Auf der Suche nach CCS-Endlagern 22.07.2025, 16:05 Uhr

Bayern wird Testpilot für CCS in Deutschland

Bayern hat einen Aktionsplan für die Speicherung und Nutzung von CO2 vorgelegt, kurz CCS/CCU. Damit wird Bayern Vorreiter in Deutschland.

Alkmaar, Nordholland, die Niederlande, 5. November 2024: CO2-Reinigungsprojekt Anlage.

Luftansicht einer CO2-Auffanganlage im niederländischen Alkmaar, ein Beispiel für CCU/CCS-Technologien. Die Nutzung und Speicherug von CO2 will bis 2027 auch Bayern mit einem neuen Aktionsplan im Freistaat etablieren.

Foto: picture alliance / Zoonar/Hugo Kurk

Bayern will deutschlandweit vorangehen beim Thema CCU/CCS, dem Abtrennen und Nutzen oder Speichern von CO2. Denn der Freistaat will für seine eigene Industrie Planungssicherheit schaffen, was die Möglichkeiten der Dekarbonisierung angeht. Dazu gehört, dass CCU/CCS-Technologien verfügbar sind, die Behörden mit dem Thema umgehen können und die nötige Infrastruktur steht.

„Viele Unternehmen im Freistaat leisten derzeit durch Umstellung auf Erneuerbare Energien oder die Nutzung von Wasserstoff einen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele“, sagte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. „Aber in einigen Sektoren sind die CO2-Emissionen prozessbedingt“. Gemeint sind vor allem die bayerische Kalk-, Zement-, Mineralölindustrie und die Abfallwirtschaft mit Emissionen in Höhe von jährlich zwischen 7 Mio. t CO2 und etwa 10 Mio. t CO2.

Bayern will CO2 aus CCS im Freistaat endlagern

Am 15. Juli stellte Aiwangers den „Aktionsplan CCU/CCS zum Carbon Management in Bayern“ vor: 24 Seiten, 20 Maßnahmen, bis Ende 2027 soll alles gewuppt sein (s. Kasten). Der Wirtschaftsminister setzt seit geraumer Zeit auf heimischen Wasserstoff und jetzt konsequenterweise auf CCS. Es kommen auch andere Endlagerdebatten in Erinnerung: Kein Endlager für nukleare Abfälle ist quasi so etwas wie bayerische Staatsräson. Bei CO2 aber will Bayern offenbar vorlegen.

Was Bayern für CCU und CCS plant

24 Seiten zählt der „Aktionsplan CCU/CCS zum Carbon Management in Bayern“. Er enthält 20 Maßnahmen. Bayern betont: Alle Maßnahmen sollen spätestens bis Ende 2027 umgesetzt sein. Dann wird evaluiert und gegebenenfalls angepasst. Wir haben die fünf wichtigsten Aspekte des Plans für Sie herausgearbeitet.

1. Infrastrukturaufbau für CO₂-Transport und -Speicherung:
Bayern will das geologische Speicherpotenzial für CO₂ im Freistaat evaluieren. Dazu setzt Bayern eine eigene Studie auf, die sowohl die Speicherpotenziale wie Kosten und Anforderungen für das notwendige Pipelinenetz untersucht (Maßnahme M1).

2. Effizientere und schnellere Genehmigungsverfahren:
Ein „Runder Tisch“ aus Behörden und Expert*innen soll die Prozesse für Genehmigungen bei Abscheideanlagen, Pipelinebau und Speicherstätten untersuchen. Ziel ist es, schnell und einfach zu genehmigen (Maßnahme M2).

3. Netzwerkbildung und zentraler Wissenstransfer:
Es wird eine zentrale Geschäftsstelle CCU/CCS geben. Sie bündelt Know-how, Monitoring von Förderprogrammen sowie Öffentlichkeitsarbeit und Wissensvermittlung (Maßnahme M3). Bayern will permanente Expert*innenkreise und eine Vernetzung mit Bundes- und internationalen Initiativen schaffen (Maßnahmen M5, M7).

4. Förderung technologischer Entwicklung und gezielte Förderstrategie:
Bayern prüft, wo es Lücken bei der Förderung für Forschung, Entwicklung und Investitionen gibt. Ziel ist ein eigener CCU/CCS-Förderleitfaden (Maßnahme M8). Auf EU-Ebene soll ein IPCEI-Projekt (Important Project of Common European Interest) für europaweite Technologiekooperationen entstehen (Maßnahme M9).

5. Aufklärung und Dialog mit der Öffentlichkeit:
Es soll eine Informationskampagne geben. Bayern will Dialogforen aufbauen – vor allem für den Fall, dass CO₂-Speicherstätten im Freistaat entwickelt werden sollen (Maßnahmen M13, M14).

Das München konkret nach CO2-Endlagerstätten sucht, ist der eigentlich Hingucker. So weit ist kein weiteres deutsches Bundesland. Die meisten Projekte drehen sich um Industrieanbindungen und Pipelines. Die Bundesregierung in Berlin hat zwar einen Gesetzesentwurf angekündigt, aber noch liegt nichts vor. Die Speicherung galt bisher unter Experten als umstritten und war lange Zeit verboten.

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Freie Wähler warnten früher vor Gefahren durch CO2-Speicherung

Bayerns CCS-Vorstoß ist bemerkenswert. Denn Hubert Aiwangers Partei, die Freien Wähler in Bayern, hatten 2011 ganz heftig gegrantelt. Eine Pressemitteilung sprach von „erheblichen Gefahren der CCS-Technologie zur unterirdischen CO2-Verpressung“. Weil „CO2 aus dem Untergrund entweichen und Menschen an der Erdoberfläche daran qualvoll ersticken können“, begründete damals Hans Jürgen Fahn, umweltpolitischer Sprecher der Freie-Wähler-Landtagsfraktion.

Die Bedenken hat Aiwanger offenbar hinter sich gelassen. Auch wenn Greenpeace das weiterhin für keine gute Idee hält: „Bis jetzt ist nicht nachgewiesen, wie eine dauerhafte, sichere Lagerung großer Mengen von Kohlenstoffdioxid im Untergrund gelingen kann. Bayern ist keine Deponie für vermeidbare Industrieabfälle“, so Saskia Reinbeck, Sprecherin für Klimaschutz, von Greenpeace.

Der Freistaat Bayern macht von allen Bundesländer den umfassendsten Ansatz für CCS

Bayern legte mit seinem Aktionsplan einen systematisch gegliederten Maßnahmenkatalog vor, mit dezidierten Handlungsfeldern und klarer Evaluationsschleife zum Jahr 2027. Das Industrieland Nordrhein-Westfalen hat bereits seit 2021 eine eigene Carbon-Management-Strategie mit Schwerpunkten auf Infrastruktur, rechtlichem Rahmen und Zusammenarbeit mit dem Bund aufgelegt. Der Unterschied zu Bayern liegt vor allem darin, dass es kaum geologisch geeignete potenzielle Endlagerstätten in NRW gibt.

Der NRW-Fokus auf der Planung von CO2-Infrastruktur liegt daher vor allem auf Pipeline, um das im Land anfallende CO2 sicher außerhalb des Landestransportieren und dort endlagern zu können. Ein Beispiel ist der „Delta Rhine Corridor“, der die Industriereviere an den Hafen von Rotterdam mit seiner geplanten Wasserstoff- und CCS-Infrastruktur anbinden soll.

Niedersachsen und Schleswig-Holstein nehmen eine abwartende Haltung, fördern aber punktuell, wenn es zum Bespiel um Offshore-Speicherung geht und Forschungsprojekten. Auch Baden-Württemberg hat Pilotprojekte und Studien zu CCU/CCS aufgelegt in Form punktueller Industriekooperationen.

CCS-Plan aus Bayern lässt fossil betriebene Kraftwerke außen vor

Aiwanger legte mit der Kombination aus Infrastruktur, Verfahrensfragen und Etablierung einer öffentlicher Debatte ein umfassendes Paket auf den Tisch, bevor die Bundesregierung ein Rahmengesetz vorlegt. Die Botschaft ist klar: Berlin muss im Referentenentwurf seiner Carbon Management Strategie, dem Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG), die im Sommer erwartet wird, München die nötigen Freiheiten lassen.

Dabei könnte die längst in Kraft sei. Im Februar 2024 legte die Ampel ihre Carbon Management Strategie vor. Diese Version des KSpG aber kam nicht mehr zum Zuge. Eines der Projekte, die durch den Bundestagswahlkampf hintenüber fielen – und jetzt von der neuen Bundesregierung zur Wiedervorlage kommen.

Ein wesentlicher Unterschied: Jetzt sollen auch fossil befeuerte Kraftwerke der Energiewirtschaft profitieren, so viel ist bekannt. Fachleute plädierten schon im Juni dafür, dass das keine gute Idee sei. CCS sollte für die Branchen reserviert sein, die anders ihre Treibhausgasemissionen nicht oder wirtschaftlich nicht zumutbar senken können. Von der Energiewirtschaft ist auch in Bayerns Aktionsplan nicht groß die Rede. Lediglich ein Verweis auf eine ausstehende Studie zu Potenzialen von CCU/CCS in Müllheizkraftwerken findet sich.

Mit Material von dpa

Ein Beitrag von:

  • Stephan W. Eder

    Stephan W. Eder

    Stephan W. Eder ist Technik- und Wissenschaftsjournalist mit den Schwerpunkten Energie, Klima und Quantentechnologien. Grundlage hierfür ist sein Studium als Physiker und eine anschließende Fortbildung zum Umweltjournalisten.

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