Plan B: Nuklear gegen Asteroiden 29.09.2025, 12:00 Uhr

NASA: Warum ein Asteroid die Nuklear-Debatte befeuert

Ein Asteroid mit rund 60 Metern Durchmesser, eine kleine, aber reale Chance auf einen Mondtreffer Ende 2032 – und die ernsthafte Frage, ob zur Sicherheit eine Nuklearexplosion im All vorbereitet werden soll.

Raumfahrtsonde die auf einen Asteroiden zusteuert.

Asteroid 2024 YR4 zwingt Politik und Raumfahrtagenturen zur Überprüfung der Nuklearoption zur Planetenabwehr.

Foto: picture alliance /ZUMAPRESS.com/Nasa

Asteroid 2024 YR4 zwingt die Politik und NASA, die bislang eher theoretische „Nuklearoption“ der Planetenabwehr nüchtern zu prüfen. Nach der Entdeckung Ende 2024 stieg das berechnete Erdrisiko kurzfristig bis auf etwa drei Prozent; inzwischen ist ein Erdeinschlag ausgeschlossen, doch die Trefferwahrscheinlichkeit für den Mond liegt nach aktuellen Schätzungen bei rund vier Prozent.

Warum ein Mondtreffer ein Problem wäre

Computersimulationen zeigen, dass ein Einschlag große Mengen Mondgestein ins All schleudern würde. Diese Trümmer, sogenannte Ejekta, könnten für einige Tage die Anzahl an herumschwirrenden Teilchen im niedrigen Erdorbit stark erhöhen. Für Satelliten, Raumfahrtzentren und bemannte Missionen wäre das riskant: Die Wahrscheinlichkeit für Zusammenstöße stiege deutlich, Manövrierfenster würden kleiner, und es wären vermutlich mehr Ausweichmanöver nötig.

Ablenkung oder Zerstörung?

Technisch gibt es zwei Arten von Gegenmaßnahmen.

Ablenkung: Ziel ist eine möglichst frühe, winzige Geschwindigkeitsänderung des Asteroiden. Praktisch gibt es zwei Möglichkeiten:

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  1. Eine Sonde trifft das Ziel unter einem exakt berechneten Anflugwinkel, sodass ihr Impuls die Bahn des Asteroiden minimal verschiebt. Dass dies funktioniert, hat DART 2022 bereits gezeigt.
  2. Dauerkräfte statt Einschlag: Entweder als Gravity Tractor, bei dem eine schwere Sonde den Asteroiden über Wochen bis Monate allein durch Gravitation „zieht“, oder als sogenannter Ion-Beam-Shepherd, bei dem eine Sonde einen Ionenstrahl auf die Oberfläche richtet und so den Asteroiden berührungslos „wegdrückt“.

Zerstörung (Notfall-Option): Wenn die Zeit knapp ist oder Materialdaten zu unsicher sind, kommt eine Disruption in Betracht: Ein Impaktor trifft den Asteroiden dabei mit hoher Relativgeschwindigkeit und bricht ihn gezielt in kleinere Fragmente.

Hollywood macht es vor: Die Nuklearoption

Gemeint ist eine Explosion oberhalb der Asteroidenoberfläche („height of burst“). Sie wirkt ohne direkten Kontakt: Der Druck der Schockwelle schwächt den Brocken so stark, dass er in meter­große Stücke zerfällt. Strahlung spielt dabei nur eine Nebenrolle.

Modelle zeigen: Bei einem Asteroiden von rund 60 Metern könnte eine Sprengkraft von etwa 1 Megatonne reichen, um ihn verlässlich zu zerlegen – also ungefähr 70-mal stärker als die Hiroshima-Bombe. Laut einem Papier der NASA und weiterer Wissenschaftler wäre eine nukleare Zerstörungsmission mit Startfenstern zwischen Ende 2029 und Ende 2031 möglich. Die Methode bleibt sehr heikel: Sie wurde noch nie in einer echten Abwehrlage erprobt und ist völkerrechtlich stark eingeschränkt. Daher gilt sie nur als letzte Option, wenn für eine sanftere Ablenkung Zeit oder sichere Daten fehlen.

Nebenwirkungen im Blick: Lehren aus Starfish Prime

Historisch ist bekannt, dass Nuklearexplosionen im All Nebenwirkungen haben können: Starfish Prime (1962) erzeugte einen künstlichen Strahlungsgürtel und beschädigte mehrere Satelliten. Moderne Planung müsste deshalb strenge Randbedingungen festlegen – etwa die Detonationshöhe, den Explosionszeitpunkt und die Geometrie zum Erdmagnetfeld. Zusätzlich müssen globale Kommunikations- sowie Schutzmaßnahmen vorbereitet werden, um Kollateralschäden zu minimieren.

Planen für den Ernstfall – ohne Panik

Die wahrscheinlichste Zukunft ist, dass 2024 YR4 den Mond verfehlt. Dennoch ist es rational, die Nuklearoption technisch und juristisch bis zur Einsatzreife durchzuplanen. Nicht als erste Wahl, sondern als Notlösung, falls 2028/2029 die Datenlage kippt und die Zeit für eine saubere Ablenkung nicht mehr reicht. Parallel sollte das nicht-nukleare Portfolio gestärkt werden. So bleibt die Nuklearoption dort, wo sie hingehört: in der Schublade, aber funktionstüchtig.

Ein Beitrag von:

  • Tim Stockhausen

    Tim Stockhausen ist Volontär beim VDI Verlag. 2024 schloss er sein Studium der visuellen Technikkommunikation an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg ab. Seine journalistischen Interessen gelten insbesondere Künstlicher Intelligenz, Mobilität, Raumfahrt und digitalen Welten.

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