Neue Hubschrauber für die Marine 16.12.2025, 14:30 Uhr

NH-90 Sea Tiger: Technik-Check des neuen U-Boot-Jägers

Die Deutsche Marine stellt den Sea Tiger in Dienst. Wir werfen einen Blick auf die Technik, Sensorik und Bewaffnung des NH-90-Nachfolgers für die U-Boot-Jagd.

Der NH-90 Sea Tiger im Anflug

Der NH-90 Sea Tiger im Anflug auf das Gelände des Verteidigungsministeriums in Berlin.

Foto: picture alliance/dpa | Christoph Soeder

Die Deutsche Marine hat ihren ersten spezialisierten Kampfhubschrauber des Typs NH-90 MRFH Sea Tiger übernommen. Die Maschine soll die in die Jahre gekommene Sea-Lynx-Flotte ersetzen und bringt ein massives Upgrade bei Sensorik und Bewaffnung mit sich. Wir blicken unter die Haube des neuen U-Boot-Jägers.

Generationenwechsel am Himmel

Es ist ein Generationswechsel am Himmel über der Nord- und Ostsee sowie im Nordatlantik. Seit 1981 bildete der Westland Sea Lynx Mk88A das Rückgrat der bordgestützten U-Boot-Jagd der deutschen Streitkräfte. Nun landet der Nachfolger. Auf dem Gelände des Verteidigungsministeriums in Berlin setzte der erste NH-90 MRFH Sea Tiger auf. Das Kürzel MRFH steht dabei für „Multi Role Frigate Helicopter“. Es beschreibt exakt das Anforderungsprofil: Ein Mehrzweckhubschrauber, der fest auf den Fregatten der Marine stationiert wird und von dort aus operiert.

Die sicherheitspolitische Einordnung übernahm Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) direkt vor Ort. Er verwies auf die veränderte Bedrohungslage. „Putin rüstet seine Marine weiter massiv auf. Er braucht sie nicht oder kaum in der Ukraine. Die Schwarzmeer-Flotte ist das eine, aber die Nordatlantik-Flotte ist etwas anderes“, so der Minister. Daraus leitete er eine klare Handlungsanweisung ab: „Das heißt, wir sind gefordert, als Nato, als Bundesrepublik Deutschland unsere Streitkräfte zur See, schnell und besser auszustatten.“

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Die Plattform: Bekannte Hülle, neues Innenleben

Für Ingenieurinnen und Ingenieure sowie Luftfahrt-Experten ist der Anblick der Zelle vertraut. Der Sea Tiger basiert auf dem NH-90, einem militärischen Transporthubschrauber der 10-Tonnen-Klasse. Die Marine nutzt bereits eine Variante dieses Typs, den NTH (Naval Transport Helicopter) Sea Lion. Dieser dient jedoch primär für Such- und Rettungsmissionen (SAR) sowie für den Transport.

Der Sea Tiger hingegen ist eine reine Kampfmaschine. Äußerlich gleicht er dem Sea Lion, doch unter der Verkleidung aus Faserverbundwerkstoffen verbirgt sich eine gänzlich andere Systemarchitektur. Die Herausforderung für die Konstrukteure lag darin, die umfangreiche Missionsavionik – also die elektronischen Systeme für Flug und Kampf – in die bestehende Zelle zu integrieren.

Angetrieben wird der Helikopter von zwei Wellentriebwerken des Typs RTM 322 TRW. Diese leisten gemeinsam 2 x 1788 Kilowatt (kW). Das ermöglicht eine Höchstgeschwindigkeit von 148 Knoten, was umgerechnet etwa 274 Kilometern pro Stunde (km/h) entspricht. Das maximale Startgewicht (MTOW) liegt bei 11 Tonnen. Trotz dieser Masse muss der Hubschrauber auf den teils engen Landedecks der Fregatten operieren können. Dafür verfügt er über ein automatisches Rotorfalt-System, um in den Bordhangar zu passen.

Technische Daten im Überblick

Die wichtigsten Kennzahlen des neuen Marinehubschraubers auf einen Blick:

  • Länge: 19,56 m
  • Rotordurchmesser: 16,30 m
  • Antrieb: 2 × RTM 322 TRW Wellentriebwerk
  • Leistung: 2 × 1.788 kW
  • Geschwindigkeit: max. 148 kn (ca. 274 km/h)
  • Dienstgipfelhöhe: 6.000 m
  • Besatzung: 4 (plus bis zu 11 Passagiere möglich)
  • Bewaffnung: Torpedo MU90, Lenkflugkörper Marte ER, sMG 12,7 mm

 

Das „fliegende Auge“ der Flotte

Der taktische Wert des Sea Tiger bemisst sich nicht an seiner Flugleistung, sondern an seiner Sensorik. Vizeadmiral Jan Christian Kaack, Inspekteur der Marine, fasst es so zusammen: „Der Hubschrauber ermöglicht uns eine moderne Seekriegsführung zur Bekämpfung von Unter- und Überwasserbedrohungen aus der Luft.“

Um U-Boote aufzuspüren, setzt der Sea Tiger auf eine Kombination aus aktiven und passiven Systemen.

  1. Das Tauchsonar (Dipping Sonar): Dies ist das Hauptinstrument für die aktive Ortung. Der Hubschrauber schwebt dabei wenige Meter über der Wasseroberfläche und lässt einen Sensorkopf an einem Kabel ins Wasser hinab. Dieser sendet Schallwellen aus und empfängt deren Echo. So lassen sich U-Boote präzise lokalisieren, selbst wenn diese versuchen, sich in verschiedenen Temperaturschichten des Wassers zu verbergen.
  2. Sonarbojen-Werfer: Ergänzend kann die Crew Sonarbojen abwerfen. Diese schwimmenden Sensoren senden Daten per Funk an den Hubschrauber zurück und erlauben es, ein größeres Seegebiet akustisch zu überwachen, ohne dass der Hubschrauber stationär schweben muss.

Für die Überwasserseekriegsführung nutzt der Sea Tiger das Seeraumüberwachungsradar ENR. Es verfügt über einen sogenannten ISAR-Modus (Inverse Synthetic Aperture Radar). Vereinfacht erklärt: Das Radar nutzt die Eigenbewegung des Ziels, um ein zweidimensionales Abbild zu errechnen. Die Crew sieht auf ihren Monitoren also nicht nur einen Punkt, sondern eine Silhouette des Schiffes. Das System kann laut Herstellerangaben mehr als 150 Kontakte gleichzeitig verfolgen.

Zusätzlich ist ein elektro-optisches System (EOS) verbaut. Es vereint eine hochauflösende TV-Kamera und eine Wärmebildkamera. Ein integrierter Laserentfernungsmesser und Laserbeleuchter (Laser Designator) erlaubt es, Ziele für präzisionsgelenkte Munition zu markieren.

Der Rotorkopf des ersten neuen Hubschraubers vom Typ NH90 Sea Tiger

Der Rotorkopf des ersten neuen Hubschraubers vom Typ NH90 Sea Tiger.

Foto: picture alliance/dpa | Christoph Soeder

Bewaffnung: Torpedos und Lenkflugkörper

Die beste Aufklärung nutzt wenig, wenn die Bekämpfung nicht möglich ist. Hier unterscheidet sich der Sea Tiger deutlich von seinem zivileren Bruder Sea Lion. Gegen U-Boote führt der Hubschrauber Torpedos des Typs MU90 mit. Dieser leichtgewichtige Torpedo ist speziell für die U-Jagd in flachen und tiefen Gewässern konzipiert und verfügt über einen eigenen Suchkopf.

Neu und taktisch relevant ist die Integration des Seezielflugkörpers „Marte ER“. „ER“ steht hier für Extended Range. Mit dieser Waffe kann der Sea Tiger Schiffe auf eine Distanz von über 100 Kilometern bekämpfen. Das ermöglicht der Fregatte, Ziele weit hinter dem eigenen Radarhorizont anzugreifen, ohne sich selbst in die Reichweite gegnerischer Waffensysteme begeben zu müssen.

Für den Nahbereich oder asymmetrische Bedrohungen – etwa durch Schnellboote – können zudem schwere Maschinengewehre im Kaliber 12,7 Millimeter in den Seitentüren montiert werden. Ein System zur Elektronischen Kampfführung (ESM) warnt die Besatzung zudem, wenn der Hubschrauber selbst von gegnerischem Radar erfasst wird. Täuschkörperanlagen (Chaff und Flare) dienen dann dem Selbstschutz.

Blick ins Cockpit des NH-90 Sea Tiger

Digitalisierung ist angesagt: Blick ins Cockpit des NH-90 Sea Tiger.

Foto: picture alliance/dpa | Christoph Soeder

Digitalisierung im Cockpit

Die Datenflut der Sensoren läuft auf zwei Arbeitskonsolen in der Kabine zusammen. Große HD-Displays erlauben den Operatoren, das taktische Lagebild auszuwerten. Die Vernetzung ist hierbei der Schlüsselfaktor. Der Sea Tiger agiert nicht isoliert, sondern teilt seine Daten mit dem Mutterschiff und anderen Einheiten, etwa dem Seefernaufklärer P-8A Poseidon. Dies erstellt ein umfassendes Unterwasserlagebild, was gerade beim Schutz kritischer maritimer Infrastruktur – wie Pipelines oder Datenkabeln – an Bedeutung gewinnt.

Ausblick: Volle Stärke bis 2030

Der Zulauf der Maschinen hat nun begonnen. Geplant ist die Beschaffung von insgesamt 31 Exemplaren. Diese sollen beim Marinefliegergeschwader 5 im niedersächsischen Nordholz stationiert werden.

Der Zeitplan sieht vor, dass die Auslieferung bis zum Jahr 2030 abgeschlossen sein soll. Bis dahin werden Crews und Techniker parallel auf das neue System umgeschult, während der alte Sea Lynx schrittweise ausgemustert wird. Mit dem Sea Tiger schließt die Bundeswehr eine Fähigkeitslücke, die durch die veraltete Technik des Vorgängers in den letzten Jahren immer größer wurde. (mit Material der dpa)

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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