Gedruckte Blutgefäße 30.07.2024, 10:33 Uhr

Venen aus dem 3D-Drucker für bessere Bypässe

3D-gedruckte Blutgefäße, die die Eigenschaften menschlicher Venen genau nachahmen, könnten die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verändern.

künstliche Venen aus dem Drucker

Künstliche Venen aus dem 3D-Drucker sollen Bypass-Operationen sicherer machen.

Foto: N. Radacsi, University of Edinburgh

Forschende der Universität Edinburgh haben 3D-gedruckte Venen entwickelt, die menschliche Blutgefäße genau nachahmen und somit Bypass-Operationen sicherer und effizienter machen könnten. Die Innovation verspricht eine deutliche Verbesserung der chirurgischen Ergebnisse und eine Reduktion der Komplikationen. Auch ein Team des Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel arbeitet an 3D-Biodruckern, um feine Blutgefäße für Bypass-Implantate zu erzeugen.

Rund 45.000 Bypässe pro Jahr in Deutschland

Verengte oder verstopfte Herzkranzgefäße können unbehandelt zu lebensgefährlichen Herzinfarkten führen. Einfache Ein- oder Zweigefäßerkrankungen werden meist interventionell mit Ballons oder Stents behandelt. Bei Dreigefäßerkrankungen und Hauptstammstenosen sind Bypass-Operationen notwendig, bei denen gesunde Adern oder Venen als Brücken um die Verengungen genäht werden, um den Blutfluss zum Herzen sicherzustellen.

In Deutschland werden jährlich etwa 45.000 Bypass-Operationen durchgeführt. Ein Problem ist, dass bei etwa 20 % der Patienten keine geeigneten körpereigenen Gefäße vorhanden sind. Hier können Venen aus dem 3D-Biodrucker helfen.

Die Technologie hinter den 3D-gedruckten Venen

Mit einer neuartigen 3D-Drucktechnologie erzeugt das Forschungsteam aus Edinburgh starke, flexible Schläuche aus einem wasserbasierten Hydrogel. Dieses Material bildet die Basis für die synthetischen Gefäße, die eine hohe Kompatibilität mit dem menschlichen Körper aufweisen. Durch die Anpassung des Durchmessers können diese künstlichen Venen genau auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten abgestimmt werden. 3D-gedruckte Venen mit einem Durchmesser von 1 bis 40 mm sind möglich.

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Um die nötige Stabilität zu gewährleisten, werden die gedruckten Venen in einem Verfahren namens Elektrospinning verstärkt. Dabei werden unter Hochspannung extrem dünne Nanofasern aus einer Flüssigkeit gezogen und um die künstlichen Venen gewickelt. Diese Fasern bestehen aus biologisch abbaubarem Polyester, das zusätzlich für die notwendige Festigkeit sorgt. Tests haben gezeigt, dass diese verstärkten Venen die gleichen mechanischen Eigenschaften wie natürliche Blutgefäße besitzen.

„Unsere Hybridtechnik eröffnet neue und aufregende Möglichkeiten für die Herstellung von röhrenförmigen Konstrukten im Tissue Engineering“, sagt Dr. Faraz Fazal, leitende Autorin, School of Engineering der Universität Edinburgh. Unter Tissue Engineering versteht man das künstliche Anzüchten von Gewebe.

Vorteile für die Chirurgie

Der Einsatz von 3D-gedruckten Venen könnte die Risiken, die mit der Entnahme von Venen aus dem eigenen Körper verbunden sind, erheblich reduzieren. Diese Methode kann Narbenbildung, Schmerzen und Infektionen, die bei herkömmlichen Bypass-Operationen auftreten, verringern. Zudem könnten die neuen synthetischen Venen das Problem des Versagens kleiner Transplantate, die sich schlecht in den Körper integrieren, lösen.

Im nächsten Schritt sollen die 3D-gedruckten Venen an Tieren getestet werden, danach folgen klinische Versuche am Menschen. Ziel ist es, Sicherheit und Effektivität der Venen weiter zu belegen. Dabei arbeitet das Forschungsinstitut eng mit dem Roslin Institute der Universität Edinburgh zusammen, um die Anwendung dieser Technologie zu optimieren.

„Die Ergebnisse unserer Forschung sind eine Antwort auf eine seit langem bestehende Herausforderung im Bereich des vaskulären Tissue-Engineerings – die Herstellung eines Kanals, der ähnliche biomechanische Eigenschaften wie menschliche Venen aufweist“, erläutert Dr. Norbert Radacsi, Hauptforscher an der School of Engineering der Universität Edinburgh. Radacsi weiter: „Mit fortgesetzter Unterstützung und Zusammenarbeit könnte die Vision von verbesserten Behandlungsmöglichkeiten für Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen Wirklichkeit werden“.

Auch in Deutschland wird an Blutgefäßen aus dem 3D-Drucker geforscht

Bereits im Jahr 2021 gelang es einem Team um den Kieler Gefäßchirurgen Dr. med. Rouven Berndt, einen neuartigen 3D-Biodrucker-Prototyp zu entwickeln, der feine Blutgefäße für Bypass-Implantate erzeugen kann. „Der von uns entworfene Druckkopf kann einen Schlauch aus körpereigenen lebenden Endothel- und Muskelzellen drucken“, erklärt Dr. Berndt, der das Projekt leitet.

Zur Erklärung: Die hauchdünnen, flachen Endothelzellen kleiden die Gefäße von innen aus, während die darüber liegenden Muskelzellen dafür sorgen, dass sich die Gefäße zusammenziehen und weiten können. Diese Eigenschaften sind entscheidend, damit Bypässe lange bestehen und offenbleiben.

„Der erzeugte Schlauch hat die erforderliche dünne Gefäßwand und einen Durchmesser von vier bis sechs Millimetern“, kommentiert Dr. Berndt. Er betont, dass gerade die Herstellung von vergleichsweise kleinen künstlichen Bypässen in der Herz- und Gefäßchirurgie immer ein Heiliger Gral gewesen sei, da die meisten Materialien nicht geeignet erscheinen und es zu frühzeitigen Verschlüssen kommen kann. In Laborexperimenten haben sich die gedruckten Gefäße bereits bewährt.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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