Kurven, Kehrtunnel, Krieg 05.07.2025, 20:47 Uhr

Sauschwänzlebahn: Wie Ingenieure das Mittelgebirge überlisteten

Strategisch geplant, technisch raffiniert: Die Sauschwänzlebahn zeigt, was Ingenieure im 19. Jahrhundert zu leisten vermochten.

Historische Sauschwänzlebahn auf dem Fützener Viadukt

Historische Sauschwänzlebahn auf dem Fützener Viadukt.

Foto: Smarterpix / Frederick

Die Sauschwänzlebahn im südlichen Schwarzwald ist weit mehr als eine nostalgische Museumsstrecke. Sie ist ein technisches Zeitzeugnis, das zeigt, wie durchdacht Ingenieure des 19. Jahrhunderts Herausforderungen im Eisenbahnbau bewältigten – mit Tunneln, Viadukten und spektakulären Kehren.

Die Strecke war militärisch motiviert, diente aber auch zivilen Zwecken. Heute fasziniert sie mit ihrer einzigartigen Bauweise und lebendigen Geschichte. Nicht umsonst wurde die Sauschwänzlebahn von der Bundesingenieurkammer als Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland ausgezeichnet.

Eine Bahnlinie mit militärischem Ursprung

Als Ende des 19. Jahrhunderts der Bau der Wutachtalbahn (so der offizielle Name) beschlossen wurde, stand nicht die regionale Erschließung im Vordergrund – sondern die Landesverteidigung. Die Strecke sollte es ermöglichen, Truppenbewegungen und Nachschubtransporte zwischen Ulm und dem südwestdeutschen Raum zu realisieren, ohne auf Schweizer Hoheitsgebiet ausweichen zu müssen. Der damalige Staatsvertrag mit der Schweiz verbot nämlich eine militärische Nutzung der durch Basel und Schaffhausen verlaufenden Eisenbahnstrecken.

Stellenangebote im Bereich Fahrzeugtechnik

Fahrzeugtechnik Jobs
DNV GL SE-Firmenlogo
Lead Auditor Automotive (m/w/d) DNV GL SE
Hamburg, Essen Zum Job 
VCDB VerkehrsConsult Dresden-Berlin GmbH-Firmenlogo
Projektingenieur Elektromobilität Bus (m/w/d) VCDB VerkehrsConsult Dresden-Berlin GmbH
Dresden Zum Job 
VCDB VerkehrsConsult Dresden-Berlin GmbH-Firmenlogo
Projektingenieur Betriebshof- und Werkstattplanung (m/w/d) VCDB VerkehrsConsult Dresden-Berlin GmbH
Dresden Zum Job 
Motherson Group-Firmenlogo
Hardware Architect - Automotive (m/f/d) Motherson Group
Stuttgart Zum Job 
Motherson Group-Firmenlogo
Hardware Architect - Automotive (m/f/d) Motherson Group
Stuttgart Zum Job 
FRIWO-Firmenlogo
Senior Softwareentwickler Embedded Systems / C/C++ (m/w/d) FRIWO
Ostbevern Zum Job 
Dekra Automobil GmbH-Firmenlogo
Sachverständiger Krane (m/w/d) Dekra Automobil GmbH
Heilbronn, Schwäbisch Hall Zum Job 
Dekra Automobil GmbH-Firmenlogo
Unfallanalytiker Verkehrsunfälle / Kfz Sachverständiger Unfallrekonstruktion (m/w/d) Dekra Automobil GmbH
Dekra Automobil GmbH-Firmenlogo
Prüfingenieur Fahrzeuge / Kfz Sachverständiger (m/w/d) ggf. zur Weiterbildung Dekra Automobil GmbH
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe-Firmenlogo
Ingenieurin / Ingenieur (w/m/d) im Referat A.II.2 "Sicherstellung Einsatzfähigkeit der Ausstattung - Technik" Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe

Die sogenannte „strategische Umgehungsbahn“ wurde daher so geplant, dass sie eigenständig durch deutsches Gebiet führt – mit möglichst sanften Steigungen, stabilen Viadukten und ausreichend langen Überholgleisen für Militärzüge. Diese Anforderungen stellten die Ingenieurinnen und Ingenieure vor erhebliche Herausforderungen.

Ein Gebirge, das nicht nachgibt

Im Mittelabschnitt zwischen Weizen und Blumberg mussten auf nur 9,6 Kilometern Luftlinie über 230 Höhenmeter überwunden werden. Damit die Steigung 1:98 nicht überschreitet, musste die Bahntrasse künstlich in die Länge gezogen werden – auf über 25 Kilometer. Möglich machten das eine ausgeklügelte Streckenführung, mehrere Kehrschleifen und vor allem ein Bauwerk, das in Deutschland einmalig ist: der Große Stockhalde-Kehrtunnel.

Im Inneren dieses Spiraltunnels fährt der Zug auf 1,7 Kilometern im Kreis – und gewinnt dabei rund 15 Meter an Höhe. Der Tunnel beschreibt eine 360-Grad-Kurve mit 700 Metern Durchmesser. Dieses Konstruktionsprinzip kannte man bis dahin nur aus dem Hochgebirge – umso bemerkenswerter, dass es hier in einem Mittelgebirge Anwendung fand. So erklärt sich auch der Spitzname: Der Tunnel windet sich wie ein „Sauschwänzle“ durch den Berg.

Die Tunnel der Sauschwänzlebahn

Ohne Tunnel wären viele Eisenbahnstrecken kaum realisierbar. Auch die Sauschwänzlebahn hätte ihren Höhenunterschied nicht überwinden können, ohne sich unter Berge zu graben. Dabei folgen die Tunnel nicht nur der Topografie – sie lösen auch ingenieurtechnische Probleme ihrer Zeit. Die Strecke zwischen Blumberg und Weizen nutzt dabei verschiedene Tunneltypen, die je nach Baugrund und Zielsetzung ganz unterschiedlich konstruiert wurden.

Vom Wasser getrennt: Der Buchbergtunnel

Der Buchbergtunnel zählt zu den geologisch und planerisch anspruchsvolleren Abschnitten der Strecke. Mit seinen 805 Metern Länge verläuft er fast schnurgerade durch das Randengebirge. Dabei durchstößt er nicht nur braunen und weißen Jura, sondern unterquert auch die Hauptwasserscheide zwischen Rhein und Donau. Damit verbindet der Tunnel symbolisch den Atlantik mit dem Schwarzen Meer – zumindest in Form der unterirdischen Entwässerungslinien.

Die Gebirgsüberlagerung beträgt rund 50 Meter. Das heißt: So viel Fels liegt über der Tunnelröhre. Für die Ingenieure des späten 19. Jahrhunderts bedeutete das eine präzise geologische Vorerkundung, um Wassereinbrüche oder instabile Schichten zu vermeiden. Der Buchbergtunnel gehört zur Kategorie der sogenannten Wasserscheide-Tunnel.

Gezielter Höhengewinn: Der Stockhalde-Kreiskehrtunnel

Der spektakulärste Tunnel der Sauschwänzlebahn ist der sogenannte Große Stockhalde-Kreiskehrtunnel. Auf einer Länge von 1700 Metern beschreibt er im Inneren des Bergs eine vollständige 360-Grad-Drehung – mit einem Radius von 700 Metern. Diese spiralförmige Führung erlaubt es, auf kleinem Raum eine Höhendifferenz von rund 15,5 Metern zu überwinden.

Die Bauform dieses Tunnels ist in Deutschland einzigartig. Weltweit findet man Spiraltunnel fast ausschließlich in Hochgebirgen – etwa bei den Alpentunneln der Gotthardbahn. Dass ein solcher Tunnel in einem Mittelgebirge wie dem Schwarzwald umgesetzt wurde, ist ungewöhnlich. Die Streckenführung war nötig, um den Höhenunterschied mit den damaligen Steigungsgrenzen für Züge technisch überhaupt bewältigen zu können.

Im Volksmund gilt dieser Tunnel als Ursprung des Namens „Sauschwänzlebahn“ – wegen der spiralförmigen Trasse, die einem geringelten Schweineschwanz ähnelt. Technisch zählt er zu den sogenannten Steigungs- und Kehren-Tunneln. Die Felsüberlagerung beträgt hier rund 60 Meter.

Weitere Tunnel: Sporne, Steigungen und kurze Abschnitte

Neben dem Buchbergtunnel und dem großen Spiraltunnel gibt es weitere fünf Tunnel entlang der Strecke. Der Weiler Kehrtunnel mit 1205 Metern Länge gehört ebenfalls zur Kategorie der Steigungstunnel. Er liegt unter 170 Metern Gestein – das macht ihn zum Tunnel mit der größten Überlagerung der Strecke.

Daneben durchquert die Bahn auch mehrere sogenannte Sporntunnel. Diese schneiden kleinere Geländevorsprünge ab – sogenannte Sporne. Beispiele dafür sind der Tunnel am Achdorfer Weg (540 m), der Tunnel in der kleinen Stockhalde (85,5 m) sowie der Grimmelshofer Tunnel (224 m). Auch hier liegen jeweils rund 50 bis 60 Meter Gestein über den Röhren.

Sauschwänzlebahn – Technische Daten im Überblick

  • Bauzeit: 1887–1890
  • Gesamtlänge: 61,7 km (Museumsbetrieb auf 25 km zwischen Weizen und Blumberg-Zollhaus)
  • Maximale Steigung: 1:98
  • Tunnel: 6 (darunter Deutschlands einziger Kreiskehrtunnel)
  • Viadukte: 4 große Brücken mit bis zu 264 m Länge und 34 m Höhe
  • Größter Tunnel: Großer Stockhalde-Kreiskehrtunnel (1.700 m Länge)
  • Größte Brücke: Epfenhofer Viadukt (264 m Länge, 34 m Höhe)
  • Ausgelegt für: 140 t militärisches Transportgewicht
  • Zweigleisige Vorleistung: Tunnel und Brücken vorbereitet für zwei Gleise
  • Historische Auszeichnung: „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“ (seit 2014)

 

Die Viadukte der Sauschwänzlebahn

Die Sauschwänzlebahn begeistert nicht nur durch ihre spektakuläre Streckenführung mit Kehrschleifen und Tunneln, sondern auch durch vier technisch wie architektonisch beeindruckende Viadukte. Jede Brücke ist ein Unikat – entworfen für eine strategisch wichtige Strecke, die einst auch militärischem Zweck dienen sollte. Deshalb sind sämtliche Bauwerke für eine Achslast von 140 Tonnen ausgelegt und von Beginn an zweigleisig geplant. Das erkennt man sofort: an den überbreiten Trassen, Tunnelröhren und den massiv ausgeführten Widerlagern.

Epfenhofer Viadukt – Gigant aus Eisenfachwerk

Der größte Brückenbau der Strecke überspannt das Kommental bei Epfenhofen. Mit 264 Metern Länge und 34 Metern Höhe ist der sogenannte Kommental-Viadukt ein wahres Schwergewicht der Ingenieurskunst des 19. Jahrhunderts. Entstanden ist das Bauwerk in nur zwölf Monaten – zwischen November 1888 und November 1889.

Ursprünglich war eine Steinbogenbrücke nach Reichsstandard geplant. Doch schwierige Bodenverhältnisse machten eine leichtere Bauweise erforderlich. Die Lösung: eine filigrane Stahlbrücke mit acht Öffnungen zwischen 30 und 36 Metern Spannweite. Sie ruht auf sieben eisernen Pfeilern, die auf Sockeln aus Kalkstein stehen. Zwei massive Widerlager rahmen die Konstruktion ein. Damit sich die Brücke bei Hitze ausdehnen kann, unterbrachen die Ingenieure den Trägerverlauf mittig und lagerten die Enden auf einem fest verankerten Pyramidenpfeiler.

Die Fachwerkträger wurden aus Schweißeisen von der Gutehoffnungshütte gefertigt, vor Ort zusammengenietet und bringen es auf ein Gesamtgewicht von 512 Tonnen. Alle Pfeilerfundamente bestehen aus rund 7.500 Kubikmetern Kalksteinmauerwerk, das mit Sandstein verkleidet wurde – aus statischen wie auch ästhetischen Gründen.

Biesenbach-Viadukt – Fischbauch auf Kurve

Auch das Biesenbach-Viadukt macht Eindruck – und das gleich mehrfach. Die 252,2 Meter lange Bogenbrücke besitzt nicht nur eine elegante Fischbauchform, sondern liegt auch in einer markanten Kurve mit einem Radius von 360 Metern. Die Höhe beträgt 24 Meter.

Errichtet wurde das Viadukt zwischen 1888 und 1890 – allerdings nicht ohne Herausforderungen. Der Baugrund stellte sich als instabil heraus, was während der Bauphase wiederholt zu Verzögerungen und Umplanungen führte. Letztlich setzte man auf eine Konstruktion aus Einfeldträgern, die speziell für Kurvenradien angepasst wurden – damals ein technischer Kraftakt.

Talübergang Fützen – vier Bögen für den Seitenwechsel

Am Talübergang Fützen wechselt die Strecke die Talseite – von links nach rechts über das Mühlbachtal. Die Frage, ob ein Damm oder eine Brücke gebaut werden sollte, entschied am Ende das Budget. Eine Brücke war günstiger – und technisch besser in das Landschaftsbild integrierbar.

Zwischen 1888 und 1890 entstand ein Viadukt mit vier Öffnungen à 37,5 Metern Spannweite. Insgesamt misst die Brücke 153 Meter Länge und ragt bis zu 28 Meter in die Höhe. Auch hier kamen – wie beim Biesenbach-Viadukt – Fischbauchträger zum Einsatz. Doch anders als dort ruhen sie hier auf gemauerten Kalksteinpfeilern, die ebenfalls mit Sandstein verblendet wurden. Die Konstruktion wirkt massiv, aber dennoch elegant.

Wutach-Viadukt – Ingenieurskunst unter Rutschgefahr

Das Wutach-Viadukt ist mit 107,5 Metern Länge das kürzeste der vier großen Brücken – aber geologisch gesehen die anspruchsvollste. Die Trasse führt hier durch ein Gelände mit hoher Rutschungsgefahr. Das erforderte eine besonders aufwendige Gründung der Pfeiler.

Die mittlere Öffnung der Brücke überspannt 47,5 Meter, flankiert von zwei Seitenöffnungen mit je 30 Metern Spannweite. Der Brückenradius beträgt 350 Meter. Die Gründung der Pfeiler erfolgte in bis zu 14 Metern Tiefe – mittels Caissons, einer damals modernen Technik, bei der unter Überdruck in wassergesättigten Boden gearbeitet wurde. Als Fundament diente der darunterliegende feste Sandstein.

Die drei parabelförmigen Fachwerkträger der Fischbauchbauart wiegen zusammen 297 Tonnen. Auch hier wurden Kalkstein und Sandstein für Pfeiler und Verblendung verwendet – nicht nur aus technischen, sondern auch landschaftsästhetischen Gründen. Während der Fahrt bietet sich beidseits der Brücke ein grandioser Ausblick ins tief eingeschnittene Wutachtal – ein Höhepunkt jeder Fahrt mit der Sauschwänzlebahn.

Konstruktion unter schwierigen Bedingungen

Die Bauarbeiten begannen 1887 und dauerten drei Jahre. In der Hochphase arbeiteten bis zu 3.700 Personen auf den Baustellen. Viele davon kamen aus Italien. Die Herausforderungen waren immens: Rutschende Hänge, durchlässige Gesteinsschichten, unerwartete Wasserquellen. Teilweise mussten Planungen verworfen und Tunnelverläufe neu berechnet werden – wie beim Biesenbachviadukt, dessen Dämme mehrfach abrutschten.

Trotz aller Widrigkeiten wurde die Strecke 1890 eröffnet. Die Kosten beliefen sich auf rund 21 Millionen Mark. Rund ein Drittel floss in die Tunnels, ein Viertel in die Erdarbeiten. Brücken schlugen mit etwa 6 % zu Buche.

Kein Rentabilitätswunder – aber ein technisches Denkmal

Schon früh zeigte sich: Wirtschaftlich würde sich die Strecke kaum tragen. Die Fahrgastzahlen blieben überschaubar, der Betrieb aufwendig. Trotzdem blieb die Wutachtalbahn in Betrieb – nicht zuletzt aus strategischen Gründen. Während des Zweiten Weltkriegs rollten über sie auch Lazarettzüge.

Ab den 1950er-Jahren wurde der Verkehr zunehmend ausgedünnt. Teilabschnitte wurden stillgelegt oder auf Busbetrieb umgestellt. Doch der Mittelabschnitt – mit dem spektakulären Kehrtunnel – entging der endgültigen Schließung: 1977 nahm die Museumsbahn ihren Betrieb auf.

Die Museumsbahn lebt

Heute ist die Sauschwänzlebahn eine Touristenattraktion. Zwischen Weizen und Blumberg-Zollhaus verkehrt regelmäßig ein Museumszug – gezogen von historischen Dampflokomotiven. Im alten Güterschuppen in Blumberg informiert ein kleines Museum über die Geschichte der Strecke. Ein 19 Kilometer langer Eisenbahnlehrpfad ermöglicht es zudem, die Streckenführung zu Fuß nachzuvollziehen.

Der Museumsbetrieb wurde mehrfach umorganisiert. Seit 2014 liegt er in den Händen der städtischen Bahnbetriebe Blumberg GmbH & Co. KG. Zuvor hatte ein ehrenamtlicher Verein den Betrieb geführt, war aber an seine personellen und technischen Grenzen gestoßen.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

Zu unseren Newslettern anmelden

Das Wichtigste immer im Blick: Mit unseren beiden Newslettern verpassen Sie keine News mehr aus der schönen neuen Technikwelt und erhalten Karrieretipps rund um Jobsuche & Bewerbung. Sie begeistert ein Thema mehr als das andere? Dann wählen Sie einfach Ihren kostenfreien Favoriten.