Antimaterie-Qubit eröffnet neuen Weg für Quantencomputer
Ein Antiprotonen-Qubit wurde erstmals fast eine Minute lang isoliert und manipuliert. Ein Meilenstein für die Physik und das Quantencomputing.
Barbara Maria Latacz, Wissenschaftlerin am CERN bei der Justierung der Fallenelektronik, um Antiprotonen fangen und manipulieren zu können.
Foto: CERN
Am europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf ist nach Angabe der beteiligten Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) ein bedeutender Durchbruch in der Antimaterieforschung gelungen. Die Studie markiert die weltweit erste Realisierung eines Quantenbits (Qubits) aus Antimaterie, also ein Antimaterie-Qubit.
Die PTB in Braunschweig ist Mitglied der sogenannten BASE-Kollaboration zur Erfoschung der Antimaterie. Erstmals konnte ein BASE-Team ein einzelnes Antiproton fast eine Minute lang (50 s) kontrolliert zwischen zwei Spin-Quantenzuständen hin- und herpendeln lassen. Doch was bedeutet das für die Entwicklung von Quantencomputern?
Die BASE-Kollaboration beschäftigt sich nur mit der Erforschung von Antimaterie.
Der Name steht für „Baryon Antibaryon Symmetry Experiment“.
Gegründet 2012 mit Sitz am Antimatter Factory (AMF) des europäischen Kernforschungszentrums CERN in Genf, Schweiz.
Ziel ist es vor allem, das Geheimnis der Materie-Antimaterie-Asymmetrie auf den Grund zu gehen.
Quantenbits: Die Bausteine der Quantencomputer
Qubits sind die grundlegenden Bausteine von Quantencomputern. Die PTB-Die Arbeitsgruppe von Prof. Christian Ospelkaus, die an den Arbeiten der BASE-Kollaboration beteiligt ist, entwickelt Quantencomputer basierend auf gespeicherten Ionen. Mit diesen Methoden ließen sich weitere Verbesserungen der Messgenauigkeit an Protonen und Antiprotonen erzielen, indem Rechenoperationen von Quantencomputern auf die „Antiprotonen-Qubits“ angewendet würden, so das PTB in einer Mitteilung.
„Durch solche ‚Quantengatter‘ könnte das Antiproton über ein gespeichertes Ion manipuliert werden und der Quantenzustand des Antiprotons auf ein gespeichertes Ion übertragen werden“, so Ospelkaus. Die PTB nutzt diese Methode auch für Atomuhren und für extrem präzise Spektroskopie an Molekül-Ionen und hochgeladenen Ionen.
Antimaterie-Qubits: Eine neue Ära der Quantencomputertechnologie
Antiprotonen besitzen dieselbe Masse wie Protonen, sind aber nicht positiv, sondern negativ elektrisch geladen. Beide Teilchen verhalten sich wie winzige Stabmagnete: Ihr sogenannter Spin zeigt – vergleichbar mit einer Kompassnadel – in eine von zwei Richtungen. Jeder Spin hat einen sogenannten magnetischen Moment. Diesen präzise zu Messen, zählt zu den zentralen Werkzeugen der modernen Quantenmesstechnik.
Jetzt hat das BASE-Team den Spin des Antiprotons nicht nur gemessen, sondern den Spin manipuliert. Das könnte die Tür zu einer neuen Ära der Quantencomputertechnologie öffnen. Denn es verspricht, dass es möglich ist, ein stabiles Antimaterie-Qubit zu erzeugen.
Antimaterie-Qubits könnten neue Möglichkeiten für die Quanteninformationsverarbeitung eröffnen. Vielleicht ließen sich auch leistungsfähigere Quantencomputer entwickeln. Wenn sich Teilchen und Antiteilchen nicht gleich verhalten, könnte das neue Ansätze für die Quantencomputertechnologie eröffnen.
- Andere physikalische Eigenschaften: Antimaterie könnte in extremen Fällen weniger anfällig für Störungen aus der Umgebung sein, weil sie mit ihrer Umwelt anders wechselwirkt als normale Materie. So könnten Quanteninformationen länger gespeichert bleiben.
- Neue Quantenkonzepte: Antimaterie erlaubt es, Theorien zu prüfen, die für normale Materie nicht zugänglich sind.
- Neue Quantenlogik-Operationen: Die Wechselwirkung von Teilchen und Antiteilchen (z.B. ihre gegenseitige Vernichtung, die sogenannte „Annihilation“) könnte als eine ganz spezielle „Verarbeitungsart“ oder ein „Gatter“ im Quantencomputer genutzt werden.
- Erweiterter Quanten-Zustandsraum: Denkmodelle wie das des Antiqubits machen theoretisch den Zugang zu „negativen“ Quanten-Zuständen auf. Das erweitert die Logik und Verarbeitungskapazität von Quantencomputern auf eine neue Ebene.
Wie gelang diese lange Manipulation eines Antiprotons?
Das BASE-Team verbesserte den bestehenden Testaufbau. So gelang die erste kohärente Spektroskopie eines Antiprotonspins und erstmals ein stabiles Antimaterie-Qubit. Der nächste Schritt ist bereits geplant: Mit dem neu entwickelten BASE-STEP-System sollen Antiprotonen künftig in transportablen Präzisionsfallen in besonders präparierte Präzisionslabore gebracht werden. Dort könnten deutlich längere Dauern für den Zustand der Spinkohärenz möglich sein. Das wiederum führt zu einer genaueren Messung.
Ein altes Problem rückt in Reichweite
Hintergrund der Messungen war der Test der sogenannten CPT-Symmetrie (Ladung, Parität, Zeitumkehr): Sie fordert, dass sich Materie und Antimaterie – abgesehen von ihren entgegengesetzten Ladungen – exakt gleich verhalten. Sie sollten also im Universum auch gleich häufig auftreten. Tatsächlich aber zeigt die Welt eine erhebliche Asymmetrie: Sie besteht fast völlig aus Materie. Dies ist ein bis heute ungelöstes Rätsel der modernen Physik.
Die Beobachtung von Unterschieden im Verhalten von Materie und Antimaterie erfüllt eine der Voraussetzungen, die der sowjetische Physiker Andrej Sacharow 1967 aufstellte, um zu erklären, warum nach dem Urknall mehr Materie als Antimaterie übrigblieb. Das Phänomen ist bekannt als Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie oder „CP-Verletzung“. Diese Beobachtung könnte also auch helfen, dieses Rätsel zu lösen.
Ein Beitrag von: