Unterschätze Risiken 16.05.2025, 14:30 Uhr

Schwere Unfälle mit dem E-Scooter – was die Unfallforschung fordert

Unfälle mit dem E-Scooter nehmen zu – häufig mit schweren Folgen. Unfallmediziner fordern daher konkrete Maßnahmen.

Unfall mit E-Scooter

Unfälle mit E-Scootern haben häufig schlimme Folgen. Unfallmediziner schlagen deshalb Alarm.

Foto: PantherMedia / AndreyPopov

Seit ihrem kommerziellen Start 2019 prägen E-Scooter das Stadtbild in vielen deutschen Städten. Schnell, günstig und überall verfügbar – das macht sie attraktiv für viele Nutzerinnen und Nutzer. Doch mit der wachsenden Beliebtheit steigen auch die Unfallzahlen. Besonders beunruhigend: Ein erheblicher Teil dieser Unfälle endet mit schweren Verletzungen. Eine bundesweite Analyse zeigt eindeutige Muster. Daraus leiten Forschende konkrete Maßnahmen ab – und nehmen auch Verleiher in die Pflicht.

Wer besonders betroffen ist

Zwischen 2020 und 2023 wurden im TraumaRegister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (TR-DGU) 538 schwerverletzte E-Scooter-Fahrende erfasst. Die Mehrheit war männlich (78 %) und im Schnitt 44 Jahre alt – deutlich jünger als bei vergleichbaren Fahrradunfällen, bei denen das Durchschnittsalter bei 54 Jahren lag. Knapp 9 % der Verunfallten waren sogar unter 18 Jahre alt, obwohl Leihscooter meist erst ab 18 freigegeben sind.

Auch der Einfluss von Alkohol spielt eine erhebliche Rolle: Rund ein Drittel der Betroffenen stand unter Alkoholeinfluss – das ist mehr als doppelt so häufig wie bei Fahrradfahrenden. Bei gut 35 % der getesteten Personen lag der Promillewert über dem gesetzlichen Grenzwert.

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Unfälle vor allem nachts und am Wochenende

Die Daten zeigen ein klares Muster: Über die Hälfte der Unfälle passierte nachts, häufig an Wochenenden. Auch die warme Jahreszeit bringt eine Häufung der Fälle mit sich. Diese zeitliche Verteilung deutet auf eine vorwiegend freizeitorientierte Nutzung hin – oftmals verbunden mit Alkoholkonsum. Die meisten Unfälle ereignen sich in urbanen Gebieten mit hoher Verkehrsdichte.

Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Team um Michael Zyskowski von der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie der Technischen Universität München (TUM) im „Deutschen Ärzteblatt“ veröffentlicht hat.

Verletzungen mit schweren Folgen

Die Mehrheit der Verletzungen betraf Kopf und Gesicht. Acht der zehn häufigsten Verletzungen in der Studie waren dort lokalisiert. Besonders häufig traten Subarachnoidalblutungen (20 %), Schädelbasisfrakturen (17 %) und Rippenbrüche (16,5 %) auf. Der durchschnittliche Injury Severity Score (ISS), ein Maß für die Schwere von Verletzungen, lag bei 16,4 – ein Hinweis auf teils lebensbedrohliche Verläufe. Fast jede zweite Person hatte sogar einen ISS-Wert über 16.

Mehr als 83 % der Betroffenen mussten intensivmedizinisch behandelt werden. Im Schnitt blieben sie sieben Tage im Krankenhaus, davon zwei auf der Intensivstation. 4,8 % starben an ihren Verletzungen – ein Wert, der dem von Fahrrad- und Motorradunfällen entspricht.

E-Scooter wirken wie ein Katapult

Neben der Auswertung realer Unfälle liefert auch die Forschung wichtige Hinweise auf die Mechanismen hinter den schweren Verletzungen. Eine biomechanische Crash-Studie des Fraunhofer-Instituts für Kurzzeitdynamik analysierte die physikalischen Abläufe bei einem typischen E-Scooter-Sturz – etwa durch das Überfahren einer Bordsteinkante.

Das Ergebnis: Der E-Scooter wirkt aufgrund seiner Massenträgheit wie ein Hebel. Bei einem plötzlichen Aufprall überträgt sich die Energie auf die Fahrerin oder den Fahrer und schleudert diese regelrecht durch die Luft. Je nach Geschwindigkeit kann der daraus resultierende Sturz eine Distanz von zwei bis fünf Metern erreichen. Das bedeutet, dass Fahrende im Fall eines Sturzes häufig nicht einfach zur Seite kippen, sondern mit erheblicher Wucht auf dem Boden aufschlagen – meist unkontrolliert und ohne Möglichkeit, sich abzufangen.

In simulationsgestützten Untersuchungen wurde zudem ermittelt, wie sich das Tragen eines Helms auf die Belastung des Kopfes auswirkt. Die Daten zeigen: Ein Fahrradhelm kann die auf den Kopf wirkenden translatorischen Beschleunigungen – also die geradlinigen Bewegungen infolge eines Aufpralls – um 51 bis 72 % reduzieren. Das ist ein deutlicher Sicherheitsgewinn. Allerdings lagen die dabei simulierten Kopfaufprallgeschwindigkeiten über der Impaktgeschwindigkeit, die in der geltenden Fahrradhelm-Norm DIN EN 1078 (5,4 m/s) als Prüfgrundlage dient.

Helmquote niedrig – Schutzpotenzial hoch

Nur etwa 3 % der verunfallten E-Scooter-Fahrenden trugen einen Helm. Das ist angesichts der häufigen Kopfverletzungen besonders problematisch. Studien zeigen, dass Helme die auf den Kopf wirkenden Kräfte um bis zu 70 % reduzieren können.

Allerdings bieten herkömmliche Fahrradhelme bei E-Scooter-Stürzen nicht immer ausreichenden Schutz, wie wir im Kapitel zuvor erläutert haben. In Ländern wie Australien führte eine Helmpflicht zu einem spürbaren Rückgang schwerer Kopfverletzungen. Deutschland setzt bisher nur auf freiwillige Empfehlungen.

Internationale Reaktionen: Mehr Regulierung

Einige Städte und Länder haben bereits Maßnahmen ergriffen, um schwere Unfälle zu reduzieren:

  • Paris: Verbot von Leih-E-Scootern
  • Italien: Einführung einer Helmpflicht ab 2024
  • Oslo: Nachtfahrverbot für E-Scooter von 23 bis 5 Uhr
  • Helsinki: Reduktion der Maximalgeschwindigkeit auf 15 km/h am Wochenende

In Deutschland sind solche Maßnahmen bisher die Ausnahme. Anbieter setzen auf Eigenverantwortung der Fahrenden. Doch gerade digitale Freischaltmechanismen bei Leih-Scootern böten Potenzial für technische Lösungen.

Empfehlungen aus der Forschung

Forschende der Technischen Universität München sprechen sich klar für gezielte Schutzmaßnahmen aus. Michael Zyskowski und Frederik Hartz fordern, die Verfügbarkeit von E-Scootern an Unfall-Hotspots und in Nachtzeiten zu beschränken. Auch Geschwindigkeitsbegrenzungen zu bestimmten Tageszeiten könnten helfen.

„Für mehr Verkehrssicherheit wäre es sinnvoll, die Verfügbarkeit der Scooter nachts und an Unfallhotspots zu reduzieren und die Höchstgeschwindigkeit ab einer bestimmten Uhrzeit zu drosseln“, sagt Zyskowski. Denkbar seien auch digitale Reaktionstests vor der Freigabe eines Scooters – etwa um Alkoholkonsum festzustellen und zu verhindern, dass alkoholisierte Personen überhaupt starten können. (mit dpa)

Hier geht es zur Studie

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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