Verbrennungsmotoren 01.09.2024, 12:02 Uhr

Glühkopfmotor: Ein Veteran der Antriebstechnik und sein Beitrag zur Industrialisierung

Reise in die Vergangenheit: Ein umfassender Blick auf den Glühkopfmotor: Funktionsweise, Einsatzgebiete und seine Rolle in der Industrialisierung.

Lanz Bulldog

Der Lanz Bulldog ist eine Legende und noch heute ein vielgesuchter Ackergerät. Er wurde von einem Glühkopfmotor angetrieben.

Foto: PantherMedia / Kersten Naumann

In der Geschichte der Verbrennungsmotoren nimmt der Ottomotor eine Sonderstellung ein. Als Brücke zwischen Dampfmaschine und Dieselmotor entwickelt, ermöglichte er den wirtschaftlichen und zuverlässigen Antrieb einer Vielzahl von Maschinen. Trotz seines langsamen Verschwindens ab den 1930er Jahren hat der Glühkopfmotor ein bleibendes Erbe hinterlassen. Dieser Artikel wirft einen umfassenden Blick auf die Funktionsweise, die Anwendungsbereiche, die historische Entwicklung und die Gründe für den Erfolg und den Niedergang des Glühkopfmotors.

Was ist ein Glühkopfmotor?

Der Glühkopfmotor ist ein selbstzündender Verbrennungsmotor mit innerer Gemischbildung und einem vergleichsweise niedrigen Verdichtungsverhältnis von 5:1 bis 7:1. Im Gegensatz zu Dieselmotoren, die auf eine hochverdichtende Zündung angewiesen sind, nutzt der Glühkopfmotor die Wärme eines ungekühlten Brennraums, um das Kraftstoff-Luft-Gemisch zur Zündung zu bringen.

Diese Bauart ermöglicht die effiziente Nutzung minderwertiger oder schwer zündbarer Kraftstoffe. Glühkopfmotoren können mit einer Vielzahl von Kraftstoffen betrieben werden, darunter herkömmlicher Dieselkraftstoff, Schweröl, Tran, Paraffin, alle Pflanzenöle und sogar Rohöl oder Teeröl.

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Funktionsweise des Glühkopfmotors

Herzstück des Glühkopfmotors ist der namensgebende Glühkopf, eine ungekühlte Vorkammer, die im Betrieb eine Temperatur von etwa 700 bis 800 °C erreicht. Diese hohe Temperatur sorgt dafür, dass der eingespritzte Kraftstoff, meist Schweröl oder ein anderes zähflüssiges Öl, schnell verdampft und sich entzündet.

Der Kraftstoff wird früh eingespritzt, typischerweise etwa 130° vor dem oberen Totpunkt (OT), was eine längere Mischzeit mit der Luft ermöglicht. Die Verwirbelung des Kraftstoff-Luft-Gemisches wird durch einen tangential angeordneten Verbindungskanal verstärkt, durch den die Luft aus dem Zylinder in den Glühkopf strömt. Diese Verwirbelung verbessert die Durchmischung und damit den Verbrennungswirkungsgrad.

Glühkopfmotor

Schematische Darstellung eines Glühkopfmotors: 1. Verdampfer, 2. Zylinder, 3. Kolben, 4. Kurbelgehäuse.

Foto: Gemeinfrei

Arbeitsprinzip und Zündmechanik

Der Glühkopfmotor arbeitet in der Regel nach dem Zweitaktprinzip mit Kurbelgehäusespülung. Das bedeutet, dass der Verbrennungsprozess aus zwei Hauptphasen besteht: Kompression und Expansion. Während der Ansaug- und Verdichtungsphase strömt Frischluft durch den Glühkopf, der so konstruiert ist, dass die Luft stark verwirbelt wird. Am Ende des Verdichtungstaktes, wenn das Gemisch ausreichend erhitzt ist, entzündet es sich selbsttätig.

Im Gegensatz zum Dieselmotor, bei dem die Zündung durch die Kompressionswärme erfolgt, spielt beim Glühkopfmotor der kontinuierlich beheizte Glühkopf die zentrale Rolle. Diese Zündungsart hat den Vorteil, dass der Motor mit verschiedenen Kraftstoffarten betrieben werden kann, ohne auf die exakte Zündwilligkeit angewiesen zu sein. Nachteilig ist jedoch, dass der Zündzeitpunkt weniger genau gesteuert werden kann, was zu einem geringeren Wirkungsgrad und einer eingeschränkten Drehzahlanpassung führt.

Historische Entwicklung des Glühkopfmotors

Die Ursprünge des Glühkopfmotors gehen auf den englischen Ingenieur Herbert Akroyd Stuart zurück, der 1886 die ersten Patente anmeldete. 1891 begann die Firma Richard Hornsby & Sons in Grantham mit der Produktion der ersten Glühkopfmotoren. Diese frühen Motoren, die als Hornsby-Akroyd-Motoren bekannt wurden, waren zunächst Viertaktmotoren und wurden hauptsächlich in stationären Anwendungen wie Pumpen und Generatoren eingesetzt.

In den 1920er Jahren setzte sich der Glühkopfmotor zunehmend als Antrieb für Landmaschinen und Schiffe durch. Die Heinrich Lanz AG in Mannheim brachte 1921 den ersten Lanz Bulldog auf den Markt, einen robusten Traktor mit einem 12 PS starken Einzylinder-Glühkopfmotor. Die einfache Konstruktion und die Möglichkeit, minderwertigen Treibstoff zu verbrennen, machten den Bulldog vor allem für landwirtschaftliche Betriebe attraktiv. Auch in der Schifffahrt wurden Glühkopfmotoren populär, insbesondere für Fischerboote und kleine Frachtkähne, die von der Flexibilität des Kraftstoffs profitierten.

Glühkopfmotoren wurden in verschiedenen Ausführungen hergestellt, von Einzylindermotoren für kleinere Anwendungen bis hin zu Mehrzylindermotoren für größere Maschinen und Schiffe. Ihre einfache Konstruktion ermöglichte eine kostengünstige Produktion und eine einfache Wartung. Dies erwies sich vor allem in ländlichen Regionen ohne spezialisierte Mechaniker als Vorteil.

Vor- und Nachteile des Glühkopfmotors im Detail

Wir wissen jetzt, wie der Glühkopfmotor funktioniert und wie er sich entwickelt hat. Blicken wir nun auf die Vor- und Nachteile des Motors.

Vorteile

  1. Vielseitigkeit bei der Kraftstoffwahl: Einer der größten Vorteile des Glühkopfmotors war seine Fähigkeit, nahezu jeden flüssigen Brennstoff zu verbrennen. Dies umfasste Diesel, Schweröl, Pflanzenöle, Paraffin, Teeröle und sogar tierische Fette. Diese Vielseitigkeit machte den Motor zu einem unverzichtbaren Werkzeug in Zeiten knapper Kraftstoffressourcen.
  2. Einfache Konstruktion und hohe Zuverlässigkeit: Der Glühkopfmotor verzichtete auf komplizierte Systeme wie Zündkerzen oder Zündspulen. Dies machte ihn nicht nur robust und langlebig, sondern auch einfach in der Wartung. Selbst Laien konnten grundlegende Wartungsarbeiten durchführen, was die Betriebskosten niedrig hielt.
  3. Robustheit und Langlebigkeit: Die Bauweise des Glühkopfmotors machte ihn widerstandsfähig gegenüber rauen Umgebungen. Staub, Schmutz und Temperaturschwankungen hatten nur geringe Auswirkungen auf seine Leistung. Dies war besonders in der Landwirtschaft und bei maritimen Anwendungen von Vorteil.

Nachteile

  1. Ineffiziente Verbrennung und hoher Kraftstoffverbrauch: Durch das niedrige Verdichtungsverhältnis und die weniger präzise Zündung war der Wirkungsgrad des Glühkopfmotors begrenzt. Dies führte zu einem höheren Kraftstoffverbrauch im Vergleich zu moderneren Dieseltechnologien.
  2. Schwierige Steuerbarkeit des Zündzeitpunktes: Die Selbstzündung durch den Glühkopf führte zu einer unkontrollierten Verbrennung, die nicht so präzise wie bei anderen Motorenarten gesteuert werden konnte. Dies beschränkte den Einsatzbereich auf Anwendungen, bei denen eine konstante und gleichmäßige Leistungsabgabe gefordert war.
  3. Funkenflug und damit verbundene Brandgefahr: In der Landwirtschaft kam es gelegentlich zu Bränden, ausgelöst durch Funkenflug aus den Auspuffrohren der Traktoren. Dies führte zu einer erhöhten Brandgefahr bei Erntearbeiten und in der Nähe von Scheunen. Einige Hersteller reagierten darauf mit der Einführung von Funkenfängern und modifizierten Auspuffanlagen.

Technologische Verbesserungen und Anpassungen

Funkenflug und ineffiziente Verbrennung waren nur zwei der gravierenden Nachteile, die im vorhergehenden Kapitel beschrieben wurden. Einige technische Verbesserungen sollten hier Abhilfe schaffen.

Übergang zu Direkteinspritzung

In den späteren Jahren der Glühkopfmotorenentwicklung wurde versucht, die Effizienz zu steigern und den Kraftstoffverbrauch zu senken. Eine solche Innovation war die Einführung von direkter Kraftstoffeinspritzung, bei der der Kraftstoff direkt in den Brennraum eingespritzt wurde, anstatt vorher in der Vorkammer zu verdampfen. Dies führte zu einer verbesserten Verbrennung und einem geringeren Kraftstoffverbrauch.

Halbdieselmotoren: Eine Brücke zum Voll-Diesel

Die Entwicklung sogenannter Halbdieselmotoren, die sowohl mit einem Glühkopf als auch mit direkter Einspritzung arbeiteten, stellte eine Brücke zur vollen Dieseltechnologie dar. Diese Motoren konnten in kälteren Umgebungen gestartet werden, indem sie kurzzeitig Benzin als Zündkraftstoff nutzten, bevor sie auf Schweröl oder Diesel umschalteten.

Einsatzgebiete des Glühkopfmotors

Glühkopfmotoren wurden hauptsächlich in landwirtschaftlichen Maschinen, aber auch in der Schifffahrt eingesetzt. Aber auch in stationären Anwendungen. Schauen wir genauer hin.

Landwirtschaftliche Maschinen

Der Glühkopfmotor war insbesondere in der Landwirtschaft von unschätzbarem Wert. Er ermöglichte den Antrieb von Traktoren, Dreschmaschinen und anderen landwirtschaftlichen Geräten, die durch ihre einfache Bedienung und geringe Wartungsanforderungen bestachen. Traktoren wie der Lanz Bulldog waren in Europa ein alltäglicher Anblick und halfen dabei, die Produktivität in der Landwirtschaft erheblich zu steigern.

Maritimer Einsatz

Auch in der Schifffahrt war der Glühkopfmotor beliebt. Fischerboote, kleinere Frachtschiffe und sogar einige Lokomotiven wurden mit Glühkopfmotoren ausgestattet. Ihre Fähigkeit, unterschiedlichste Kraftstoffe zu nutzen und unter extremen Bedingungen zuverlässig zu arbeiten, machte sie zu einer bevorzugten Wahl in abgelegenen und weniger entwickelten Regionen.

Stationäre Anwendungen

Stationäre Glühkopfmotoren kamen in Generatoren, Pumpen und Mühlen zum Einsatz. Sie boten eine kostengünstige Möglichkeit, mechanische Energie in abgelegenen Gebieten zu erzeugen, wo der Zugang zu Elektrizität begrenzt war. Ihre Robustheit und einfache Wartung machten sie zur idealen Lösung für industrielle Anwendungen in Entwicklungsregionen.

Der Niedergang des Glühkopfmotors

Mit dem Aufkommen effizienterer Dieselmotoren in den späten 1920er und 1930er Jahren begann der Niedergang des Glühkopfmotors. Die Einführung von Dieselmotoren mit höherer Verdichtung und präziserer Zündung bot Vorteile wie geringeren Kraftstoffverbrauch, höhere Leistung und bessere Steuerbarkeit. Dieselmotoren wurden bald zur Standardlösung für Anwendungen, die zuvor von Glühkopfmotoren dominiert wurden.

Auch wenn der Glühkopfmotor heute aus der industriellen Anwendung fast verschwunden ist, lebt das Prinzip im Modellbau weiter. Kleine Glühzündermotoren, die nach einem ähnlichen Prinzip der Selbstzündung arbeiten, werden in Modellflugzeugen, Automodellen und anderen Hobbygeräten eingesetzt. Diese Miniaturmotoren sind wegen ihrer Zuverlässigkeit und einfachen Handhabung bei Modellbauern sehr beliebt.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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