Grüner Stahl 23.05.2024, 13:46 Uhr

Mit Elektrochemie gegen Emissionen: Die Zukunft der Stahlherstellung?

Stahl ist unverzichtbar im modernen Leben, aber seine Produktion ist klimaschädlich. Das MIT-Spin-off Boston Metal möchte die die Industrie mit einem elektrochemischen Verfahren revolutionieren, das Emissionen reduziert und als Nebenprodukt Sauerstoff freisetzt.

Stahlherstellung

Die MIT-Ausgründung Boston Metal vermarktet ein neues Verfahren zur Stahlherstellung und von anderen Metallen, um die emissionsintensive Industrie zu entlasten.

Foto: PantherMedia / Mario Brenzel

Stahl ist eines der nützlichsten Materialien auf unserem Planeten. Er ist das Rückgrat des modernen Lebens und wird in Wolkenkratzern, Autos, Flugzeugen, Brücken und vielem mehr verwendet. Leider ist die Stahlerzeugung ein extrem klimaschädlicher Prozess.

In der Regel wird Eisenerz abgebaut und in einem Hochofen unter Zugabe von Kohle reduziert. Anschließend wird es in einem Sauerstoffofen verbrannt, um überschüssigen Kohlenstoff und andere Verunreinigungen zu entfernen. Aus diesem Grund ist die Stahlproduktion für etwa 7 % bis 9 %  der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich und zählt zu den schmutzigsten Industrien der Welt.

Innovation in der Stahlherstellung

Boston Metal versucht nun, die Stahlindustrie mit einem elektrochemischen Verfahren namens Oxidschmelzelektrolyse (MOE) zu säubern. Dieses Verfahren macht viele Schritte bei der Stahlherstellung überflüssig und setzt als einziges Nebenprodukt Sauerstoff frei.

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Das Unternehmen wurde von Donald Sadoway, Antoine Allanore und James Yurko gegründet. In seiner brasilianischen Tochtergesellschaft setzt Boston Metal MOE bereits zur Rückgewinnung hochwertiger Metalle aus Bergbauabfällen ein. Diese Arbeit hilft dem Team, seine Technologie im kommerziellen Maßstab einzusetzen und wichtige Partnerschaften mit Bergbaubetreibern aufzubauen. Außerdem hat das Unternehmen in Woburn, Massachusetts, einen Prototyp eines MOE-Reaktors zur Herstellung von grünem Stahl gebaut.

Globale Ambitionen

Boston Metal hat trotz seines Namens globale Ambitionen. Bis heute hat das Unternehmen mehr als 370 Mio. $ von Organisationen aus Europa, Asien, Amerika und dem Nahen Osten erhalten. Die Führungskräfte erwarten eine rasche Expansion, um die Stahlproduktion weltweit zu verändern.

„Weltweit wird erkannt, dass wir schnell handeln müssen. Das wird durch Technologielösungen wie diese geschehen, die uns helfen können, von den etablierten Technologien wegzukommen“, sagt Guillaume Lambotte, Chief Scientist von Boston Metal. „Der Klimawandel wird immer mehr zu einem Teil unseres Lebens, deshalb ist jeder gefordert, schnell zu handeln.“

Die Ursprünge der MOE-Technologie

Die Ursprünge der Technologie von Boston Metal beginnen auf dem Mond. Mitte der 2000er-Jahre erhielt Sadoway einen Zuschuss von der Nasa, um Möglichkeiten zur Herstellung von Sauerstoff für künftige Mondbasen zu untersuchen. Dabei entstand die Idee, einen elektrischen Strom durch Eisenoxidgestein zu schicken. Bei der Reaktion entstand Sauerstoff, wobei Metall als Nebenprodukt anfiel.

Sadoway erkannte, dass dieses Metallnebenprodukt auch auf der Erde von Interesse sein könnte. Gemeinsam mit Allanore und Yurko entwickelte er die Technologie weiter und gründete Boston Metal. „Alle grundlegenden Studien und die ersten Technologien kamen vom MIT“, sagt Lambotte. „Wir sind aus Forschungen hervorgegangen, die am MIT patentiert und lizenziert wurden.“

Die MOE-Technologie im Detail

Das Schmelzoxidelektrolyseverfahren von Boston Metal findet in modularen MOE-Zellen von der Größe eines Schulbusses statt. Das Eisenerzgestein wird in die Zelle geleitet, die eine Kathode und eine Anode enthält, die in einen flüssigen Elektrolyten eingetaucht ist.

Wenn der Strom zwischen Anode und Kathode fließt und die Zelle eine Temperatur von etwa 1.600 °C erreicht, werden die Eisenoxidbindungen im Erz gespalten. Am Boden entsteht reines Flüssigmetall, das abgezapft werden kann. Das Nebenprodukt der Reaktion ist Sauerstoff, und das Verfahren kommt ohne Wasser, gefährliche Chemikalien oder Edelmetallkatalysatoren aus.

Einsatz und Zukunftsperspektiven

Boston Metal setzt MOE bereits ein, um Bergbauunternehmen bei der Rückgewinnung hochwertiger Metalle aus ihren Bergbauabfällen zu helfen. Das Verfahren könnte später auch für die Produktion vieler anderer Metalle eingesetzt werden. Kürzlich wurde Boston Metal ausgewählt, um Fördermittel für die Produktion von Chrommetall in West Virginia auszuhandeln, das für Anwendungen im Bereich der sauberen Energie wichtig ist.

„Viele der Rohstoffe für Metalle sind Oxide. Wenn es sich um ein Oxid handelt, besteht die Möglichkeit, dass wir damit arbeiten können“, sagt Lambotte. „Es herrscht große Aufregung, weil jeder eine Lösung zur Dekarbonisierung der Metallindustrie braucht.“

Gigatonnen an Potenzial

Die Technologie von Boston Metal zur Dekarbonisierung von Stahl wird voraussichtlich 2026 den kommerziellen Maßstab erreichen. Das brasilianische Werk führt die Industrie bereits jetzt in MOE ein. „Die Metallindustrie kann sich mit MOE vertraut machen und sehen, wie es funktioniert“, sagt Lambotte. „Vollständig grüner Stahl erfordert grünen Strom, und wir werden diese Technologie dort einsetzen, wo sauberer Strom bereits leicht verfügbar ist.“

Das Team von Boston Metal ist begeistert von der Anwendung von MOE in der gesamten Metallindustrie. Ihr primäres Ziel ist es, die Gigatonnen von Emissionen aus der Stahlproduktion zu beseitigen. „Stahl verursacht etwa 10 % der weltweiten Emissionen, das ist unser Nordstern“, sagt Lambotte. „Die Menschen sind bereit für neue Ansätze zur Emissionsreduktion und suchen intensiv nach praktikablen technologischen Lösungen.“

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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