Warum Deutschlands Klimawende zu scheitern droht
Deutschland wird seine Klimaziele für 2045 voraussichtlich verfehlen, zeigt eine neue Studie der Universität Hamburg. Eine Negativspirale aus politischer Verschleppung und gesellschaftlichem Gegenwind gefährde die Transformation – doch Klimaklagen könnten helfen, wieder mehr Druck zu erzeugen.
Die deutsche Klimabewegung verliert an Momentum.
Foto: picture alliance / Anadolu | Halil Sagirkaya
Kurz vor ihrem Ende formulierte die große Koalition unter Angela Merkel ein ambitioniertes Ziel: Bis 2045 solle Deutschland klimaneutral sein. Seit dem Mai 2021 sind nur rund vier Jahre vergangen – doch das Ziel ist kaum mehr erreichbar.
Zu diesem Ergebnis kommt der neue „Klimawende Ausblick“ des Exzellenzclusters „Climate, Climatic Change, and Society“ (CLICCS) der Universität Hamburg. Die von der Stiftung Mercator geförderte Studie bewertet sieben „gesellschaftliche Schlüsselprozesse“, die für eine vollständige Klimaneutralität bis 2045 wichtig wären. Das Fazit: In den meisten Bereichen fehlt die notwendige Dynamik.
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Fünf Prozesse reichen nicht
Das Forschungsteam untersuchte auf Grundlage von Recherchen, Interviews und Medienanalysen folgende „Schlüsselprozesse“:
- nationale Klimapolitik
- globale Klimapolitik
- kommunaler Klimaschutz
- Unternehmenshandeln
- Konsummuster
- Klimabewegungen
- Klimaklagen.
Das Ergebnis: Fünf dieser Prozesse wirken überwiegend oder teilweise auf die geplante Klimaneutralität im Jahre 2045 hin – doch das reicht nicht. Von den zwei übrigen Prozesse bleibe vor allem das Unternehmenshandeln ambivalent, während die Konsummuster der Deutschen das Klimaziel sogar aktiv verhinderten.
Abwärtsspirale für den Klimaschutz
„Eine zentrale Ursache sind Blockade- und Eskalationsspiralen, die sich selbst verstärken“, erklärt Studienautor Stefan Aykut, Inhaber einer Mercator Stiftungsprofessur am Exzellenzcluster. Je länger die Gesellschaft notwendige Klimaschutzmaßnahmen verschleppe, desto teurer werde die spätere CO2-Verminderung. Dadurch schwindet jedoch die Zustimmung in der Bevölkerung – insbesondere wenn es so scheint, als würden Kosten ungerecht verteilt.
Die Folge: Klimapolitische Maßnahmen stoßen auf Ablehnung und verzögern sich weiter – was die Kosten zusätzlich in die Höhe treibt.
Das Gebäudeenergiegesetz (GEG): Ein Lehrstück gescheiterter Kommunikation
Die Forscher analysieren in ihrer Studie mehrere Beispiele für diese Dynamik, darunter die Debatte um das Gebäudeenergiegesetz.
Die Relevanz des Sektors für den Klimaschutz liegt auf der Hand: Der Bau und Betrieb von Gebäuden verursachen erhebliche Emissionen. Und diese sind in Deutschland und Europa bislang kaum zurückgegangen. Ab 2027 müssen daher auch im Gebäudesektor CO2-Zertifikate erworben werden – was die Emissionen europaweit verteuert. Robert Habecks Wirtschafts- und Klimaschutzministerium wollte Deutschland mit dem sogenannten Heizungsgesetz darauf vorbereiten, glauben die Studienautoren – auch, um einen abrupten Kostenanstieg beim Heizen zu vermeiden.
Doch die hitzige öffentliche Debatte im Jahr 2023 bewirkte das genaue Gegenteil. Klimaschädliche Öl- und Gasheizungen wurden in der Folge verstärkt nachgefragt, während der Absatz potenziell emissionsärmerer Wärmepumpen stark zurückging. „Jetzt ist der Unmut über eine eigentlich sinnvolle Maßnahme vorprogrammiert, wenn Heizen ab 2027 teurer wird“, so Studienautor Aykut. Aus seiner Sicht gilt es nun, den erwartbaren Schaden zu begrenzen – etwa durch einen finanziellen Ausgleich für einkommensschwache Haushalte.
Kommunen: Unterfinanzierte Hoffnungsträger
Positiv bewertet die Studie das Engagement der Kommunen. Verwaltungen und Initiativen auf lokaler Ebene hätten Strukturen aufgebaut, die langfristig wirken und anti-ökologischen Stimmungen in der Bevölkerung zumindest zeitweise widerstehen können.
Die Wissenschaftler empfehlen, diese Ressource weiter auszubauen und die finanziell klammen Kommunen zu unterstützen. Auch gesellschaftliche Initiativen, die den Klimaschutz vorantreiben, sollten rechtlich und politisch gestärkt werden.
Erste Klimaklagen-Datenbank für Deutschland
Parallel zur Studie hat das Team die nach eigenen Angaben erste umfassende und frei verfügbare Datenbank für Klimaklagen in Deutschland erstellt. Derzeit sind dort 175 Verfahren gegen Verwaltungen, Landesregierungen oder Unternehmen dokumentiert.
„Klimaklagen sind ein wirksames Mittel für mehr Klimaschutz“, erklärt Aykut. Werden sie positiv beschieden, hätten sie langfristig Signalwirkung und lieferten Argumente für ähnliche Verfahren. In Deutschland habe die Zahl der Klimaklagen in den vergangenen Jahren ebenso zugenommen wie der Anteil positiver Entscheide.
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