Wenn die Eiszeit zurückkehrt 03.10.2025, 20:04 Uhr

Gefahr aus dem Eis: 40.000 Jahre alte Mikroben erwachen

Seit 40.000 Jahren eingefroren, jetzt erwacht: Mikroben im Permafrost könnten das Klima stärker beeinflussen, als wir bisher dachten.

Der Permafrost-Tunnel des U.S. Army Corps of Engineers in der Nähe von Fairbanks, Alaska

Der Permafrost-Tunnel des U.S. Army Corps of Engineers in der Nähe von Fairbanks, Alaska. Hier sind die Mikroben zum Leben erwacht.

Foto: Tristan Caro

Tief unter unseren Füßen, im gefrorenen Boden Alaskas, schlummern winzige Lebewesen seit Jahrtausenden – länger, als es die Pyramiden gibt. Eingeschlossen zwischen Eis, Erde und Knochen längst ausgestorbener Mammuts haben sie einfach gewartet. 40.000 Jahre lang. Und jetzt sind einige von ihnen wieder erwacht. Mit möglichen Folgen für unser Klima.

Permafrost – ein riesiger Tiefkühlschrank

Der sogenannte Permafrost bedeckt rund ein Viertel der Landfläche der Nordhalbkugel. Er ist wie ein gigantischer Tiefkühlschrank, gefüllt mit gefrorenem Boden, Eis, Pflanzenresten, Tierknochen – und unzähligen Mikroben. Normalerweise bleiben sie dort eingefroren. Doch der Klimawandel bringt dieses Archiv der Natur ins Wanken.

„Das sind keineswegs tote Proben“, sagt Tristan Caro von der University of Colorado Boulder. „Sie können immer noch Leben beherbergen, das organisches Material zersetzt und dabei Kohlendioxid freisetzt.“ Mit anderen Worten: Wenn das Eis schmilzt, erwachen die Mikroben – und heizen das Klima noch weiter an.

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Expedition ins Eis

Um das genauer zu untersuchen, wagten sich Caro und sein Team in einen besonderen Tunnel in Zentralalaska. Er wurde vom U.S. Army Corps of Engineers angelegt und führt mehr als hundert Meter tief in den gefrorenen Untergrund. Die Szenerie wirkt wie aus einem Abenteuerfilm: ein dunkler Stollen, Knochen von Mammuts und Bisons ragen aus den Wänden.

Und dann ist da dieser Geruch. „Es riecht wie ein muffiger Keller, der seit Ewigkeiten nicht gelüftet wurde“, erzählt Caro. Für Mikrobiolog*innen ist das kein Makel, sondern ein Hinweis – dieser Geruch stammt oft von Mikroben, die noch aktiv sind.

Ein Experiment mit schwerem Wasser

Zurück im Labor setzten die Forschenden ihre Proben besonderen Bedingungen aus. Sie gaben Wasser hinzu und stellten die Temperatur auf 4 bis 12 °C – vergleichbar mit einem milden Sommer in Alaska. Für die Mikroben, die ewiges Eis gewohnt sind, ist das schon eine kleine Hitzewelle.

Und sie hatten noch einen Trick im Gepäck: Statt normalem Wasser nahmen sie sogenanntes schweres Wasser, das ein schwereres Wasserstoff-Isotop enthält. So konnten sie genau verfolgen, wie die Mikroben das Wasser aufnehmen und es in ihre Zellhüllen einbauen.

Vom Nickerchen zum Biofilm

Anfangs passierte – nichts. Die Mikroben blieben träge, als würden sie sich erst einmal recken und strecken. Nur eine winzige Minderheit zeigte Aktivität. Zum Vergleich: Unter Laborbedingungen verdoppeln sich viele Bakterien in wenigen Stunden.

Doch nach einem halben Jahr veränderte sich alles: Plötzlich bildeten sich Kolonien, manche sogar so dicht, dass man sie mit bloßem Auge sehen konnte. Einige entwickelten klebrige Schichten, sogenannte Biofilme. Gefährlich für Menschen sind sie nicht, betonen die Forschenden. Trotzdem liefen alle Tests unter strengen Sicherheitsvorkehrungen.

Was der Klimawandel damit zu tun hat

Die Ergebnisse sind mehr als eine spannende Anekdote aus der Mikrobiologie. Sie zeigen, was passiert, wenn der Permafrost taut. Mit jedem warmen Sommer erwachen mehr Mikroben, und sie beginnen, die organischen Vorräte im Boden zu zersetzen. Das Problem: Dabei entstehen Treibhausgase wie Kohlendioxid und Methan – genau die Stoffe, die den Klimawandel weiter antreiben.

„Das ist eine der größten Unbekannten beim Blick auf die Zukunft des Klimas“, sagt Mitautor Sebastian Kopf. Denn niemand weiß bislang genau, wie stark dieser Effekt sein wird.

Geduldige Mikroben, lange Sommer

Ein Detail der Studie ist besonders wichtig: Die Mikroben springen nicht sofort an, sobald es taut. Sie brauchen Monate, um richtig aktiv zu werden. Das bedeutet: Nicht einzelne heiße Tage sind das Problem, sondern die Dauer der warmen Phase.

„In Alaska mag es mal einen Ausreißer-Tag mit 30 Grad geben“, so Caro. „Aber entscheidend ist, wenn die Sommer länger werden und die Wärme bis in den Herbst reicht.“ Genau das aber passiert durch den Klimawandel.

Noch viele offene Fragen

Natürlich bleibt unklar, ob sich die Ergebnisse aus Alaska auf andere Regionen übertragen lassen. Permafrost gibt es auch in Kanada, Sibirien oder Skandinavien – überall liegen gigantische Mengen Kohlenstoff verborgen. Wie die Mikroben dort reagieren, weiß man noch nicht.

Caro fasst es so zusammen: „Wir haben nur einen winzigen Ausschnitt untersucht.“

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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