineralische Abfälle insbesondere zur zeitweiligen Lagerung sowie zur biologisch-physikalischen Bodenbehandlung anzunehmen und organisch kontaminierte Böden so aufzubereiten, dass diese im Anschluss erneut dem Stoffkreislauf zugeführt werden können.

Mit der Bodenheizung und dem Trockenwendemietenverfahren werden günstige Bedingungen für die schon im Bodenmaterial vorhandene Mikroflora geschaffen, um organisch abbaubare Schadstoffe biologisch abzubauen.

Foto: Fischer Weilheim

Kapazität von 10.000 Kubikmeter

Kernstück der Bodenbehandlungsanlage ist eine teilmassive Halle mit einer Grundfläche von etwa 65 x 50 Meter. Sie verfügt über sechs Meter hohe Betonaußenwände und eine Betonbodenplatte mit einem vollflächigen KDB-Abdichtungssystem, das auch für Deponiestandorte zertifiziert ist.

Auf einer Fläche von ungefähr 3200 Quadratmeter können bis zu 10.000 Kubikmeter an Bodenmaterialien zeitweilig gelagert und biologisch behandelt werden. Dies entspricht einem Gesamtjahresdurchsatz von 480.000 Tonnen pro Jahr (Mg/a). Mit der Bodenheizung und dem Trockenwendemietenverfahren werden gute Bedingungen für die schon im Bodenmaterial vorhandene Mikroflora geschaffen, um die organisch abbaubaren Schadstoffe LHKW, AKW und MKW biologisch abzubauen.

Das Prinzip der biologisch-physikalischen Behandlung von Böden beruht hierbei auf der kontrollierten Nutzung des natürlichen Stoffwechselpotenzials von Mikroorganismen, die im Boden vorhanden sind. Die Verweildauer bis zur Erreichung des Sanierungszielwertes liegt je nach Verunreinigung zwischen wenigen Tagen bis zu mehreren Wochen.

Ein mit einem speziellen Luftfilter ausgestatteter Radlader beschickt die sieben Außenlagerboxen und setzt die Böden in der Bodenbehandlungsanlage regelmäßig um.

Foto: Fischer Weilheim

Sieben Lagerboxen als Umschlagplatz

Den zweiten Teil der Anlage bildet ein Umschlagplatz für Boden- und Bauschuttmaterialien. Sieben Lagerboxen mit sechs Meter hohen Betonwänden, in einer dreiseitig umschlossen Einhausung, können zeitweilig gelagerte, nicht gefährliche Abfälle aufnehmen. Sie bieten dazu eine Lagerkapazität von jeweils etwa 250 bis 300 Kubikmeter. Das Zwischenlager zur Annahme von asbest- und KMF-haltigen Abfällen wird in einer achten Außenlagerbox räumlich in die neue Bodenbehandlungsanlage integriert.

Zur Einhaltung der entsprechenden Sicherheits- und Umweltstandards befindet sich die Bodenbehandlungsanlage in einer allseitig umschlossenen Halle mit einer vollflächig abgedichteten Betonbodenplatte. Eine Lüftungsanlage reinigt die abgesaugte Luft über zwei hintereinander geschaltete Bio- und Aktivkohlefilter. Zum Schutz der Mitarbeitenden wurde ein Dreikammersystem eingeführt.

Im Unterschied zu anderen Verfahren nutzt die Anlage regenerative Energiequellen: Die Wärme für die Bodenheizung wird nachhaltig über eine großflächige Solaranlage und über Erdwärmesonden erzeugt. „Die neue biologische Bodenbehandlungsanlage ist einzigartig im Großraum Stuttgart“, freut sich Czischek. Kunden könnten im doppelten Sinne Boden gut machen: lange Transportwege vermeiden und CO²-Emissionen reduzieren.

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Von Fischer Weilheim / Karlhorst Klotz