Wie CIOs in Zeiten der Unsicherheit ihre Unternehmen voranbringen
Wie meistern CIOs die Herausforderungen der Unsicherheit im Jahr 2023? Ein Interview mit Dr. Alexander Becker, dem COO der Serviceware SE, gibt praxisnahe Einblicke und Tipps.
Das Jahr 2022 war von Unsicherheiten geprägt, die die Unternehmenslandschaft auf eine harte Probe stellten. Lieferkettenengpässe, der Ukraine-Krieg, Fachkräftemangel und eine drohende globale Rezession haben den Märkten einiges abverlangt und auch dieses Jahr scheint herausfordernd zu werden. Während viele Unternehmen aus der Pandemiezeit widerstands- und anpassungsfähiger hervorgegangen sind, müssen sich die CIOs nun einer neuen Aufgabe stellen: die Fähigkeit, neue Geschäftsinnovationen zu gestalten und zu fördern, wird das Jahr bestimmen.
Über diese Themen werden wir heute mit Dr. Alexander Becker, dem Chief Operating Officer (COO) der Serviceware SE sprechen, einem Unternehmen, das sich auf die Digitalisierung von Serviceprozessen spezialisiert hat. Als Experte für IT-Systemarchitektur und Unternehmensstrategie wird Dr. Becker seine Perspektive auf die größten Herausforderungen für CIOs im Jahr 2023 teilen und darüber sprechen, wie eine moderne IT-Infrastruktur dazu beitragen kann, das Risiko von wirtschaftlichen Unsicherheiten zu minimieren. Darüber hinaus werden wir diskutieren, wie CIOs ihre Führungsteams dazu bringen können, in die IT-Infrastruktur ihres Unternehmens zu investieren, selbst wenn es wirtschaftliche Unsicherheiten gibt. Schließlich werden wir auch über die Möglichkeit sprechen, ob ein Ingenieur als CIO erfolgreich sein kann und nicht zuletzt – Dr. Becker wird seine Einschätzung zur Entwicklung von ChatGPT abgeben.
Herr Dr. Becker, was sind die größten Herausforderungen für CIOs im Jahr 2023, um ein Unternehmen durch wirtschaftliche Unsicherheiten zu führen?
Rein operativ ist eine robuste Cybersicherheit aus meiner Sicht eines der wichtigsten Themen auf der CIO Agenda 2023. Strategisch entsteht ein Spannungsfeld zwischen dem weiteren Bedarf an Digitalisierung und der Innovation durch IT einerseits und dem Kostendruck in vielen Branchen andererseits. D.h. es braucht Investitionen, diese müssen aber mit Augenmaß erfolgen und gleichzeitig sind klare Kostenoptimierungen in der IT zu realisieren. Hier die richtige Balance zu finden und gemeinsam mit dem Business die richtigen Entscheidungen zu treffen, sehe ich als wichtigstes Aufgabenfeld bzw. Herausforderung in 2023.
Je flexibler, desto erfolgreicher
Wie wichtig ist es für CIOs, eine flexible IT-Strategie zu haben, um sich an sich ändernde wirtschaftliche Bedingungen anpassen zu können?
Natürlich ist Flexibilität in diesen Zeiten sehr wichtig. Wir haben in den letzten drei Jahren Veränderungen erlebt, die wir eigentlich für unmöglich gehalten hätten. Je anpassbarer ich bin, umso besser. Beispiel Nachfrage in der Krise: Da hatten ja viele Unternehmen unheimliche Nachfrage und daher Lieferprobleme, und bei anderen stand zeitweise das Geschäft komplett still. Wenn ich super mitgehen kann mit der Dynamik, bin ich natürlich erfolgreicher als einer, der, wenn auf einmal die Nachfrage zusammenbricht, mit vollen Lagern dasteht und andersherum nicht hinterherkommt, wenn die Nachfrage wieder anzieht.
Insofern ist es Kern des unternehmerischen Erfolgs, dass ich mich flexibel an die unternehmerischen Rahmenbedingungen anpasse. Je flexibler ein CIO seine Strategie gestaltet, desto erfolgreicher wird er seinem Unternehmen helfen können.
Wie kann eine moderne IT-Infrastruktur dazu beitragen, das Risiko von wirtschaftlichen Unsicherheiten zu minimieren?
Erstrebenswert ist, wenn man es schafft, die Kostenstruktur flexibel aufzustellen. Eine moderne Infrastruktur ist im idealen Fall eine On-Demand-Struktur. Wenn ich viel Last habe, dann habe ich auch viel infrastrukturelle Power. Und das kostet natürlich Geld, allerdings habe ich dann ja auch die wirtschaftliche Kraft, das zu finanzieren. Ist die Nachfrage schwächer, dann kann ich die Kosten und die Struktur, die ich brauche, nach unten skalieren. Das ist das Ideal-Szenario. Das haben wir in der IT leider nicht immer. Oft sind gewisse Grundinvestitionen nötig, muss man eine gewisse Basis schaffen. Man kann das nicht beliebig skalierbar machen, das bleibt ein Traum. Ich muss jedoch das Paradigma haben, eine möglichst flexible Kostenstruktur zu haben, nach unten, in guten Zeiten auch nach oben.
Guter Zeitpunkt, in Analyse- und Steuerungswerkzeuge zu investieren
Welche Technologien sollten CIOs im Jahr 2023 in Betracht ziehen, um ihr Unternehmen wirtschaftlich widerstandsfähiger zu machen?
Aus meiner Sicht ist jetzt ein guter Zeitpunkt in Analyse- und Steuerungswerkzeuge zu investieren, die dem Management Transparenz geben und es in schwierigen Entscheidungen mit bestmöglichen Fakten unterstützt. In den letzten Jahren wurden aus meiner Beobachtung über verschiedene Digitalisierungsinitiativen in den Unternehmen viele „Datenschätze“ aufgebaut. Nur wenige Unternehmen ziehen daraus aber schon einen signifikanten Nutzen. Daher sollte sich IT in allen Bereichen die Frage stellen: „Was können wir an Business Value aus diesen Daten ziehen?“ Mit diesem bewährten, wertorientierten Ansatz aus dem Technology Business Management holt Serviceware beispielsweise Rohdaten aufs Dashboard und hilft Kunden im Bereich Corporate Performance Management und Shared Service Financial Management enorme Mehrwerte aus der Kombination von operativen und Finanzdaten zu ziehen.
Wie können CIOs ihre Führungsteams dazu bringen, in die IT-Infrastruktur ihres Unternehmens zu investieren, selbst wenn es wirtschaftliche Unsicherheiten gibt?
Die einfache Antwort ist der richtige, passende Business Case. Oft geht man das in der IT zu technologisch an und erstellt eher einen Technology Case, versucht also über technologische und funktionale Argumente zu überzeugen.
Die Frage ist doch: Welche Vorteile ergeben sich für die Unternehmung? Das müssen CIOs nachvollziehbar machen. Am Ende des Tages muss in harter Währung, gerne auch auf die mittlere Frist, auf drei bis fünf Jahre gezeigt werden, welche Vorteile die Investition dem Unternehmen bringt. Und wenn der Business Case das nicht hergibt, dann gibt es kein Argument der Welt, das dafürspricht. Und dann tut die Führung gut daran, die Investition nicht zu tätigen.
Wie können CIOs sicherstellen, dass ihre IT-Abteilung auch in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheiten effizient arbeitet?
Da ist es wichtig, dass man die richtigen, guten KPIs hat und diese auch in einer
ordentlichen Kadenz aktualisiert. Sich die wesentlichen Finanzkennzahlen der IT täglich, wöchentlich oder wenigstens monatlich anzuschauen, macht Sinn. Das ist nicht nur in wirtschaftlich unsicheren Zeiten wichtig, das ist generell wichtig. Und der CIO, der sich hier in den letzten Jahren gut aufgestellt hat und ein gutes Reporting über seine KPI hat, der ist jetzt aktuell deutlich im Vorteil. Denn er sieht, ob die Ressourcen effizient genutzt werden, ob sie für die richtigen Themen genutzt werden und kann hier mit dem Business Value verknüpfen.
Enge Verbindung zwischen Business Case und Business Value ist wichtig
Wie kann die Zusammenarbeit zwischen CIOs und anderen Abteilungen im Unternehmen verbessert werden, um eine erfolgreiche Navigation durch wirtschaftliche Unsicherheiten zu ermöglichen?
Auch hier ist die enge Verbindung zwischen Business Case und Business Value
wichtig. „Was bringt mir denn IT?“, wird oft gefragt. Da tun sich manche CIOs schwer das in Zahlen zu fassen und zu artikulieren. Viele andere Bereiche im Unternehmen, wie Sales oder Finance sind jedoch sehr zahlengetrieben. Natürlich ist eine gute Faktenbasis nicht alles, man kann nicht immer nur über Zahlen reden. Wenn sich der CIO jedoch dem Business annähern will, dann muss er es schaffen, seine Inputs und Outputs in klare Zahlen und KPIs zu fassen, seine Business Cases klar zu machen. Dann kann er auch mit dem Business auf Augenhöhe sprechen. Und ganz klar dem Business aufzeigen: „Pass auf liebes Business, wenn du diese Entscheidung triffst, dann hat das folgende Implikationen und Kosten oder wenn du jene Entscheidung triffst, hat es diese Implikationen“. Er kann dem Business eine gute Entscheidungsbasis liefern und es so dem Business erleichtern, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Wenn der CIO das schafft, ist er als Business-Sparringspartner eigentlich unersetzlich.
Man kann sich nur wünschen, dass mehr Ingenieure als CIO aktiv sind
Ein Ingenieur als CIO – ist es möglich?
Das ist heutzutage oft Realität! Aus meiner Sicht ist die Informatik in weiten Teilen faktisch eine Ingenieurswissenschaft. Ingenieure sind strukturierte Denker, die in Prozessen, Strukturen und Systemen denken. Und genau das ist es, was auch die Informatik und die IT am Ende ausmacht. Insofern ist ein ingenieursmäßiger Ansatz, der geprägt ist von Standardisierung, Effizienz und Messbarkeit von Resultaten in der IT, sehr wertstiftend. Das ist ja ein bereicherndes Skill-Set. Da kann man sich nur wünschen, dass mehr Ingenieure als CIO aktiv sind.
ChatGPT als Leuchturm
Wie schätzen Sie die Entwicklung von ChatGPT ein?
Spannend, dass nun gezeigt wird, welche Möglichkeiten in der künstlichen Intelligenz liegen. Ich glaube, jeder, der sich mit dem Thema Künstliche Intelligenz beschäftigt oder schon einmal beschäftigt hat, dürfte von der Entwicklung nicht völlig überrascht sein. Vielleicht überrascht, mit welcher medialen Präsenz dieses Thema auf einmal auf die Agenda kommt. Und es ist sicher beindruckend, welche Mächtigkeit und Stärke ChatGPT mit seinem Konversationsansatz hat.
Ich glaube, sie haben es einfach geschafft, einer breiten Öffentlichkeit klar zu machen, wozu Künstliche Intelligenz in der Lage ist. Das führt sicherlich zu weiterer Beschleunigung und dazu, dass das Interesse steigt, dass das Verständnis steigt. Ob jetzt unbedingt ChatGPT überall die Antwort auf alles ist, bezweifle ich hingegen. Es gibt ganz viele Unternehmen, viele Anbieter am Markt, die spannende KI-Lösungen haben. Ich glaube nicht, dass ChatGPT morgen die Welt und auch nicht die IT ganz allein revolutioniert. Es ist ein toller Leuchtturm, um zu zeigen, was alles möglich ist mit KI. Es ist sicherlich ein sehr valides Angebot, was viele Unternehmen in ihr Angebot integrieren. Wir schauen uns solche KI-Lösungen bei Serviceware natürlich an. Und haben bereits sehr gute eigene Modelle in unserem Research Lab gebaut, das wir in Zusammenarbeit mit der TU Darmstadt betreiben. Diese sind schon bei vielen Serviceware Kunden aktiv im Einsatz und für den konkreten Anwendungsfall besser geeignet als das, was das generische ChatGPT kann.
ChatGPT ist ein bedeutender Schritt, weil es nochmals eine große Awareness für Künstliche Intelligenz schafft. Ich glaube aber, dass wir, wie immer in so einem typischen IT-Hype-Cycle im Moment die Möglichkeiten überschätzen und der Revolutionsfaktor ein wenig überbewertet ist.
Es muss die Wahlfreiheit geben
Wir teilen heute privat freiwillig viele Daten mit Großkonzernen wie Twitter, aber auch Meta, Microsoft, Google oder Apple. Wie beurteilen Sie diese Situation?
Das Schöne an unseren Datenschutzgesetzen in Europa ist, dass das jeder selbst entscheiden kann. Das ist vielleicht hin und wieder mühsam, wenn man sich durch Bedingungen und durch die Einstellungen klicken muss. Dafür entscheidet jeder für sich, wie viele Daten er teilen möchte oder nicht. Es bleibt damit, und dass muss es auch für Unternehmen wie für Privatpersonen bleiben, eine individuelle Entscheidung. Es muss die Wahlfreiheit geben, welche Daten möchte ich teilen.
Ich ziehe ja dann gewisse Vorteile daraus, dass ich zum Beispiel gemäß meiner Präferenzen Empfehlungen und Angebote bekomme. Es gibt also etwas als Gegenleistung für diese Daten. Aber jeder hat auch das Recht zu sagen, ich möchte das nicht. Und entsprechend ist das eine individuelle Entscheidung auf der menschlichen und unternehmerischen Ebene und das finde ich gut so.
Man kann den Schaden durch Cyber-Angriff minimieren
Wie muss man mit Cyber-Risiken umgehen?
Als allererstes muss man realisieren und akzeptieren, dass Cyber-Risiken da sind und dass sie massiv da sind. Und dass das Risiko sich materialisieren kann. Das heißt nicht, dass man sagt, ich kann mich nicht schützen, also tue ich es nicht. Man muss in Schutz investieren. Man muss jedoch genauso in den Ernstfall investieren. Was mache ich denn, wenn eine Cyber-Attacke erfolgreich ist? Was mache ich, wenn es mich wirklich trifft, wenn Daten verschlüsselt oder kompromittiert werden? Wie sehen meine Back-up-Strukturen aus? Wie sehen meine Desaster Recovery-Strukturen aus? Wie kann ich mich möglichst schnell wieder befreien aus der Situation? Ich glaube, darauf muss noch ein viel stärkeres Augenmerk gelegt werden. So traurig es klingt, es ist fast unvermeidbar, dass es einen trifft. Man kann den Schaden minimieren und auch die Eintrittswahrscheinlichkeit, aber es gibt wie so oft im Leben keine 100-prozentige Sicherheit. Also heißt es hier Schaden minimieren oder möglichst schnell reversibel machen. Serviceware bietet spannende Lösungen für Back-ups an.
Vielen Dank für das Interview!
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