Elon Musk, Tesla und das Billionen-Paket: Wie tief ist die Krise wirklich?
Die Tesla-Hauptversammlung hat Elon Musk ein Vergütungspaket von einer Billion US-Dollar zugesagt. Eine unvorstellbare Summe und eine Aktion, die beispiellos in der Automobilindustrie ist. Doch während sich der umstrittene Chef feiern lässt, steckt Tesla in einer schweren Krise. Wie geht es weiter mit dem Unternehmen?
Elon Musk hat gut lachen, es winken ihm eine Billion Dollar. Doch Tesla steckt tief in der Krise. Wie existenzbedrohend ist sie?
Foto: picture alliance / Anadolu | Harun Ozalp
Die Aktionärinnen und Aktionäre von Tesla haben Elon Musk auf der Hauptversammlung am 6. November 2025 ein Vergütungspaket von einer Billion US-Dollar zugesagt – die größte Summe, die je einem Unternehmenschef in Aussicht gestellt wurde. Die Zahl allein erscheint schon surreal, in der US-Wirtschaftsgeschichte ist dies bisher noch nie vorgekommen.
Allerdings gibt es diese astronomische Summe für Musk nicht einfach so. Er erhält das volle Paket nur dann, wenn außergewöhnliche Zielvorgaben erfüllt werden: Tesla muss auf dem Weltmarkt eine Marktkapitalisierung von 8,5 Billionen US-Dollar erreichen, jährlich 20 Millionen Fahrzeuge ausliefern und eine Million Robotaxis sowie humanoide Roboter in den Betrieb bringen. Bereits jetzt hält Musk rund 13 % der Anteile an Tesla, durch das neue Paket könnte sein Einfluss auf knapp 25 % anwachsen.
Inhaltsverzeichnis
- Welche Ziele verfolgt Elon Musk mit diesem Plan?
- Musk und der Vergütungsplan: Nicht der erste Anlauf
- Unantastbar? Musk und seine Macht bei Tesla
- Milliardendeal bei Tesla als Krisenreaktion
- Musk ist Lösung und Problem zugleich
- Wettbewerbsdruck für Tesla steigt – besonders durch BYD
- Teslas Börsentrend im Zeichen der Krise
- Führungskrise bei Tesla
- Signal an die Mitarbeitenden
- Facelift für ein Phantom-Modell
- Wie geht es weiter mit Tesla?
Welche Ziele verfolgt Elon Musk mit diesem Plan?
Der Anlass für Musks neuen Vergütungsplan liegt im Streben nach einer dauerhaft dominanten Rolle bei Tesla. Musk betont, dass er Innovationen wie autonome Robotaxis und Robotik nur mit umfassendem Einfluss vorantreiben könne – und bindet seine Anwesenheit im Unternehmen eng an die Zustimmung zu diesem Paket. Immerhin sichert er sich damit für die nächsten zehn Jahre seine Position an der Unternehmensspitze.
Die Bedingungen sind bewusst extrem hoch angesetzt, auch um Musk langfristig für Tesla unverzichtbar zu machen und die Aktionärinnen und Aktionäre zu motivieren, ehrgeizige Ziele zu verfolgen. Die Unternehmensleitung warnte im Vorfeld, Musk könne Tesla verlassen, falls der Plan scheitern sollte.
Musk und der Vergütungsplan: Nicht der erste Anlauf
Schon einmal gab es einen außergewöhnlichen Plan für Musks Bezahlung. Der Aufsichtsrat von Tesla hatte ihn 2018 auf den Weg gebracht. Doch Realität wurde er nie. Denn ein Gericht in Delaware ließ dies nicht zu. Begründung: Es bestünden Zweifel an der Unabhängigkeit des Aufsichtsrates, der das Vergütungspaket ausgehandelt hatte. Jetzt ist dem umstrittenen Tesla-Chef doch noch ein Coup gelungen.
Unantastbar? Musk und seine Macht bei Tesla
Es geht also eigentlich eher um Macht als um Geld. Die Stimmrechte und seine Sichtbarkeit machen Musk für viele Beobachterinnen und Beobachter quasi unantastbar innerhalb des Unternehmens. Diskussionen über Alternativen werden selten ernsthaft geführt. Die These, dass Tesla ohne Musk kaum vorstellbar ist, stützen viele Analystinnen und Analysten.
Milliardendeal bei Tesla als Krisenreaktion
Das milliardenschwere Vergütungspaket muss auch im Kontext der aktuellen Situation bei Tesla bewertet werden. Das Unternehmen steht derzeit unter massivem Druck: Die Verkäufe sind erheblich eingebrochen, allein im Oktober meldete Tesla in Europa einen Rückgang um 90 % im Vergleich zum Vorjahr. In Schweden waren es 89 % weniger, in Dänemark 86 %, in Finnland 68 %, in Österreich 65 Prozent, in Norwegen 50 % und in den Niederlanden 48 %. Auch wenn es sich nicht genau aufschlüsseln lässt: Die Umsatzeinbrüche dürften auch mit der Person Elon Musk zusammenhängen.
Musk gilt nach wie vor als Identifikationsfigur, Ideengeber und Antreiber innerhalb des Konzerns. Dennoch steht seine Führungsrolle zunehmend in der Kritik.
Musk ist Lösung und Problem zugleich
Dabei geht es nicht um seine Führungsqualitäten bei Tesla, sondern um seine politische Agenda. Sein großes Engagement für Donald Trump während des US-Wahlkampfs, verbunden mit vielen umstrittenen Äußerungen und Entscheidungen in seiner Funktion als Berater der Regierung, haben zu viel Kritik an seiner Person geführt – und die ist so eng mit Tesla verbunden, dass viele Verbraucher und Verbraucherinnen die Autos nicht mehr wollten.
Kein Wunder also, dass er seine Machtposition absichern möchte. Ob das für den Konzern eine kluge Entscheidung ist, bleibt fraglich. Populär ist inzwischen der Aufkleber: „I bought it, before Musk went crazy.“
Wettbewerbsdruck für Tesla steigt – besonders durch BYD
Die Konkurrenz – allen voran der chinesische Hersteller BYD – wächst dagegen rapide. Während Tesla im dritten Quartal mit knapp 497.000 ausgelieferten Fahrzeugen einen Höchstwert markierte, sinken die Zahlen auf wichtigen Märkten wie China drastisch. Die Hauptversammlung diente deshalb wohl auch als Inszenierung eines Neuanfangs – ob das gelingt, bleibt jedoch offen.
Gerade im chinesischen Markt muss Tesla sich gegen dominante Mitbewerberinnen und Mitbewerber behaupten. BYD verkauft inzwischen weit mehr Elektroautos als Tesla: Im Oktober setzte BYD rund 376.000 Einheiten ab.
Tesla hingegen rutschte auf einen historischen Tiefstand – mit 26.000 verkauften Autos und nur noch knapp 2,6 Prozent Marktanteil. BYD wuchs zweistellig, Tesla verlor hingegen an Boden. Dies schlägt sich dementsprechend sowohl auf die Kursentwicklung als auch auf die Stimmung nieder.
Teslas Börsentrend im Zeichen der Krise
Der Aktienkurs spiegelt die Unsicherheit wider: Nachdem die Tesla-Aktie im September und Oktober zunächst mit Rekorden überraschte, ging es im November abwärts. Hatten die Meldungen im Vorfeld der Hauptversammlung am 6. November den Kurs noch beflügelt, sorgte das Ergebnis, also der Billionen-Dollar-Plan von Elon Musk, hingegen wieder für einen Sinkflug der Aktie.
Analystinnen und Analysten bewerten die Perspektiven – vor allem angesichts der Führungskrise – unterschiedlich. Zahlreiche Fachleute betrachten die Tesla-Aktie aktuell eher zurückhaltend, andere schätzen die Entwicklung durchaus positiv ein. Das liegt vermutlich auch daran, dass die Aktie von Tesla in den vergangenen 52 Wochen eine Rendite von 25,7 % erzielte und damit den Vergleichsindex um 11,9 % schlug.
Führungskrise bei Tesla
Das neue Vergütungspaket zeigt wieder einmal, dass Musk im Zentrum von Tesla steht. Für viele Mitarbeitende erzeugt dies Druck, aber auch Unsicherheit. In den vergangenen Monaten verließen zahlreiche Top-Managerinnen und -Manager das Unternehmen – unter ihnen Führungskräfte, die für das umsatzstärkste Model Y, den Cybertruck sowie zentrale Technik- und Produktionsbereiche verantwortlich waren.
Die hohe Fluktuation gilt als Ausdruck einer „Führungskrise“. Schließlich verließen Mitarbeitende aus nahezu allen zentralen Geschäftsbereichen das Unternehmen. Sowohl aus der Produktion und dem Vertrieb als auch aus den KI-Projekten, die Musk sehr ambitioniert verfolgt. Manche sehen das Milliardengehalt als Provokation, da in anderen Bereichen gleichzeitig gespart, umstrukturiert und Personal abgebaut wird. Interessant ist, dass die Führungskräfte, die Tesla verließen, häufig die Branche wechselten. Viele sind heute in Unternehmen tätig, die sich auf KI und Robotik spezialisiert haben.
Signal an die Mitarbeitenden
Da auch Managerinnen und Manager, die als Stabilitätsanker galten, dem Unternehmen den Rücken kehrten, werten Fachleute dies als schlechtes Signal. Häufig folgen auf solche Umbrüche, die durch den Abschied von Schlüsselpersonen ausgelöst werden, interne Unsicherheiten, Umstrukturierungen und größere Veränderungen.
Facelift für ein Phantom-Modell
Börsenfachleute und Branchenkenner bewerten die Lage gemischt: Einerseits setzen viele auf den Innovationsdrang und Musks Marktmacht. Andererseits werfen die Belegschaftsverluste und die Unsicherheit über den Ausbau der Modellpalette Fragen auf. Die Nachricht vom erneut verschobenen Elektro-Lastwagen, dem Tesla Semi, stößt auf Unverständnis. Expertinnen und Experten beschreiben Tesla deshalb inzwischen als „Ankündigungs-Weltmeister“: viele Versprechen, auf die die kaum Taten folgen.
Nun kann sich Tesla mit einem weiteren Novum in der Automobilbranche rühmen. Vor lauter Ankündigungen und Verzögerungen ist der Elektro-Lkw inzwischen schon überholt, noch bevor die Serienfertigung startet. Tesla hat ein Facelift angekündigt, obwohl das Fahrzeug noch nicht auf dem Markt erscheint. Das ist in der Branche absolut unüblich und zeugt von Planungsproblemen. Typischerweise werden Facelifts für Modelle vorgestellt, die sich bereits auf den Straßen bewährt haben.
Wie geht es weiter mit Tesla?
Und jetzt? Fachleute mahnen an, Tesla sei zu abhängig von Charisma und Entscheidungsmacht des CEO. Die Fluktuation im Führungsteam belastet die Innovationsbereitschaft ebenso wie die Entwicklung neuer Modelle. Tesla und Elon Musk setzen auf neues Wachstum – doch der Billionen-Deal scheint weniger eine Belohnung für Erfolge zu sein als der Versuch, für mehr Motivation und Stabilisierung zu sorgen. Ob dieses mutige Spiel aufgeht, wird sich zeigen.
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