Stringtheorie steckt im Sumpf fest: Neuer Ansatz wagt den Ausbruch
Die Stringtheorie steckt fest. Ein neuer Ansatz mit variabler Spannung könnte den Weg aus dem theoretischen Sumpf weisen.

Die Stringtheorie soll dabei helfen, eine alles verbindende Weltformel zu finden. Sie steckt jedoch in einer Sackgasse, ein neuer Ansatz könnte sie da rausholen.
Foto: PantherMedia / agsandrew (YAYMicro)
Seit Jahrzehnten gilt die Stringtheorie als vielversprechender Kandidat für die sogenannte Weltformel – also eine Theorie, die alle Naturkräfte einschließlich der Gravitation vereint. Statt punktförmiger Teilchen beschreibt sie die fundamentalen Bausteine des Universums als winzige, schwingende Fäden aus Energie – sogenannte Strings. Aus ihren Schwingungen entstehen laut Theorie alle bekannten Teilchen und Kräfte.
Doch ein zentrales Problem lässt sich nicht ignorieren: Die Theorie produziert nicht nur ein mögliches Universum, sondern schätzungsweise 10⁵⁰⁰ Varianten. Diese „Landschaft“ möglicher Universen ist so groß, dass sie kaum noch überprüfbare Vorhersagen erlaubt. Noch schwerwiegender: Ein Großteil dieser Lösungen scheint mit der realen Welt unvereinbar zu sein. Physikerinnen und Physiker sprechen in diesem Zusammenhang vom „Swampland“ – einem theoretischen Sumpf aus Modellen, die mathematisch korrekt sind, sich aber nicht mit der beobachtbaren Kosmologie vertragen.
Inhaltsverzeichnis
Das Swampland – ein theoretischer Irrweg?
Der Begriff „Swampland“ bezeichnet einen kritischen Bereich im Parameterraum der Stringtheorie. Gemeint sind scheinbar gültige Quantenfeldtheorien, die jedoch keine gültige Gravitationstheorie zulassen. Solche Modelle verstoßen etwa gegen Prinzipien, die in der Quantengravitation gelten müssten – wie das sogenannte de-Sitter-Vakuum, das unser expandierendes Universum beschreiben soll.
Das Problem: Viele herkömmliche Stringtheorien erfüllen diese Swampland-Kriterien nicht. Sie versagen dabei, zentrale kosmologische Phänomene wie die Inflation des frühen Universums oder die heutige dunkle Energie korrekt zu beschreiben.
„Die Swampland-Einschränkungen machen die Kosmologie für den praktischen Kosmologen unmöglich oder fast unmöglich, da das reale Universum fest im Sumpf der herkömmlichen Stringtheorie zu stecken scheint“, erklärt Eduardo Guendelman, Physiker am Foundational Questions Institute (FQxI).
Dynamische Spannung als Ausweg?
Einen möglichen Ausweg aus diesem Dilemma bietet ein alternativer Ansatz: die Theorie der „dynamischen Stringspannung“. Bisher galt die Spannung der Strings als festgelegter, unveränderlicher Parameter. Guendelman jedoch schlägt vor, diese Spannung nicht mehr von außen vorzugeben, sondern sie als Folge der internen Dynamik der Strings zu begreifen.
Dabei greift er auf die sogenannte „Modified Measure Theory“ zurück. In diesem mathematischen Rahmen wird das Maß der Weltfläche – also der Fläche, auf der sich ein String durch Raum und Zeit bewegt – nicht klassisch bestimmt, sondern durch zusätzliche Felder erzeugt. Daraus ergibt sich die Spannung der Strings als Integrationskonstante.
Der entscheidende Vorteil: Die Spannung wird zu einer dynamischen Größe. Sie kann sich entlang eines Strings ändern, von String zu String unterschiedlich sein und mit anderen Strings interagieren.
Neue Freiheiten – neue Kosmologien
Diese neue Herangehensweise eröffnet faszinierende physikalische Möglichkeiten. Zum Beispiel könnten einzelne Strings unterschiedliche Spannungen besitzen – und diese sogar im Lauf der Zeit ändern. Auch Interaktionen zwischen Strings mit unterschiedlichen Spannungen wären möglich. Dadurch ergeben sich neue physikalische Effekte, die in der klassischen Stringtheorie nicht vorkommen.
Guendelman zeigt in konkreten Modellen, dass solche dynamischen Spannungen zu Universen führen könnten, die sich zunächst zusammenziehen („kontrahieren“), bevor sie in einer Art „kosmischem Bouncing“ erneut expandieren. Solche Modelle vermeiden Singularitäten – also die unphysikalischen Unendlichkeiten klassischer Urknallmodelle.
Ein weiteres Beispiel ist die sogenannte Branewelt-Kosmologie. In dieser Theorie bewegen sich Strings durch ein höherdimensionales Universum, wobei Spannungswände zwischen Bereichen mit unterschiedlicher Spannung entstehen. Solche Wände könnten erklären, warum wir nur vier Raumzeit-Dimensionen wahrnehmen.
Swampland-Einschränkungen verlieren an Bedeutung
Der vielleicht wichtigste Punkt: In der Theorie mit dynamischer Spannung werden die Swampland-Einschränkungen abgeschwächt. Der Grund liegt in der Verbindung zwischen Spannung und Planck-Skala – der fundamentalen Skala der Gravitation. Wenn die Spannung lokal gegen unendlich geht, wächst auch die Planck-Skala. Damit verschwinden physikalische Begrenzungen, etwa auf das Verhalten von Feldern oder die Form von Potentialen.
„In dem Bereich, in dem die dynamische Spannung und damit auch die Planck-Skala sehr groß wird, werden die Einschränkungen irrelevant oder sehr schwach“, so Guendelman.
Realitätsnahe Physik statt theoretischem Sumpf?
Kritikerinnen und Kritiker werfen der Stringtheorie vor, sich zu weit von überprüfbarer Physik entfernt zu haben. Die Modelle mit dynamischer Spannung könnten hier Abhilfe schaffen. Sie eröffnen neue Wege, Inflation, dunkle Energie und andere Beobachtungen konsistent in die Stringtheorie zu integrieren.
Ob sich diese Ideen durchsetzen, ist offen. Doch sie zeigen, dass die Stringtheorie noch nicht am Ende ist – sondern möglicherweise vor einem Neustart steht.
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