Marktlage 02.12.2025, 12:00 Uhr

Wegen Energiekosten & Co.: Produktionsverlagerung und Arbeitsplatzabbau in Deutschland gehen weiter

Die Signale sind alarmierend. Hohe Energiekosten aber auch Umsatzeinbrüche und bürokratische Hürden machen es Industrieunternehmen weiterhin schwer. Das belegen aktuelle Zahlen von Allensbach und EY.

Industrie unter Druck: Neben hohen Energiekosten führen sinkende Umsätze und Bürokartie zur Abwanderung und zum Stellenabbau in der deutschen Industrie. Ein Ende ist nicht in Sicht. Foto: PantherMedia / Mircea Moira

Industrie unter Druck: Neben hohen Energiekosten führen sinkende Umsätze und Bürokartie zur Abwanderung und zum Stellenabbau in der deutschen Industrie. Ein Ende ist nicht in Sicht.

Foto: PantherMedia / Mircea Moira

Zunächst haben Unternehmen mit Energieeffizienzmaßnahmen auf die im globalen Wettbewerb in Deutschland sehr hohen Energiekosten reagiert. Doch nun drohen verstärkt Abwanderungen. Zu dem Ergebnis kommt eine aktuelle Allensbach-Studie.

Danach haben die befragten Unternehmen in den vergangenen Jahren umfangreiche Maßnahmen zur Senkung ihrer Energiekosten umgesetzt. 93 % setzen Energieeffizienzprogramme um. 86 % verfügen über eigene Energieerzeugung. Darüber hinaus schließen 68 % langfristige Direktlieferverträge mit Energieerzeugern ab. 41 % haben sogar ein Emissionshandels-Management aufgebaut, weitere Unternehmen planen das nicht.
Gleichzeitig berichtet laut Allemsbach eine Mehrheit von 83 %  von einer Verschlechterung der Planbarkeit. Für 67 % fällt diese sogar deutlich aus. Die Konsequenz: In dieser Gruppe haben bereits 46 % Investitionen verschoben.

Karsten Schulze, Vorstand und Partner bei FTI-Andersch, die die Studie in Auftrag gegeben hat, kommt zu dem Ergebnis: „Die Unternehmen haben die klassischen betriebswirtschaftlichen Hebel sehr konsequent genutzt: Effizienz, Eigenstrom, langfristige Verträge und Kostenkontrolle.“ Die Allensbach-Daten zeigen für ihn klar: „Diese Maßnahmen allein reichen vielen Unternehmen nicht mehr aus.“ Viele Eigentümer und Manager, seien deshalb bereit, jetzt noch deutlich größere Transformationen anzugehen. „Die meisten Unternehmen haben in der aktuellen Lage auch keine andere Wahl“, sagt Schulze.

Jedes fünfte Unternehmen verlagert Produktionsschritte ins Ausland oder plant das

Die Folge sind strukturelle Anpassungen. Etwa jeder dritte Betrieb reduziert oder streicht demnach besonders energieintensive Produkte. Darüber hinaus verlagert laut Studie jedes fünfte Unternehmen Produktionsschritte ins Ausland oder bereitet dies konkret vor.

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Auch die Standortlogistik verändert sich: Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass insgesamt 33 % bereits Produktionskapazitäten außerhalb Europas aufgebaut haben. Weitere elf Prozent planen das konkret. Ziel ist insbesondere Asien.

Schulze erklärt dazu: „Produktreduktionen oder Verlagerungen sind ein bewusster Schritt, um das Unternehmen robuster aufzustellen – durch ein fokussiertes Portfolio, geringere Energierisiken oder eine flexiblere internationale Produktionsarchitektur.“ Er fügt hinzu: „Sie sind kein Zeichen einer Resignation, wohl aber einer bewussten Neuausrichtung.“ Entscheidend sei, solche Schritte aktiv zu gestalten und nicht darauf zu warten, dass sich Rahmenbedingungen von selbst verbessern.

Arbeitsplatzabbau: Deutsche Industrie verliert weitere Jobs

Die Abwanderung wegen hoher Energiekosten aber auch Faktoren wie sinkende Exporte in die USA und China sowie ein hoher Bürokratieaufwand verschärfen den aktuellen Stellenabbau in der deutschen Industrie. Laut aktuellen Zahlen der Beratungsorganisation EY, Stuttgart, gab es in Deutschland bis zum 30. September dieses Jahres 2,2 % weniger Industriejobs als im Vorjahreszeitraum und 4,8 % weniger als vor Corona.

Als Grund für den beschleunigten Stellenabbau sieht EY die auf die insgesamt schwache Umsatzentwicklung. Das stärkste Umsatzminus verzeichnen demnach aktuell die Autoindustrie und die Papier- und Pappe-Industrie mit Einbußen von 3,2 % bzw. 3,5 % im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahr. Wenig überraschend ist es deshalb, dass die Automobilindustrie mit ca. 6,3 % den größten Rückgang verzeichnete. Nach Zahlen von EY wurden in dieser Branche innerhalb eines Jahres knapp 49.000 Jobs abgebaut.

Trendwende bei Arbeitsplätzen in der Industrie ist nicht in Sicht

„Die Industrierezession hält an, eine Trendwende ist nicht in Sicht“, sagt Jan Brorhilker, Managing Partner des Geschäftsbereichs Assurance von EY in Deutschland. Die Umsätze der Industrieunternehmen entfernten sich immer weiter von den Höchstständen im Jahr 2022. Vor allem bleibe die Inlandsnachfrage hinter den Erwartungen zurück.

Die steigende Zahl von Insolvenzen bei Autozulieferern wird laut Brorhilker weitere negative Auswirkungen auf die Zahl der Stellen haben. „Das ist ein Tal der Tränen, durch das die gesamte Branche gehen muss und an dessen Ende hoffentlich eine wettbewerbsfähigere und agilere Autoindustrie steht.“ Vorerst würden sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt und auch die Perspektiven für Schul- und Hochschulabsolventen deshalb nicht aufhellen: „In den vergangenen Jahren haben Autoindustrie und Maschinenbau Jahr für Jahr Tausenden jungen Menschen hervorragende berufliche Perspektiven eröffnet. Das ist jetzt weitgehend vorbei. Auch wenn die Verteidigungsbranche boomt, ist der Personalbedarf dort nicht so groß, dass er den Stellenabbau in anderen Industriezweigen ausgleichen könnte.“

Maßnahmen zum Bürokratieabbau enttäuschen Industrieunternehmen

Doch selbst Unternehmen, die nicht so stark von Energiekosten betroffen sind und die am Standort Deutschland festhalten, ist der Unmut anzumerken. Mit einem Erweiterungsbau zum bestehenden Logistikgebäude in Blomberg bekennt sich beispielsweise Phoenix Contact klar zum Standort Deutschland. Mit über 100 Mio. € ist das aktuell die größte Einzelinvestition des Unternehmens. Die Fertigstellung dieses Gebäudes ist für 2028 geplant.

Auf der Messe SPS in Nürnberg machte Ulrich Leidecker, der Sprecher von Phoenix Contact, deutlich, womit sein Unternehmen und die deutsche Industrie aktuell zu kämpfen haben. Er zeigte aber auch Innovationspotenziale auf. Foto: M. Ciupek

Auf der Messe SPS in Nürnberg machte Ulrich Leidecker, der Sprecher von Phoenix Contact, deutlich, womit sein Unternehmen und die deutsche Industrie aktuell zu kämpfen haben. Er zeigte aber auch Innovationspotenziale auf.

Foto: M. Ciupek

Auf der Branchenmesse SPS in Nürnberg machte Ulrich Leidecker, Sprechers der Geschäftsführung bei Phoenix Contact, Ende November deutlich: „Wir erleben, dass die Unternehmen in Deutschland ihre Strukturen anpassen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Auch wir bei Phoenix Contact sehen uns gezwungen, unsere Unternehmensstrukturen an die Gegebenheiten anzupassen, um Resilienz und Wertschöpfung zu sichern. Wir bringen unsere Wertschöpfung näher an die Absatzmärkte und richten unsere Strukturen international aus.“ Deshalb habe sein Unternehmen beispielsweise auch Investitionen in Standorte in Mexico und Vietnam getätigt.

Was den Industriemanager besonders ärgert, sind die weiterhin starken Regulierungen. „Es ist keinen Deut besser geworden. Wir haben ein weiteres Jahr verloren, wo das Regulativ von Europa und die deutsche Politik uns im Stich gelassen haben“, so Leidecker. Zwar habe es seitdem Ansätze zur Deregulierung gegeben, aber diese reichen ihm nicht aus. Bei lange diskutierten Themen, wie dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder dem CSRD-Reporting gebe es keine spürbaren Lockerungen. Diese würden gebraucht, um der Industrie die Sicherheit zu geben, sich wieder auf Innovationen konzentrieren zu können.

Ein Beitrag von:

  • Martin Ciupek

    Martin Ciupek ist Ingenieur und Technikjournalist mit den Schwerpunkten Maschinenbau, Robotik und Automatisierungstechnik.

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