Versicherungs-Ingenieur: Spannender als ein Tatort-Krimi
Ingenieurstellen sind bei Munich Re zwar dünn gesät, die Einsatzbereiche aber höchst abwechslungsreich. Gefragt ist technische Expertise, gepaart mit analytischem Denken, Offenheit für Neues und hoher Verantwortungsbereitschaft.
Mag der Tatortkrimi noch so ein Nervenkitzler sein – das Programm unmittelbar davor ist für Stephan Lämmle dennoch nicht zu toppen. „Die Nachrichten und der internationale Wetterbericht sind für mich spannender als der Krimi danach“, sagt Lämmle, Referatsleiter für Kraftwerkstechnik (Power & Utilities) beim Rückversicherer Munich Re.
Naturkatastrophen, Großfeuer, politische Entwicklungen oder terroristische Aktivitäten sind für seine Arbeit von zentraler Bedeutung. Lämmle: „Unsere Ingenieure befassen sich mit Bauprojekten, wie Tunnel-, Straßen- oder Hochhausbauten sowie der Montage und dem Betrieb von großen Industrieanlagen weltweit. Mein Hauptjob ist im Risikomanagement das Erkennen und Bewerten von Risiken, um maßgeschneiderte Versicherungslösungen für die Versicherungsnehmer zu entwickeln.“
Welche Risiken bestehen, wie wahrscheinlich ist deren Eintritt und wie hoch sind die damit verbundenen Kosten, lauten dabei die immer wiederkehrenden Kernfragen. Denn mit einer einmaligen Bewertung der technischen Risiken und Gefahren bei Planung, Bau und Betrieb einer Anlage ist seine Arbeit nicht beendet. „Wir betreuen unsere Kunden über die gesamte Laufzeit. Das beinhaltet natürlich auch Begutachtungen vor Ort“, erklärt Lämmle.
Reisen und Auslandsaufenthalte sind wichtiger Teil des Jobs, und genau das reizte den Energie- und Kraftwerksingenieur vor rund 17 Jahren zum Einstieg bei dem Rückversicherer. „Ich wollte mich als Ingenieur breiter aufstellen und nicht nur an einer Anlage arbeiten. Und ich wollte ins Ausland“, sagt Lämmle.
Glück gehörte freilich auch dazu. Die Ingenieurstellen als Underwriter, befugt zum Abschluss von Versicherungsverträgen, oder Claims Manager (Schadensingenieure) sind begehrt, gesucht werden berufserfahrene Ingenieure aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen.
Mehrere Hundert Bewerber melden sich für den „Engineering Pool“, wie das zweijährige Ausbildungsprogramm für berufserfahrene Ingenieure genannt wird. „Hier lernt man sämtliche Abteilungen kennen, ist im Job eingebunden und übernimmt auch bereits Underwriting- bzw. Claims-Verantwortung.“
Zum Programm gehören übergeordnete fachliche Fortbildungen und versicherungsspezifische Seminare, ein Teamprojekt sowie ein mehrmonatiger Auslandsaufenthalt in einer der über 50 weltweiten Außenstellen der Munich Re.
Lämmles erste Station nach der Einarbeitung hieß Südafrika. Vier Jahre lebte er in Johannesburg, betreute unter anderem Zuckerfabriken in Swasiland, Textilfabriken an der Elfenbeinküste und verschiedene Kraftwerke im südlichen Afrika einschließlich einem Wasserkraftwerk in Madagaskar.
Danach ging es für den zweifachen Familienvater als Underwriter und stellvertretender Chefingenieur nach London. Zurück in München, arbeitete er im Asienbereich, betreute den indischen Subkontinent, Japan und Korea.
Offenheit für andere Technologien, für andere Kulturen, Unternehmenskulturen und Professionen gehört für Lämmle zu den Grundvoraussetzungen in seinem Job. „Man muss sehr interdisziplinär arbeiten. Gefragt ist weniger der Detail-Ingenieur, der sich rein auf seine Fachkompetenz konzentriert, als vielmehr ein analytisch denkender Ingenieur, der eigenes Wissen auf andere Techniken oder Neuentwicklungen transferieren kann und über ein gewisses Verständnis für betriebswirtschaftliche Zusammenhänge verfügt.“ Zudem sind kommunikative Fähigkeiten gefordert, um in der Geschäftssprache Englisch die technische Expertise auch für den Juristen, den Versicherungsfachmann oder Betriebswirtschaftler verständlich und nachvollziehbar darzustellen.
Unabdingbar sei auch die Bereitschaft, ständig weiterzulernen, um neue Techniken und unerprobte Methoden bewerten zu können und dafür innovative Versicherungslösungen zu entwickeln.
Denn ob Solarzellenhersteller oder Offshore-Windpark: Ohne Risikoübernahme des Versicherers in den verschiedenen Bereichen hätten viele der oftmals milliardenschweren Großprojekte wenig Chancen, Kreditgeber und Investoren zu finden. „Wir sind die Enabler für neue Techniken und geben dem Versicherten und den Finanzierern quasi ein Gütesiegel für die Qualität des Projektes oder der Anlage“, so Lämmle nicht ohne Stolz.
Beim für ihn auf lange Sicht womöglich spannendsten Projekt ist ebenfalls Ingenieur- und Versicherungsexpertise gefragt: Für die Wüstenstrom-Vision Desertec erstellt die Industrie-Initiative DII unter Beteiligung von Munich Re derzeit die geeigneten Rahmenbedingungen für Investitionen. Dabei geht es auf mehrere Jahrzehnte verteilt um Investitionen in der Größenordnung von mehreren Hundert Milliarden Euro.
Mehr als 50 internationale Partner sind beteiligt. Ziel des Großprojekts ist es, in Südeuropa, Nordafrika und dem Mittleren Osten mit Solar- und Windkraftwerken Strom aus erneuerbaren Energien sowohl für die Erzeugerländer zu produzieren als auch gleichzeitig damit einen Teil des europäischen Strombedarfs abzudecken.
Da der Rückversicherer mit seiner Initiative RENT (Renewable Energies and New Technologies) selbst investiert, sitzt Referatsleiter Lämmle bei solchen Themen mit auf der Investorenseite. „Die Risikobewertung ist dieselbe, aber man geht mit sich selbst ganz anders ins Gewissen. Versicherung ist zwar ein fundamentaler, aber nicht der einzige Baustein eines ganzheitlichen Risikomanagements“, so Lämmle.
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