Autozulieferer ZF: Schafft der neue Chef die Trendwende?
Der Zulieferer ZF fällt seit einiger Zeit mit negativen Schlagzeilen auf: Produktionsrückgänge, Milliardenverluste, Stellenabbau. Die Krise der deutschen Autoindustrie trifft auch den Traditionskonzern hart. Ein neues Management soll es richten.
Autozulieferer ZF in der Krise: Milliardenverluste, Stellenabbau, Unsicherheit. Kann der neue Chef Mathias Miedreich die Wende schaffen?
Foto: picture alliance/dpa/Felix Kästle
Inhaltsverzeichnis
- Wie entstand die Krise beim Autozulieferer ZF?
- Welche Auswirkungen hat die generelle Krise der Automobilindustrie auf ZF?
- ZF ächzt unter steigender Schuldenlast durch Expansion
- Stellenabbau und rote Zahlen bestimmen bei ZF die Agenda
- ZF setzt seine Hoffnung auf Umstrukturierung
- So blickt der Autozulieferer ZF in die Zukunft
Vor wenigen Jahren befand sich ZF noch auf Expansionskurs – heute ist der Druck enorm: Der Standort Friedrichshafen ist von massiven Veränderungen betroffen. Die Autokrise und die stark gestiegenen Kosten treiben den Konzern in die Defensive. Die dpa meldete in dieser Woche: Es gebe ausreichend Baustellen für den neuen Chef Mathias Miedreich. Der Autozulieferer vom Bodensee stehe seit rund zwei Jahren vor gravierenden Problemen. Die lägen auch begründet in der allgemeinen Autokrise sowie den hohen Kosten. Die rund 50.700 Mitarbeitenden machen sich Sorgen um ihre Arbeitsplätze.
An diesem wichtigen Wendepunkt übernimmt also Mathias Miedreich den Chefposten von Holger Klein. „Zurück in die wirtschaftliche Erfolgsspur kommen wir nur, wenn wir es schaffen, die Herausforderungen unserer Industrie zu meistern und unsere Beschäftigten wieder stolz auf die Industrie-Ikone ZF zu machen, die seit 110 Jahren besteht“, erklärt Miedreich zum Amtsantritt. Doch was genau hat die Probleme bei ZF eigentlich verursacht?

Neuer ZF-Chef: Mathias Miedreich,
Foto: ZF Friedrichshafen AG
Wie entstand die Krise beim Autozulieferer ZF?
Die Krise bei ZF hat sich in den vergangenen Jahren drastisch zugespitzt. Seit 2018 ist die Produktion von Automobilen und leichten Nutzfahrzeugen um 30 Prozent zurückgegangen – die Folgen sind ausbleibende Aufträge, hohe Restrukturierungskosten und Milliardenverluste. Besonders die Antriebssparte, intern „Division E“ genannt, gilt in Teilen als nicht wettbewerbsfähig und leidet unter dem Wandel hin zur Elektromobilität. Denn das Getriebegeschäft war eine der starken Säulen von ZF. Dieser Wegfall trifft das Unternehmen deshalb besonders hart. Schließlich galt der Zulieferer über Jahrzehnte als Spezialist für komplexe Automatik- und Doppelkupplungsgetriebe.
Genau diese Bauteile macht die Elektromobilität überflüssig. Noch im Sommer hatte der ehemalige Vorstandsvorsitzende Holger Klein gesagt: „ZF befindet sich im umfassendsten Umbau seiner Geschichte. Wir richten das Unternehmen konsequent an Ertragsstärke, Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit aus.“ Schließlich muss der Zulieferer einer Situation begegnen, in der ehemals technologische Vorreiterschaft schlicht zum Auslaufmodell wird.

Eine Mitarbeiterin von der ZF Friedrichshafen AG arbeitet an der Montagelinie des Nutzfahrzeuggetriebes PowerLine. Bewegt wird das Getriebe von einem autonomen fahrerlosen Transportfahrzeug (AGV).
Foto: picture alliance/dpa/Felix Kästle
Aber auch der Rückgang weiterer wichtiger Kerngeschäfte neben dem Automatik- und Schaltgetriebe, wie Fahrwerkskomponenten, Bremsen und Sicherheitstechnik trifft ZF. Die Unsicherheit auf dem Weltmarkt und die sinkende Nachfrage nach traditionellen Getrieben führen zu geringen Margen in der Produktion. Das Unternehmen selbst gab im Sommer folgende Gründe für die Probleme an:
- global stagnierende Fahrzeugproduktion
- schleppender Hochlauf der Elektromobilität
- Unsicherheit durch die US-Zollpolitik.
Daraus resultierten automatisch geringere Umsätze und steigende Kosten.
Welche Auswirkungen hat die generelle Krise der Automobilindustrie auf ZF?
Autozulieferer sind in der Regel Spezialisten. Das bedeutet: Ihre Produktvielfalt ist eher gering, dafür bieten sie Qualität in einer Tiefe, die global in der Regel ihres gleichen sucht. Das gilt auch für ZF. Der Automobilzulieferer vom Bodensee ist der zweitgrößte in der Branche. Und: Er ist besonders abhängig von den Großkunden Volkswagen, BMW und Stellantis. Bedeutet im Umkehrschluss: Wenn diese Hersteller krisenbedingt weniger produzieren, sinken auch bei ZF die Bestellungen, Umsätze und Gewinne. Die Konkurrenz aus China und den USA – insbesondere durch Anbieter wie Tesla und BYD – verstärkt den wirtschaftlichen Druck, denn die Elektromobilität wächst global, auch wenn der Hochlauf schleppend bleibt.
Wesentlich für die Krise von ZF sind die steigenden Investitionskosten für neue Technologien und die Notwendigkeit, sich an die veränderten Anforderungen der Autohersteller anzupassen. Weitreichende Umstrukturierungen im Unternehmen sind unvermeidlich, um langfristig konkurrenzfähig und rentabel zu bleiben. Noch im vergangenen Jahr allerdings meldete ZF, die Zukunftspläne zu überdenken und teilweise zu korrigieren. Fachleute aus dem Branchenumfeld beschreiben die Situation so: Vor Jahren lautete der Trend, sich möglichst breit aufzustellen und in Zukunftstechnologien zu investieren. Denn nur so könne man bei Trends und Innovationen vorn dabei sein. Die Zuliefererbranche scheint seit 2024 eher zu schrumpfen – und ein Ende ist nicht in Sicht.
ZF ächzt unter steigender Schuldenlast durch Expansion
Der Automobilzulieferer ZF hatte sich in der Vergangenheit auf Expansionskurs gewagt: Die Unternehmenszukäufe wie TRW und Wabco belegen dies. Der Preis dafür: Rund 12,4 Milliarden US-Dollar für TRW im Jahr 2015 und noch einmal sieben Milliarden US-Dollar für den führenden Lastwagen-Bremsenhersteller Wabco. Das belastet nicht nur die Liquidität, sondern verringert das Kapital für Investitionen in Zukunftsbereiche wie Elektromobilität und Digitalisierung. Die Finanzierungskosten sind nach dem Ende der Niedrigzinsphase spürbar gestiegen. Damit fehlt Geld für Innovationen und die notwendige Transformation des Konzerns, sodass das Defizit auch nachhaltige Investitionen ausbremst.
Stellenabbau und rote Zahlen bestimmen bei ZF die Agenda
Im ersten Halbjahr 2025 meldete ZF einen Umsatz von 19,7 Milliarden Euro. 2024 waren es im gleichen Zeitraum noch 22 Milliarden Euro. Für das zweite Halbjahr 2025 muss mit einem weiteren Minus gerechnet werden. Bis 2028 sollen in Deutschland insgesamt bis zu 14.000 Stellen abgebaut werden – ein massiver Einschnitt für den Konzern und die Belegschaft. Seit Anfang 2024 sind bereits 5.700 Arbeitsplätze weggefallen, teilweise wurden die Arbeitszeiten vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reduziert. Auch nach 2028 bleibt die Situation unsicher. Die Restrukturierung zieht sich voraussichtlich über das Jahrzehnt, während die Pläne zur Sicherung der Arbeitsplätze davon abhängen, ob ZF seine wirtschaftlichen Probleme tatsächlich lösen kann.
Der massive Stellenabbau und die geplanten Einschnitte führen zu erheblichem Unmut. Am Protesttag im Juli gingen über 10.000 Beschäftigte auf die Straße und forderten den Stopp radikaler Umbaumaßnahmen. Die IG Metall kritisiert besonders die geplante Ausgliederung der Antriebssparte. Dies sei das Herz von ZF. Auch der Gesamtbetriebsrat verlangt einen grundlegenden Kurswechsel: Bisherige Sanierungsversuche seien nicht erfolgreich gewesen, und die Beschäftigten hätten zunehmend Existenzängste. Diese Stimmung beeinträchtigt die Arbeitsbereitschaft und das Betriebsklima, denn viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nicht bereit, Mehrarbeit zu leisten.
ZF setzt seine Hoffnung auf Umstrukturierung
Mathias Miedreich übernimmt das Unternehmen in schwierigen Zeiten. Seine Aufgabe: Das Traditionsunternehmen wieder in die Erfolgsspur lenken. Damit dies gelingt, haben sich Management und Mitarbeitende gemeinsam auf Sparmaßnahmen geeinigt. Die wichtigste Nachricht ist sicherlich, dass die Antriebssparte „Division Elektrifizierte Antriebstechnologien“ nicht mehr ausgegliedert wird, sondern aus eigener Kraft saniert werden soll. Das bedeutet, Einschnitte für die Beschäftigten in Form von weniger Arbeitszeit und eine verschobene Lohnerhöhung auf 2026. Das trifft wohl vor allem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der „Division E“ an den Standorten in Schweinfurt und Friedrichshafen im Bereich Verwaltung, Forschung und Entwicklung.
Der umfassende Maßnahmenplan, der auf gezielte Investitionen und Restrukturierungen setzt, sei nach Ansicht des Managements entscheidend für die Zukunft. Der neue ZF-Vorstand Mathias Miedreich hat die neue Strategie gemeinsam mit Betriebsrat und der Gewerkschaft IG Metall auf den Weg gebracht. Mit dieser Einigung allein beschreite er nach eigener Ansicht neue Wege in der Industrie und wolle einen Meilenstein für ZF erreichen.
So blickt der Autozulieferer ZF in die Zukunft
Herzstücke der künftigen Strategie sind Modularität, Skalierbarkeit und die Softwareintegration in allen Produktgruppen. ZF setzt auf innovative, magnetfreie Motorentechnologie und digitale Plattformen, um die Herausforderungen der Elektromobilität und Automatisierung zu bewältigen. Mit einem strikten Sparkurs und gezielten Investitionen sollen die erfolgreichen Bereiche ausgebaut, unrentable Segmente restrukturiert oder mit Partnern weiterentwickelt werden. Das soll auch das Beispiel der „Division E“ zeigen. Diese bleibe integraler Bestandteil von ZF, man könne sich aber vorstellen, sie in Zusammenarbeit mit Partnern für die Zukunft besser aufzustellen.
Die Zukunft von ZF entscheidet sich in den kommenden Jahren – entweder gelingt mit neuen Technologien und internationaler Kooperation der Turnaround zur Branchen-Ikone, oder ZF droht weiter an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Der Wandel bleibt eine Gratwanderung, die Beschäftigte und Führung gleichermaßen fordert. Mathias Miedreich ist als erfahrener Restrukturierer bekannt. Ob sein Kurswechsel – Umbau ja, Ausverkauf nein – den notwendigen Erfolg nach sich ziehen wird, muss sich zeigen.
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