Weltraumteleskop Mauve soll die zweite Erde finden
Mehr als 6000 Exoplaneten haben Astronomen bislang entdeckt. Aber nach wie vor ist unklar, wie viele von ihnen theoretisch bewohnbar sind. Ein neues Weltraumteleskop soll Gewissheit bringen.
Der Mauve-Satellit in der Fertigung.
Foto: C3S LLC/SEOPS
Bei der Suche nach exosolaren Planeten – Himmelskörpern, die andere Sterne umkreisen als die Sonne – gilt prinzipiell: je mehr, desto besser. Denn mit jedem neu entdeckten Exoplaneten schwindet der Alleinstellungsanspruch der Erde im All. Gleichzeitig steigt mit jeder dieser Welten die Wahrscheinlichkeit, dass der blaue Planet nicht der einzige bewohnte im Kosmos ist.
Das Dumme ist nur: So schön große Zahlen auch klingen und so sehr sie Euphorie unter Astronomen auslösen – nur die wenigsten Exoplaneten konnten bislang optisch eingefangen werden. Forscher haben sie fast alle indirekt nachgewiesen. Sie kennen ihre Größen, ihre Massen, die Abstände zu ihren Sternen und ihre Umlaufgeschwindigkeiten, aber all das reicht noch immer nicht aus, um einen Planeten für habitabel zu erklären, für möglicherweise bewohnbar also.
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Wo das Leben keine Chance hat
Künftig soll das neue Weltraumteleskop Mauve die Spreu vom Weizen trennen und all die Planeten aussieben, auf denen sich die Suche nach Leben nicht lohnt. Womöglich werden das die meisten sein. Auf ihnen erstickt ihr Heimatstern durch seine magnetische Strahlung und durch Eruptionen auf seiner Oberfläche jeglichen Ansatz von Leben im Keim.
Auch die Sonne schießt solche Flares ins All, die mitunter auch die Erde erreichen und beispielsweise zum Ausfall technischer Geräte führen. Ohne das irdische Magnetfeld wäre auf der Erde ebenfalls kein Leben möglich, so wie auf all jenen Exoplaneten, die über keine solche Magnetosphäre verfügen.
Exoplaneten leuchten rosa, lila, violett
Mauve soll beobachten, welche der mehr als 6000 bisher bekannten Exoplaneten von solchen Eruptionen getroffen werden und welche nicht, wo also Leben hätte entstehen können, derzeit entstehen kann – und welche Planeten wir getrost vergessen können.
Benannt ist das Fernrohr nach der Blume Malve, die auf Französisch „Mauve“ heißt. Sie ziert ein blasser violetter Farbton, der – je nach Lichteinfall – mal rosa und mal lila wirkt. Neben optischen Beobachtungen soll Mauve passenderweise auch im Wellenlängenbereich des ultravioletten Lichts seine Messungen anstellen.
Mauve blickt auf die Sterne, nicht auf die Planeten
Ein Ingenieurteam der Firma Blue Skies Space Ltd. (BSSL) aus London hat das weniger als 20 kg leichte Weltraumteleskop in den vergangenen drei Jahren ziemlich zügig entwickelt. Sein 13-cm-Spiegel soll möglicherweise interessante exosolare Planeten ins Visier nehmen.
Es ist aber kein Planetenjäger, wird nicht neue Exoplaneten aufspüren, sondern wird dorthin blicken, wo bereits Exoplaneten innerhalb der Milchstraße nachgewiesen wurden. Denn Mauve soll nicht die Planeten selbst, sondern ihre Muttersterne ins Visier nehmen, und zwar wiederholt und über längere Zeiträume. So soll eine längerfristige Statistik über die Häufigkeit sogenannter Flares – Eruptionen auf der Oberfläche des Sterns – und ihrer Stärke entstehen, aber auch darüber, wie sehr sie sich im Laufe der Zeit verändern.
Daten im Privatbesitz
Aus diesen Daten werden Astronomen ablesen können, wie sehr solche Ausbrüche möglicherweise vorhandene Atmosphären von Exoplaneten im entsprechenden Sternsystem schlicht hinwegfegen. Und ohne Atmosphäre sinken die Chancen eines Planeten, als habitabel eingestuft und näher untersucht zu werden, auf so gut wie null, da die Flares auf ihnen nur eine sterilisierte und lebensfeindliche Oberfläche zurücklassen.
Zwar hat Mauve finanzielle Unterstützung aus dem mit fast 1 Mrd. € prall gefüllten Fördertopf des Horizon-Europe-Programms der Europäischen Union erhalten. Dennoch bleibt dies eine private Weltraummission. Das heißt: Die Ergebnisse der Beobachtungen werden nicht der Öffentlichkeit gehören, die durch das Teleskop gewonnenen Daten also nicht Wissenschaftlern und Universitäten kostenlos zur Verfügung gestellt – wie bei anderen öffentlich finanzierten Weltraumteleskopen wie Hubble und James Webb üblich.
Stattdessen wird das Know-how aus dem All Einzelpersonen, Forschungsinstitutionen und Firmen über jährliche Mitgliedschaften angeboten. Astronomen, die sich bereits vor dem Start von Mauve für eine Teilhaberschaft entschieden hatten, werden bevorzugt behandelt, sobald die ersten Beobachtungsergebnisse auf der Erde eintreffen. Mindestens drei Jahre lang sollen die Informationen aus den Tiefen des Alls sprudeln.
Abgesehen von den EU-Geldern hat BSSL die Entwicklung seines Teleskops größtenteils vorfinanziert. Erst im vergangenen Jahr bekam das Unternehmen eine Finanzspritze von mehr als 2 Mio. € unter anderem von den japanischen Firmen Toyota und Mitsubishi, die dazu 2020 eigens den Space Frontiers Fund gegründet hatten.
Huckepack mit Falcon 9
Bei Mauve handelt es sich um ein internationales Projekt: An dem Himmelsfernrohr arbeiten – außer den Briten – auch Ingenieure und Astronomen der Boston University, des National Astronomical Observatory of Japan, der Rice University im texanischen Houston, der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee, der National University of Ireland in Maynooth und der Western University im kanadischen Ontario mit.
Auf seinen Bestimmungsort in der Erdumlaufbahn soll Mauve mit einer Falcon 9 von SpaceX gelangen, die das Weltraumteleskop im November als Teil der Mission Transporter-15 vom US-Raketenbahnhof Vandenberg in Kalifornien aus ins All schießen soll. Dies wird die bislang größte Sammellieferung von Elon Musks Weltraumfirma werden: Mit einem einzigen Start soll die Rakete 59 Satelliten von insgesamt 30 verschiedenen Kunden auf Erdorbits platzieren. Im Laufe des kommenden Jahres dürften die ersten Daten von Mauve vorliegen – und dann wird sich bei den Tausenden von Exoplaneten die Spreu vom Weizen trennen.
Lesen Sie dazu auf vdi-nachrichten.com: Wie wir nach Exoplaneten suchen – und was wir gefunden haben
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