Zeitkristalle bilden sich dort, wo niemand es erwartet
Ein rätselhaftes Quantenphänomen taucht genau dort auf, wo niemand damit gerechnet hätte.
Unerwartete Mechanismen: Wie Korrelationen Zeitkristalle stabilisieren.
Foto: TU Wien
Die Natur liebt Rhythmen: Jahreszeiten entstehen, weil die Erde um die Sonne kreist, und das Ticken einer Uhr hängt vom Pendel ab. Meistens kommen solche Rhythmen also von außen – durch etwas, das immer wieder Energie liefert.
Aber Rhythmen können auch ganz von selbst entstehen, ohne externen Taktgeber. Wenn viele Teilchen miteinander interagieren, kann aus dem scheinbaren Chaos ein regelmäßiger Takt entstehen – ein sogenannter „Zeitkristall“.
Aus Chaos wird Rhythmus
Neue Berechnungen der TU Wien zeigen, dass Zeitkristalle auf viel ungewöhnliche Weise entstehen können, als man dachte. Sogar die quantenphysikalischen Verbindungen zwischen den Teilchen, die man früher für störend hielt, können die Kristalle stabil machen.
Wenn eine Flüssigkeit gefriert, passiert etwas Spannendes: Die Teilchen, die vorher wild durcheinanderwirbelten, ordnen sich plötzlich zu einem Kristall. Plötzlich stehen sie an festen, regelmäßigen Plätzen – aus Chaos wird Struktur. Eine Flüssigkeit sieht überall gleich aus und ist vollkommen symmetrisch. Ein Kristall hingegen bricht diese Symmetrie: Es gibt plötzlich eine Richtung oder ein Muster, das sich von allem anderen unterscheidet.
Und so haben sich Forschende wohl gefragt: Kann so etwas nicht auch in der Zeit passieren? Kann ein Quantensystem zuerst völlig ungeordnet sein, bei dem jeder Moment dem anderen gleicht – und sich dann trotzdem ein regelmäßiger „Takt“ ausbilden?
Zeitkristalle trotz Zufallsfluktuationen
„Diese Frage wird in der Quantenforschung seit über zehn Jahren intensiv untersucht“, wird Felix Russo vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien in einer Pressemitteilung zitiert. Er forscht im Team von Prof. Thomas Pohl an seiner Doktorarbeit. Tatsächlich gibt es Zeitkristalle – Systeme, die ihren eigenen Rhythmus entwickeln, ganz ohne äußeren Takt.
„Allerdings dachte man, dass das nur in ganz bestimmten Systemen möglich ist, etwa in Quantengasen, deren Physik gut durch Mittelwerte beschrieben werden kann, ohne dass man die in der Quantenphysik unvermeidlichen Zufallsfluktuationen berücksichtigen muss“, sagte Felix Russo. „Wir haben nun gezeigt: Gerade die quantenphysikalischen Korrelationen zwischen den Teilchen, von denen man bisher dachte, dass sie das Entstehen von Zeitkristallen verhindern, können Zeitkristalle hervorbringen.“
Die komplexen Quanten-Wechselwirkungen der Teilchen führen zu einem gemeinsamen Verhalten, das sich nicht aus den einzelnen Teilchen erklären lässt, genaus so, wie Rauch von einer erloschenen Kerze manchmal zu regelmäßigen Wirbeln tanzt, ohne dass jemand den Rhythmus vorgibt.
Felix Russo sagte, dass sie ein zweidimensionales Gitter aus Teilchen untersuchen, die von Laserstrahlen festgehalten werden. Dabei habe sich gezeigt, dass das Gitter plötzlich zu schwingen beginne – alles durch die Quanten-Wechselwirkungen zwischen den Teilchen.
Die Forschung gebe außerdem die Chance, Quanten-Vielteilchensysteme besser zu verstehen und könnte den Weg zu neuen Quantentechnologien oder besonders präzisen Messmethoden in der Quantenwelt ebnen.
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