Hyundai & KI 14.07.2025, 07:00 Uhr

X-ble Shoulder: Wearable-Roboter hilft beim Schrauben über Kopf

Hyundai und Kia liefern ihren ersten anziehbaren Roboter an Korean Air – ein Exoskelett für Überkopfarbeiten soll Überlastungen vermeiden helfen.

Überkopf schrauben

X-ble Shoulder macht Überkopfarbeiten leichter und vermindert Überlastungen und Verletzung.

Foto: Hyundai Motor Group

In der Luftfahrt sind präzise Handgriffe ebenso gefragt wie körperliche Belastbarkeit. Besonders bei Arbeiten über dem Kopf, etwa bei der Flugzeugwartung, stoßen viele Techniker*innen an körperliche Grenzen. Genau hier setzt ein neu entwickelter tragbarer Roboter von Hyundai Motor und Kia an: der „X-ble Shoulder“. Anfang Juli wurde das erste Exemplar an Korean Air übergeben – und damit ein neues Kapitel im Bereich tragbarer Industrietechnologie aufgeschlagen.

Ein Roboter zum Umschnallen

Das Gerät sieht auf den ersten Blick eher wie eine Weste mit ausklappbaren Elementen aus – doch dahinter steckt ein durchdachtes technisches Konzept. Ziel ist es, die Muskelarbeit der Oberarme bei Überkopfarbeiten zu reduzieren. Gerade im Flugzeugbau oder bei Wartungsarbeiten sind solche Tätigkeiten an der Tagesordnung. Die Belastung für die Schultergelenke ist dabei erheblich – oft genug mit langfristigen Folgen.

Hyundai und Kia versprechen mit dem X-ble Shoulder eine deutliche Entlastung. Laut eigenen Angaben reduziert das System die Belastung der Schultergelenke um bis zu 60 % und verringert die Muskelaktivität der vorderen und seitlichen Deltamuskeln um rund 30 %. Möglich wird das durch ein sogenanntes Muskelkompensationsmodul. Es verstärkt die Bewegungen mechanisch – ganz ohne Strom.

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Mechanik statt Batterie

Ein bemerkenswertes Merkmal des X-ble Shoulder ist sein nicht motorisierter Drehmomentmechanismus. Das bedeutet: Der Roboter funktioniert ohne Akku, Ladegerät oder externe Energiequelle. Die Kraftunterstützung wird allein durch mechanische Gelenke erzeugt. Das hält das Gewicht niedrig und vereinfacht Wartung und Betrieb – ideal für den Dauereinsatz.

Die modulare Bauweise erlaubt darüber hinaus eine Anpassung an unterschiedliche Arbeitsumgebungen. So lässt sich das System zwischen 406 und 446 Millimeter an die Körpergröße der Träger*innen anpassen. Es ermöglicht eine freie Armbewegung von 0 bis 180 Grad – ohne die Arbeitsabläufe zu behindern.

Auch bei der Ergonomie haben die Entwickler*innen nachgelegt. Die Roboterweste wiegt rund 1,9 Kilogramm und besteht aus leichten Carbon-Verbundwerkstoffen. Komponenten, die direkt mit dem Körper in Kontakt kommen, sind zusätzlich mit stoßabsorbierendem Material geschützt – etwa am oberen Rand des sogenannten „Crashpads“.

Vom Prototyp zum Serienmodell

Bereits seit 2022 hat das Robotics LAB von Hyundai und Kia den X-ble Shoulder in mehreren Testumgebungen erprobt. Über 300 Mitarbeitende an internationalen Standorten waren in die Pilotphase eingebunden. Sie lieferten nicht nur Praxistests, sondern auch wertvolles Feedback. Daraus resultierten gezielte Verbesserungen bei Tragekomfort, Beweglichkeit und Reinigung.

Diese Nähe zur Praxis hob Dong Jin Hyun, Leiter des Robotics LAB bei Hyundai Motor und Kia, auch bei der Übergabe an Korean Air hervor: „Der X-ble Shoulder verkörpert das technologische Know-how und die Zusammenarbeit unserer Mitarbeiter.“

Die Auslieferung an Korean Air ist der offizielle Startschuss. Dort soll das Exoskelett in verschiedenen Bereichen zum Einsatz kommen – in der zivilen und militärischen Luftfahrt, bei der Wartung von Drohnen und sogar bei Satellitenstartsystemen. „Wir gehen davon aus, dass die Gesundheit und Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter durch die Einführung von X-ble Shoulder verbessert werden“, sagte Hyunboh Jung, Managing Vice President bei Korean Air.

Zertifiziert und ausgezeichnet

Auch regulatorisch ist der X-ble Shoulder inzwischen breit abgesichert. Im Februar 2025 erhielt das Gerät die ISO-13482-Zertifizierung – eine internationale Norm für persönliche Assistenzroboter. Ausgestellt wurde sie von DNV, einer unabhängigen Zertifizierungsstelle aus Norwegen. Im Mai folgte die EU-Maschinenrichtlinie, die den Roboter für den industriellen Einsatz in Europa freigibt.

Auch das Design blieb nicht unbeachtet. Bei den iF Design Awards 2025 wurde der Roboter in der Kategorie „Produkt – Industrie“ ausgezeichnet. Ein Jahr zuvor hatte er bereits den GOOD DESIGN® Award in der Kategorie „Robotik“ erhalten.

Einsatzgebiete des X-ble Shoulder:

Der tragbare Roboter von Hyundai und Kia eignet sich für Überkopfarbeiten in zahlreichen Industriezweigen. Aktuell und perspektivisch kann er hier zum Einsatz kommen:

  • Luft- und Raumfahrt (zivile und militärische Flugzeuge, Drohnen, UAM-Fahrzeuge, Satellitenträgerraketen)
  • Automobilindustrie (z. B. Endmontage und Qualitätskontrolle)
  • Bauwesen (z. B. Deckenmontage, Kabelverlegung)
  • Schiffbau (z. B. Wartung in beengten oder erhöhten Bereichen)
  • Landwirtschaft (z. B. Arbeiten in Gewächshäusern oder bei der Ernte)
  • Logistik und Lagerhaltung (z. B. Kommissionierung auf oberen Regalen)

 

Ausblick: Neue Branchen, neue Körperregionen

Für Hyundai und Kia ist X-ble Shoulder nur der Anfang. Weitere Modelle sind bereits in Planung. So soll mit „X-ble Waist“ ein Exoskelett für den unteren Rücken folgen. Ziel ist es, Hebevorgänge zu erleichtern und Verletzungen an Hüfte und Wirbelsäule zu verhindern. Ebenfalls in Entwicklung ist der medizinische Roboter „X-ble MEX“, der Menschen mit Bewegungseinschränkungen bei der Rehabilitation unterstützen soll.

Parallel zur technischen Weiterentwicklung plant das Robotics LAB auch den Markteintritt außerhalb Südkoreas. Ab 2026 soll X-ble Shoulder in Europa und Nordamerika erhältlich sein – zunächst bei Tochterunternehmen der Hyundai Motor Group, später auch bei externen Firmen. Bereits jetzt ist eine Ausweitung auf Branchen wie Bauwesen, Schiffbau, Landwirtschaft oder Logistik vorgesehen.

Ein begleitendes Angebot soll die Einführung in Betrieben erleichtern: „X-ble Shoulder Integrated Consulting“. Dieses Beratungsmodell hilft Unternehmen dabei, den Nutzen des Roboters für ihre individuellen Prozesse datenbasiert zu bewerten. Dabei wird unter anderem analysiert, wie stark Muskeln und Gelenke bei typischen Tätigkeiten belastet sind – und ob der Einsatz von X-ble Shoulder zu einer Entlastung führen kann.

Tragbarer Roboter als Teil des Arbeitsalltags?

Der Markt für tragbare Robotik wächst. Laut einer Analyse von Mordor Intelligence könnte sich der weltweite Umsatz mit tragbaren Robotern und Exoskeletten bis 2029 nahezu vervierfachen – von 2,55 auf 10,25 Milliarden US-Dollar. Für Hyundai und Kia bedeutet das: gute Chancen, sich mit ihrer X-ble-Reihe als Technologieanbieter zu etablieren.

Bis dahin wird entscheidend sein, wie sich der Einsatz im Alltag bewährt. Korean Air liefert nun erste Erkenntnisse aus der Praxis. Sollten sich die Versprechen in puncto Belastungsreduzierung und Arbeitserleichterung bestätigen, könnte der X-ble Shoulder bald zum Standard für Überkopfarbeiten werden – in der Luftfahrt ebenso wie in anderen Industriebranchen.

Hier gibt es mehr Informationen

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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