COP30: „China hat klar vorgelegt – und das von höchster Ebene“
Heute startet die Weltklimakonferenz COP30 in Belèm, Brasilien. Die Rolle Chinas wird wachsen, wie uns Niklas Höhne, Gründer und Chef des Thinktanks New Climate Institute, im Interview erklärt.
Niklas Höhne, Gründer und Chef des Thinktanks New Climate Institute, spricht im Interview mit VDI nachrichten über die Rolle Chinas bei der Weltklimakonferenz COP30, die heute in Belèm, Brasilien, beginnt.
Foto: picture alliance/dpa/Marius Becker
VDI nachrichten: Herr Prof. Höhne, wie schätzen Sie die Rolle Chinas nach dem Rückzug der USA bei der COP30 ein? Die USA entsenden ja auch keine Vertretung mehr nach Belèm.
Prof. Niklas Höhne: Die USA haben sich aus dem Klimaschutz zurückgezogen, und das bedeutet, dass da eine Lücke ist, und die muss gefüllt werden. Es gibt eigentlich nur zwei Kandidaten, die dafür geeignet sind, dies zu tun: Der eine wäre die EU, der andere China. Die EU war sehr spät dran mit den Klimaschutzzielen. Da hat China klar vorgelegt und schon Klimaschutzziele eingereicht – und das auch von höchster Ebene. Staatschef Xi Jinping hat das persönlich verkündet.
Klimaschutz ist auch im neuen Fünfjahresplan Chinas vertreten. Und China hat ein klares wirtschaftliches Interesse, weil es alles bereitstellt, was für Klimaschutz nötig ist. Insofern gehe ich schon davon aus, dass China eine wichtige Rolle bei den Klimaverhandlungen spielen wird, eine noch wichtigere, als es bisher schon gespielt hat.
Sie bewerten das jetzt positiv für den Klimaschutz?
Ich bewerte das positiv für Chinas Führungsrolle. Wenn man schaut, wer wann was bei den Klimaschutzzielen, den NDCs, vorlegt, da war China deutlich früher dran als die EU. Aber es hätte deutlich ambitionierter ausfallen können, was China vorgelegt hat. Zum ersten Mal sagt China, dass die Emissionen reduziert werden sollen, also nicht weiter ansteigen sollen. Das ist gut. Aber die Prozentzahl, da kann man sich drüber streiten. Das hätte mehr sein können.
Wir gehen davon aus, dass China dieses Ziel locker erreichen wird und wahrscheinlich deutlich übererfüllen wird. So bleibt sich China im Prinzip treu. Die Regierung hat in der Vergangenheit schon immer Dinge vorgelegt, von denen sie 100 % sicher war, dass sie sie erfüllen wird. Und so ist es dieses Mal auch.
Woran entscheidet sich denn für Sie jetzt ein Erfolg der COP30? Und welche Rolle kann China dabei spielen?
Für mich sind die Erwartungen an die COP30 relativ gering. Dies deshalb, weil die Weltlage sehr schwierig ist mit den Kriegen, mit dem Ruck nach rechts und auch mit Trumps Ausstieg aus dem Klimaschutz. Deswegen wäre ich einigermaßen zufrieden, wenn die anderen Länder auf der COP30 ein klares Signal senden, dass sie für regelbasierte Zusammenarbeit stehen, für den Multilateralismus, und dass man sich gegenseitig unterstützt. Dann wäre hier ein wichtiger Kontrapunkt gegen die Trump-Administration gesetzt. Da ist China eben ganz wichtig.
China hat sich in der Vergangenheit immer als Entwicklungsland tituliert, hat aber bei der letzten Weltklimakonferenz Schritte in Richtung der Industrieländer gemacht. Zum Beispiel war ein ganz wichtiger Punkt: Wer trägt zur internationalen Klimafinanzierung bei? Wer hilft den vom Klimawandel betroffenen Ländern? Nach der chinesischen Lesart sollten es nur die etablierten Industrieländer sein.
Und bei der letzten Konferenz, der COP29, hat China aber Zugeständnisse gemacht und gesagt: „Ja, wir unterstützen auch andere Länder, wir gehen auch darauf ein, freiwillig und ohne Verpflichtung.“ Das hat China etwas anders formuliert, aber immerhin hat es einen Schritt in die richtige Richtung getan. Und das ist ja in Richtung Kooperation, also dass die Staaten sich gegenseitig helfen, die Transformation hinzubekommen. Und da hoffe ich, dass bei dieser Konferenz ähnliche Signale von China kommen.
Sie glauben, dass China bei der COP30 Weiteres liefert?
Das wäre meine Hoffnung. Auf der Basis von dem, was bei der letzten Konferenz passiert ist, ist das nicht unwahrscheinlich. Aber ob das passiert ist, wissen wir natürlich nicht.
China investiert systematisch in grüne Technologien für den Klimaschutz. Wie bewerten Sie das im Hinblick darauf, die Ziele des Pariser Klimaabkommens irgendwann zu erreichen?
Es gibt unterschiedliche Ziele im Pariser Klimaschutzabkommen. Das eine ist, dass man Netto-Null-Emissionen erreichen will. Im Abkommen steht nicht genau darin, wann. Irgendwann mit der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Das ist sicherlich machbar. Darauf haben sich Länder eingestellt.
Das andere Ziel ist, dass man den Klimawandel weit unter 2 °C in Richtung 1,5 °C halten will. Das mit den 1,5 °C wird in der Tat schwierig. Da haben wir schon seit über fünf Jahren drauf hingewiesen, dass, wenn man nicht bis 2030 etwas ändert, es sehr schwierig wird. Und dann wird auch im langjährigen Mittel die Temperaturschwelle von 1,5 °C in den frühen 2030er-Jahren überschritten werden. Dann ist die Herausforderung, dieses Überschreiten so kurz und so wenig wie möglich zu halten. Das wiederum bekommt man nur hin, indem man die Emissionen auf null reduziert. Dann steigt die Temperatur nicht mehr.
Wenn wir die Temperatur wieder senken wollten, dann müsste man massiv CO2 aus der Atmosphäre entfernen. Das ist auch möglich, aber das noch hinzubekommen, ist eine riesige Anstrengung. Für jedes Zehntelgrad müsste so viel CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden, wie derzeit global in vier Jahren emittiert wird. Das ist alles möglich, aber es braucht wirklich sehr viel politischen Willen.
Dafür reicht dann aber die neue Selbstverpflichtungserklärung (NDC) Chinas auch nicht aus?
Bisher reicht kein einziges NDC aus, um das zu erreichen. Einige Staaten reduzieren zu Hause genug Emissionen, aber setzen sich dann nicht ein, andere bei der Transformation zu unterstützen. China hat bisher nur gesagt, wie weit es bis 2035 geht, es hat Klimaneutralität bis 2060 formuliert. Aber um wirklich „1,5 °C“-kompatibel zu sein, muss man auch in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts massiv CO2 aus der Atmosphäre entfernen. Dazu hat sich bisher noch kein einziges Land bekannt. Da steht China nicht allein da.
Was bedeutet die Fokussierung Chinas auf Klimaschutztechnologien für die klimapolitische wie auch die industrielle Führungsrolle Europas?
Grundsätzlich hat die Europäische Union ein wirklich sehr umfassendes Klimaschutzpaket abgestimmt, auch deutlich schärfer noch als das von China. Aber gerade bei der Industriepolitik gibt es ein Hin und Her. Und genau das ist schwierig, denn Investitionen passieren dann, wenn man klare Rahmenbedingungen hat, eine klare Richtung.
Derzeit geht in der EU die Diskussion eher um ein Verlangsamen beim Klimaschutz. Klar, Wettbewerbsfähigkeit ist extrem wichtig. Aber die Antwort kann nicht sein, jetzt auf die Bremse zu treten. Denn dann würden die belohnt, die am fossilen Geschäftsmodell festhalten wollen. Bestraft würden die Vorreiter. Die Antwort muss doch sein, jetzt geplant und planbar Klimaschutz auszubauen und mit den Erträgen, zum Beispiel aus dem Emissionshandel, die industrielle Transformation zu unterstützen. Das wäre ideal. Dann haben wir das Klima geschützt und die Wirtschaft für die Zukunft vorbereitet.
Was wir letzte Woche bei der EU-Umweltministerkonferenz in Brüssel gesehen haben mit der Entscheidung der EU für die Klimaschutzziele 2035 und 2040, ist das Gegenteil. Auf die Bremse treten, weniger Klimaschutz. Das macht im Prinzip die Industrie noch weniger wettbewerbsfähig, wenn man sich anschaut, was die Zukunft ist. Und die Zukunft sind neue Technologien ohne Treibhausgasemissionen, neue Geschäftsmodelle und weg vom fossilen Geschäft.
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