BDI: Deutschland droht Raumfahrt-Anschluss zu verlieren
Die Raumfahrt galt lange als Symbol für Pioniere und Prestigeprojekte. Doch heute geht es um weit mehr als spektakuläre Missionen zum Mond: Sie ist ein Schlüssel für technologische Souveränität. Beim Weltraumkongress fordert der Bundesverband der Deutschen Industrie deshalb einen Paradigmenwechsel. Pistorius reagiert und kündigt umfassendes Weltraumprogramm in Höhe von 35 Milliarden Euro an.
Der BDI-Weltraumkongress macht klar: Deutschland muss mehr in die Raumfahrt investieren, um Innovationskraft und Sicherheit zu sichern. Foto 2: picture alliance / abaca/Ariane Group
Der globale Markt für weltraumgestützte Infrastruktur und Dienste boomt. Eine aktuelle Studie von Roland Berger und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), am Donnerstag beim Weltraumkongress in Berlin vorgestellt, zeigt eindrücklich den großen Handlungsbedarf Deutschlands.
Raumfahrtmarkt wächst rasant – Europa hinkt hinterher
Bis 2040 wird sich der Mark von knapp 500 Milliarden Euro auf rund 2000 Milliarden Euro vervierfachen. Europa hält aktuell nur einen Marktanteil von 17 Prozent. Um diese Position zu halten, müssten bis 2040 zusätzliche 237 Milliarden Euro investiert werden. Wer den Anteil auf 25 Prozent steigern möchte, bräuchte sogar 412 Milliarden Euro zusätzlich.
Für Deutschland bedeutet das: Die Ausgaben müssten um 93 Milliarden Euro über die derzeitige Planung hinaus erhöht werden
Blick auf die Big-Player
Ein Blick auf die USA und China macht deutlich, wie groß der Rückstand ist. In den USA flossen 2024 rund 72 Milliarden Euro in Raumfahrtprojekte, in China immerhin etwa 18 Milliarden Euro. Deutschland hingegen investierte nur 2,5 Milliarden Euro. Auch andere Raumfahrtnationen wie Frankreich oder Japan liegen vorn.
Diese Unterfinanzierung hat konkrete Folgen: Deutschland betreibt derzeit rund 80 eigene Satelliten, die USA mehr als 10.000 und China über 900 – mit stark steigender Tendenz.
Besonders heikel: In Bereichen wie der Satellitenkommunikation gibt es bislang keine deutsche oder europäische Alternative zu US-Netzwerken. Mit dem Satellitensystem Iris2 arbeitet Europa zwar bereits an einer eigenen Lösung, die ersten Satelliten sind aber frühsten für 2030 geplant. Wer heute Daten aus dem All nutzen will, ist von amerikanischen Diensten abhängig. Ein Risiko für Wirtschaft und Sicherheit.
Raumfahrt ist doch längst eine Schlüsseltechnologie
„Raumfahrt ist in einer geopolitisch unsicheren Welt weit mehr als Technologie – sie ist notwendige sicherheitsrelevante Infrastruktur. Wer keine eigenen Weltraumfähigkeiten besitzt, ist abhängig und verwundbar“, warnt BDI-Präsident Peter Leibinger.
Doch auch wirtschaftlich ist die Raumfahrt eine riesige Chance. Etwa für das Management von Logistik und Lieferketten, neue Mobilitätslösungen oder Anwendungen der Industrie 4.0. Deutsche Ingenieurskunst könnte hier eine entscheidende Rolle spielen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen würden.
Politik muss die Weichen stellen
Das BDI fordert deshalb einen Paradigmenwechsel. Raumfahrt müsse als Schlüsselindustrie verstanden werden, vergleichbar mit dem Automobilbau oder der Energieversorgung.
Gefordert sind:
- Gezielte staatliche Nachfrage, die Projekte planbar macht und privaten Investoren Sicherheit gibt.
- Abbau von Bürokratie und schnellere Genehmigungsprozesse.
- Mehr Risikobereitschaft und Innovationsfreiräume.
- Eine Verdopplung der deutschen ESA-Investitionen von aktuell drei auf sechs Milliarden Euro innerhalb der nächsten drei Jahre.
Aus dem Apollo-Programm lernen
Wie entscheidend strategische Investitionen sein können, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Das Apollo-Programm der USA brachte nicht nur die erste Mondlandung, sondern auch eine Welle an Technologien hervor, die bis heute die Innovationskraft des Landes stützen. Von Mikrochips über Werkstoffe bis zu Kommunikationssystemen. Viele Entwicklungen wurden durch die Raumfahrt ermöglicht.
Deutschland und Europa brauchen hier ein ähnliches Mindset: Raumfahrt solle nicht als riskantes Abenteuer betrachtet werden, sondern als Motor für neue Geschäftsmodelle und Innovationen.
Bundesregierung kündigt umfassendes Weltraumprogramm an
Auf dem Weltraumkongress des BDI hat Verteidigungsminister Boris Pistorius angekündigt, dass die Bundesregierung bis 2030 insgesamt 35 Milliarden Euro für Weltraumprojekte und Sicherheitsarchitektur im All bereitstellen möchte.
Ziel ist eine Struktur aus Satelliten, Bodenstationen und den dazugehörigen Service zu etablieren. Das Gesamtpaket soll „Schutz und Wirkung gleichermaßen gewährleisten“. Dazu gehören laut dem Minister eine bessere Lageerfassung im Orbit durch Radare, Teleskope und künftig Wächtersatelliten sowie der Aufbau von Redundanzen über mehrere vernetzte Satellitenkonstellationen. Auch die Cybersicherheit aller Weltraumsysteme soll gestärkt werden.
Darüber hinaus forderte Pistorius, dass auch über Offensivfähigkeiten im All gesprochen werden muss: Deutschland muss in der Lage sein, im Weltall abzuschrecken und im Ernstfall militärisch reagieren zu können.
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