Triebwerkstechnik 17.06.2011, 19:54 Uhr

„Metallische Werkstoffe sind heute weitgehend ausgereizt“

MTU ist als deutscher Partner von Pratt&Whitney an der Entwicklung des neuen Getriebe-Fan-Triebwerks PW1000G beteiligt. In diesem Zusammenhang wurde in Deutschland auch eine eigene Fertigungskette für neuartige Titanium-Alumnid-Triebwerksschaufeln aufgebaut. Über die Chancen und Perspektiven dieser neuen Triebwerkstechnologie sprachen die VDI nachrichten mit Rainer Martens, Chief Operating Officer von MTU Aero Engines.

Dr. Rainer Martens

Dr. Rainer Martens

Foto: MTU

VDI nachrichten: Das neue Triebwerk PW1000G, das MTU zusammen mit Pratt und Whitney für mittelgroße Passagierflugzeuge wie den Airbus A320NEO entwickelt hat, verkauft sich schon jetzt wie geschnittenes Brot – über 1200 haben die Fluggesellschaften dieser Welt geordert. Überrascht Sie das?

Martens: Wir waren uns sicher, dass die Zeit reif war für die Technologie des Getriebefans (GTF). 2005 haben wir mit dem konkreten Testprogramm begonnen und ein Demonstrator-Triebwerk entwickelt. Für Pratt & Whitney und die MTU war das auch ein strategisch wichtiger Schritt in den künftigen Markt der Triebwerke für mittelgroße Passagierflugzeuge. Wir haben kontinuierlich daran gearbeitet und so wichtige Kunden gewonnen (siehe Kasten).

Dabei wird an solchen Triebwerken schon seit den 80er-Jahren geforscht.

Damals waren die Treibstoffpreise viel niedriger. Der Mehraufwand für solche Getriebefans lohnt sich erst, wenn die Preise eine gewisse Höhe erreicht haben.

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Was brachte den Durchbruch für den neuen Getriebefan?

Als wir nach Mitsubishi auch Bombardier mit seiner neuen C-Serie als Kunden gewinnen konnten. Da wurde Airbus hellhörig. Die C-Serie greift ja Boeing und Airbus bei den kleineren Flugzeugen wie der 737 oder der A 319 direkt an.

Sind die Triebwerke skalierbar?

Unser Anspruch war, eine GTF-Triebwerksfamilie zu entwicklen: Wir können jetzt schubschwächere Modelle für den Mitsubishi Regional Jet anbieten, aber auch schubstärkere für den A320neo.

Ließe sich das Triebwerk auf noch größere Flieger skalieren wie die A380 oder die Boeing 787?

Der Getriebefan könnte auch für größere Flugzeuge eine Alternative sein, vor allem wenn die Treibstoffpreise weiter deutlich steigen. Allerdings sind für diese Anwendungen heute noch nicht alle notwendigen Technologien einsatzreif.

Die Konkurrenz schläft nicht. General Electric und Snecma haben das LeapX-Triebwerk entwickelt. Entsteht da nicht ein ernster Wettbewerber?

Wir gehen davon aus, dass unser Getriebefan gegenüber bisherigen vergleichbaren Triebwerken den Treibstoffverbrauch um 15 % reduziert. Damit sind wir nach unseren Analysen immer noch um mindestens drei Prozentpunkte besser als das LeapX. Zudem ist unser Triebwerk deutlich leiser.

Airbus hat die Auslieferung des A320neo um ein halbes Jahr auf das 4. Quartal 2015 vorgezogen. Setzt Sie das bei der Triebwerksentwicklung unter Druck?

Nein, wir haben die ersten 360 Stunden Test im Prüfstand erfolgreich hinter uns. 2012 werden wir die Zulassung für das C-Serie-Triebwerk erhalten. Diese Erfahrungen kommen auch der Entwicklung des Antriebs für den A320neo zugute.

Was wird diese Triebwerksentwicklung bis dahin gekostet haben?

Die Entwicklung eines Triebwerks kostet etwa 1 Mrd. € einschließlich Design, Test und Zulassung. Hinzu kommt die Vorentwicklung der Komponenten und der Werkstoffe. Die Kosten werden anteilig getragen – bei den Getriebefans entfallen also etwa 15 % auf die MTU.

Erwarten Sie, dass der Getriebefan auch bei dem Nachfolgemodell der Boeing 737 zum Zuge kommt?

Noch hat Boeing sich nicht definitiv entschieden, welchen Weg sie einschlagen wollen. Sollte sich Boeing für eine komplette Neuentwicklung entscheiden, rechnen wir uns gute Chancen aus, zumal der Getriebefan bis dahin seine Leistungsfähigkeit im Betrieb bewiesen haben wird.

Mit dem neuen GTF-Triebwerk setzen Pratt und MTU auch auf neue Werkstoffe. In der schnelllaufenden Niederdruckturbine sollen die bisherigen Nickel-Schaufeln durch solche aus Titanaluminid ersetzt werden. Wie läuft diese Entwicklung?

Sehr gut. Wir haben in Deutschland eine eigene Fertigungskette aufgebaut. Wir wollen die Titanaluminid-Schaufeln, nutzen, um die Vorgaben bei Gewicht und Treibstoffersparnis zu erreichen. Wir gehen zwar noch zweigleisig vor, sind aber nach ersten Tests zuversichtlich, dass wir unsere Ziele mit den Titanaluminid-Schaufeln erreichen werden.

Diese Fertigungskette wird in Deutschland bleiben?

Das ist wünschenswert, hängt aber auch von der Leistungsfähigkeit der deutschen Zulieferindustrie ab. Wenn wir bei innovativen Triebwerken weiterkommen wollen, brauchen wir Know-how über neue Materialen und Verfahren.

Wohin geht der Trend bei neuen Triebwerken?

Um die Leistungsfähigkeit von Triebwerken zu steigern, muss man Druck und Temperaturen erhöhen, insbesondere im Kompressor und in der Hochdruckturbine. Metallische Werkstoffe sind da heute weitgehend ausgereizt. Als Alternative bieten sich hoch belastbare innovative Werkstoffe wie CMC (Ceramic Matrix Components) an. Neue Technologien wie das generative Verfahren oder Laserauftragsverfahren könnten es in Zukunft möglich machen, bisher massiv ausgelegte Triebwerksteile wie Schaufeln weitgehend hohl zu konstruieren und damit deutlich Gewicht einzusparen. Gerade die generativen Verfahren sind ein ganz großer Technologiesprung.

Und wo steuert die MTU mit Pratt hin?

Zum einen wird es eine kontinuierliche Verbesserung des GTF geben. Bis 2018 werden wir den Treibstoffverbrauch noch einmal um etwa 2 % senken, bis 2020 um rund 5 %. Und wenn der Treibstoffpreis weiter steigt, werden wir über kurz oder lang auch einen GTF an großen Flugzeugen finden. Aber dafür brauchen wir neue Materialien und Verfahren – wie die immer wichtiger werdende numerische Simulation der gesamten Prozesskette bis zum fertigen Bauteil. Voraussetzung dafür sind konsequente und langfristige technologische Entwicklungen mit erheblichem Vorlauf. Will man eine Technologie 2020 einsetzen, müssen 2015 die Komponenten und Materialien vorhanden sein.

Dale Carlson, bei GE für die Triebwerksentwicklung zuständig, geht davon aus, dass 2035 ein Triebwerk bis zu 50 % aus nichtmetallischen Werkstoffen besteht. Teilen Sie diese Einschätzung?

Sagen wir 35 %. moc

 

Ein Beitrag von:

  • Wolfgang Mock

    Redakteur und Reporter VDI nachrichten. Fachthemen: Wissenschafts- und Technologiepolitik, Raumfahrt, Reportagen.

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