Effizienz im Blick: Der Verbrenner unter dem Physik-Check
Verbrenner-Aus vom Tisch – doch die Physik bleibt: Wie Thermodynamik den Wirkungsgrad von Motoren begrenzt.
Hocheffiziente Verbrenner gelten als Hoffnungsträger. Doch die Physik setzt klare Grenzen. Eine Einordnung nach dem EU-Beschluss.
Foto: Smarterpix / RasulovS
| Das Wichtigste in Kürze |
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Am 16. Dezember hat die EU eine politische Weichenstellung beschlossen, die von vielen als faktische Abkehr vom bisherigen Verbrenner-Aus interpretiert wird. Juristisch bleibt das Ziel klimaneutraler Neuzulassungen bestehen, politisch jedoch öffnen sich neue Spielräume – etwa durch Technologieoffenheit, E-Fuels und Überprüfungsklauseln.
Damit ist Bewegung in eine Debatte gekommen, die viele bereits für abgeschlossen hielten. Physikalisch ändert sich dadurch nichts. Genau hier lohnt der nüchterne Blick auf das, was Verbrennungsmotoren leisten können – und wo ihre Grenzen liegen. Denn während in der Politik von „hocheffizienten Verbrennungsmotoren“ die Rede ist, bleibt oft unausgesprochen, wie eng dieser Spielraum tatsächlich ist.
Der Verbrennungsmotor scheitert nicht an mangelnder Ingenieurskunst. Im Gegenteil. Kaum ein technisches System wurde über mehr als ein Jahrhundert so konsequent optimiert. Seine Grenzen ergeben sich nicht aus fehlender Innovation, sondern aus den Naturgesetzen. Wer über seine Zukunft spricht, muss über Thermodynamik, Mechanik und systemische Verluste sprechen – nicht nur über Emissionswerte oder Zulassungsregeln.
Energieumwandlung unter festen Regeln
Im Kern ist der Verbrennungsmotor ein Energiewandler. Er setzt chemisch gebundene Energie aus dem Kraftstoff frei. Diese Energie erscheint zunächst als Wärme. Erst danach entsteht mechanische Arbeit, die das Fahrzeug antreibt. Dieser Umweg ist entscheidend. Er macht den Verbrennungsmotor zu einer Wärmekraftmaschine – und damit zu einem System mit zwangsläufigen Verlusten.
Der erste Hauptsatz der Thermodynamik sagt: Energie geht nicht verloren.
Der zweite Hauptsatz sagt: Jede Energieumwandlung erhöht die Entropie.
Vereinfacht heißt das: Ein Teil der Energie wird bei jeder Stufe unbrauchbar. Genau deshalb kann kein Verbrennungsmotor 100 % Wirkungsgrad erreichen. Nicht heute. Nicht morgen. Und auch nicht mit neuen Kraftstoffen. Diese Grenze gilt unabhängig vom Energieträger. Sie ist kein theoretisches Gedankenspiel, sondern prägt den realen Alltag der Motorentwicklung.
Kreisprozesse als Denkwerkzeuge
Um reale Motoren zu verstehen, arbeiten Ingenieurinnen und Ingenieur mit idealisierten Kreisprozessen. Sie beschreiben den Ablauf der Verbrennung in Druck-Volumen-Diagrammen (p-V-Diagrammen). Die eingeschlossene Fläche entspricht der mechanischen Arbeit, die der Motor liefert.
Diese Modelle sind bewusst vereinfacht. Reale Motoren verlieren Wärme, erzeugen Reibung und tauschen permanent Masse aus. Trotzdem sind die Kreisprozesse unverzichtbar. Sie zeigen, wo theoretische Obergrenzen liegen – und warum sich Effizienzsteigerungen nur noch mit immer größerem Aufwand erzielen lassen.
Der Carnot-Prozess: absolute, aber abstrakte Grenze
Der Carnot-Prozess definiert die maximale Effizienz jeder Wärmekraftmaschine. Sein Wirkungsgrad hängt ausschließlich von der Temperaturdifferenz zwischen Wärmequelle und Wärmesenke ab. Je heißer die Verbrennung und je kühler die Abgabe, desto höher das theoretische Maximum.
Typische Motorwerte:
- Verbrennungstemperatur: ca. 2.000–2.500 K
- Abgas- und Kühltemperatur: ca. 500–700 K
Daraus ergibt sich ein theoretisches Maximum von rund 65–70 %. Dieses Ideal ist jedoch nicht erreichbar, weil reale Motoren irreversibel arbeiten: Wärmeverluste über Abgas und Kühlung, Reibung im Kurbeltrieb, Nebenaggregate und emissionsbedingte Begrenzungen reduzieren den nutzbaren Anteil drastisch.
Im realen Fahrzeugbetrieb bleiben selbst unter optimalen Bedingungen 40–45 %. Alles darüber liegt bereits extrem nah an der physikalisch sinnvollen Grenze. Wichtig ist dabei: Der Carnot-Prozess ist keine Bauanleitung, sondern eine Obergrenze. Reale Motoren folgen anderen thermodynamischen Zyklen – mit nochmals niedrigeren Maxima.
Otto-, Diesel- und Seiliger-Prozess: reale Grenzen liegen tiefer
Der Ottoprozess beschreibt fremdgezündete Motoren mit idealisierter Verbrennung bei konstantem Volumen. Sein theoretischer Wirkungsgrad hängt vom Verdichtungsverhältnis ab. Selbst bei sehr hohen Verdichtungen bleibt er klar unter dem Carnot-Limit.
Der Dieselprozess erlaubt höhere Verdichtungen, weil die Selbstzündung erst nach der Verdichtung erfolgt. Die Verbrennung verläuft näherungsweise bei konstantem Druck. Das erklärt den Effizienzvorteil des Diesels – nicht „bessere Technik“, sondern Thermodynamik.
Reale Motoren liegen zwischen beiden Extremen. Der Seiliger-Prozess beschreibt diese Mischform. Mehrfacheinspritzungen, variable Ventilsteuerungen und präzise Regelstrategien formen den Druckverlauf im Zylinder. Die großen Effizienzsprünge liegen jedoch längst hinter der Industrie.
Wirkungsgrade realer Verbrennungsmotoren
Der thermische Wirkungsgrad beschreibt den Anteil der im Kraftstoff enthaltenen Energie, der an der Kurbelwelle ankommt:
- Ottomotoren: 25–30 %, Spitzenwerte bis etwa 36–38 %
- Atkinson/Miller-Konzepte: lokal bis rund 40 %
- Pkw-Diesel: 35–40 %, Bestwerte 42–45 %
- Große stationäre Dieselmotoren: bis etwa 50 %
- Formel-1-Antriebe: über 50 % als Systemwirkungsgrad inklusive Abwärmenutzung
Vergleich: Warum Elektromotoren grundsätzlich effizienter sind
Elektromotoren sind keine Wärmekraftmaschinen. Sie wandeln elektrische Energie direkt in mechanische Arbeit um und unterliegen daher nicht dem Carnot-Limit.
- Elektromotor + Inverter: 90–95 %
- Batterie-zu-Rad (inkl. Elektronik und Getriebe): 70–80 %
Der entscheidende Punkt: Systemvergleich
Ein fairer Vergleich stellt nicht Motor gegen Motor, sondern Energiekette gegen Energiekette:
- Verbrenner (Rohöl → Rad): etwa 20–25 %
- E-Auto (Primärstrom → Rad, EU-Mix): etwa 35–45 %
Der Effizienzvorteil des E-Antriebs ist systemisch bedingt. Er lässt sich nicht durch bessere Verbrennung „wegoptimieren“.
Warum 90 % Wirkungsgrad kein fairer Vergleich sind
Elektromotoren erreichen oft über 90 % Wirkungsgrad. Verbrennungsmotoren liegen meist deutlich darunter. Der direkte Vergleich ist jedoch nur begrenzt sinnvoll.
- Verbrennungsmotoren sind Wärmekraftmaschinen. Sie wandeln chemische Energie zuerst in Wärme um. Dabei entstehen zwangsläufig Verluste – der zweite Hauptsatz der Thermodynamik setzt eine feste Grenze.
- Elektromotoren wandeln elektrische Energie direkt in mechanische Arbeit um. Sie umgehen den Wärmekreislauf und unterliegen daher nicht dem Carnot-Limit.
Fair ist der Systemvergleich („Quelle → Rad“):
| Kette | Typischer Gesamtwirkungsgrad |
|---|---|
| Verbrenner (Rohöl → Rad) | ca. 20–25 % |
| E-Auto (Primärstrom → Rad) | ca. 35–45 % |
Fazit: Der Effizienzvorteil des Elektroantriebs ist physikalisch bedingt. Selbst stark optimierte Verbrennungsmotoren können diesen systemischen Nachteil nicht ausgleichen.
Was mit „hocheffizienten Verbrennern“ gemeint ist
Wenn Politik von hocheffizienten Verbrennungsmotoren spricht, meint sie reale Fortschritte: höhere Verdichtung, Turboaufladung, variable Ventilsteuerung, Hybridisierung. Das ist technisch korrekt. Was oft fehlt, ist die Einordnung: Jeder zusätzliche Prozentpunkt Wirkungsgrad erfordert überproportionalen Aufwand. Hybridisierung verschiebt Systemeffekte, nicht die thermodynamische Grenze des Motors. Der Verbrennungsmotor ist heute kein Entwicklungsproblem mehr, sondern ein Grenzfall der Physik. Und diese Grenze ist bereits nahezu erreicht.
FAQ – Häufige Fragen zum Wirkungsgrad von Verbrennungsmotoren
Warum kann ein Verbrennungsmotor niemals 100 % Wirkungsgrad erreichen?
Weil er Wärme erzeugen muss. Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik erzwingt, dass ein Teil der Energie als Abwärme verloren geht. Diese Grenze ist fundamental und nicht technisch überwindbar.
Was begrenzt den Wirkungsgrad konkret?
Die Temperaturdifferenz zwischen Verbrennung und Abkühlung. Je geringer diese Differenz, desto niedriger der maximal mögliche Wirkungsgrad. Materialgrenzen, Kühlung und Emissionsanforderungen verschärfen diese Grenze zusätzlich.
Erreichen moderne Motoren das Carnot-Limit?
Nein. Der Carnot-Prozess ist ein ideales, reversibles Gedankenmodell. Reale Motoren folgen Otto-, Diesel- oder Mischprozessen mit niedrigeren theoretischen Maxima und zusätzlichen irreversiblen Verlusten.
Wie effizient sind heutige Pkw-Motoren wirklich?
Ottomotoren liegen im Alltag bei etwa 25–35 %, Dieselmotoren bei 35–40 %. Kurzzeitig sind unter Idealbedingungen bis etwa 45 % möglich. Darüber hinaus steigt der Aufwand unverhältnismäßig.
Warum sind Dieselmotoren effizienter als Ottomotoren?
Wegen höherer Verdichtungsverhältnisse und eines günstigeren thermodynamischen Prozesses. Der Vorteil ist physikalisch bedingt, nicht primär eine Frage besserer Konstruktion.
Was bedeutet „hocheffizienter Verbrennungsmotor“ technisch?
Gemeint sind optimierte Motoren mit Turboaufladung, variabler Ventilsteuerung, hoher Verdichtung und oft Hybridunterstützung. Diese Maßnahmen bringen reale Verbesserungen, verschieben die physikalische Grenze aber nur geringfügig.
Gibt es noch großes Effizienzpotenzial beim Verbrenner?
Nein. Die großen Effizienzsprünge liegen hinter der Industrie. Weitere Gewinne sind nur noch inkrementell und mit hohem technischen Aufwand erreichbar.
Warum sind Elektroautos physikalisch überlegen?
Elektromotoren wandeln elektrische Energie direkt in mechanische Arbeit um. Sie sind keine Wärmekraftmaschinen und unterliegen daher nicht dem Carnot-Limit. Das ermöglicht deutlich höhere Systemwirkungsgrade.
Kann ein anderer Kraftstoff die Grenzen aushebeln?
Nein. E-Fuels oder synthetische Kraftstoffe ändern nichts am thermodynamischen Prinzip des Motors. Sie können Emissionen beeinflussen, nicht aber den Wirkungsgrad grundlegend steigern.
Wo entscheidet sich die Zukunft des Antriebs?
Im Gesamtsystem aus Energieträger, Umwandlung und Fahrzeugkonzept. Der Motor allein ist nicht der Engpass – die Physik setzt ihm eine klare, nicht verhandelbare Grenze.
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