Haustechnik 15.03.2013, 13:59 Uhr

„Nur durch Fehler machen wir Entdeckungen“

Zur Vorstellung seines jüngsten Produkts, eines händetrocknenden Wasserhahns, ist James Dyson persönlich nach Deutschland gekommen. Im Gespräch mit den VDI nachrichten erklärt der 65-jährige Erfinder des beutellosen Staubsaugers seine Erfolgsrezepte und warum es so wichtig ist, Fehler zu machen.

James Dyson mit seiner neusten Erfindung: Einen händetrocknenden Wasserhahn.

James Dyson mit seiner neusten Erfindung: Einen händetrocknenden Wasserhahn.

VDI nachrichten: Sir Dyson, Sie sind heute selbst in Hamburg, um Ihr neuestes Produkt zu präsentieren. Wie wichtig ist der deutsche Markt für Sie? 

Dyson: Das ist wirklich ein emotionaler Tag für mich. Vor 15 Jahren haben wir hier unsere deutsche Niederlassung gegründet. Der deutsche Markt ist sehr wichtig für uns, weil er nicht nur groß ist, sondern auch sehr speziell. Denn die Deutschen wissen Qualität und neue Technologien zu schätzen. Sie wollen zuverlässige Werte für ihr Geld und nicht einfach die billigsten Sachen. Es sind schwierige Kunden, aber gerade deswegen auch gute Kunden.

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Wie, glauben Sie, kommt Ihr händetrocknender Wasserhahn hier an?

Sehr gut, denn schon allein das Material – rostfreier Edelstahl, der auch beim Schiffsbau eingesetzt wird und den wir mit unserem selbst entwickelten Laserschneider bearbeiten – ist von kompromissloser Qualität. Dahinter verbirgt sich jede Menge nützliche Hightech: ein leichter und leistungsstarker Motor, der innerhalb von Sekunden auf 90 000 Umdrehungen pro Minute beschleunigt, Infrarotsensoren und ein Helmholtz-Schalldämpfer.

Wie können sich Innovationen wie diese durchsetzen in einem globalen Markt, in dem für wenig Geld schnell und viel produziert werden soll?

Der globale Markt hat sich sehr verändert. China, Japan, Korea, Süd-Afrika: Sie alle können natürlich ähnliche Produkte wie wir herstellen. Aber der Gewinner wird derjenige sein, der die beste Technologie hat, mit der er dann auch weltweit große Gewinne erzielen wird. Und um die beste Technologie entwickeln zu können, müssen wir natürlich investieren und finanzielle Risiken eingehen. Ich glaube also, dass nur die Unternehmen am Ende überleben werden, die risikofreudig und technologiebewusst sind.

Sie lassen sich viel Zeit für Ihre Innovationen. Können Sie sich das leisten?

Das stimmt. Wir haben seit 1993 nur vier Produktkategorien auf den Markt gebracht. Eigentlich sollte ich völlig frustriert sein. Aber wir sind ein privates Unternehmen und können uns viel Zeit nehmen für Forschung und Entwicklung. An meinem ersten beutellosen Staubsauger habe ich fünf Jahre geforscht und gebaut. Oder nehmen Sie das Produkt, das wir in Hamburg vorgestellt haben: 125 Ingenieure haben drei Jahre lang am „Airblade Tap“ geforscht, entwickelt und designt, 3300 Prototypen gebaut und 213 Mio. Mal das Händetrocknen simuliert. Wenn wir schneller werden wollen, brauchen wir mehr Ingenieure und das ist in Großbritannien ein Riesenproblem.

Was inspiriert Sie bei Ihrer Arbeit?

Die Frustrationen des täglichen Lebens. In die Erfindung meines ersten Staubsaugers habe ich mich so hereingekniet, weil ich mich über alle anderen Staubsauger und ihre Ineffizienz aufgeregt habe. Und, was unser neuestes Gerät angeht: Die Menschen müssen mit ihren tropfenden Händen durch den ganzen Waschraum laufen, dann am Händetrockner Schlange stehen. Die naheliegende Antwort war also, alles in einem Gerät zusammenzuführen. Ganz am Anfang meiner Karriere sollte ich übrigens High-Speed-Landungsboote bauen. Das fand ich nicht so spannend. Schließlich benutze ich die nicht jeden Tag.

Welche Philosophie hält Ihr Unternehmen zusammen?

Wir machen pure Produkte, die jedes Mal besser werden. Das ist wichtig. Nicht unser Firmenname, unser Label oder der Look. Wir beschäftigen nicht einen einzigen Designer, nur Ingenieure, die auch etwas von Design verstehen. Das ist etwas ganz anderes. Das heißt, Design ist ein integraler Bestandteil unserer Entwicklungsarbeit, aber am Ende dient es nur dazu, das Produkt zu optimieren. Und wir schauen immer nach vorne, nie zurück. Marktanalysen brauchen wir nicht.

Keine Marktanalysen?

Nein. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Sie kennen doch diese dreckigen Fußspuren auf dem Boden. Wenn Sie mit einem Staubsauger darüberfahren, machen Sie es nur noch schlimmer. Das liegt an der Statik, die den Schmutz am Boden hält. Wieder ein ganz alltägliches Problem. Wir haben also eine kleine Bürste in die Staubsaugerdüse eingebaut, wie man sie früher für Schallplatten benutzt hat. Also bauen wir jetzt den einzigen Staubsauger, der dreckige Fußspuren wegmacht. Hierfür brauche ich keine Marktanalyse.

Sie haben auch ein besonderes Verhältnis zu Fehlern.

Ich glaube an Fehler. In der Schule hat man uns gesagt: Ihr müsst immer die richtige Antwort geben und zwar beim ersten Mal. Das ist absolut der falsche Weg. So lernen Sie nichts außer der richtigen Antwort. Ich würde Menschen danach bewerten, wie viele Fehler sie gemacht haben. Je mehr Fehler, desto besser. Egal, ob Sie einen Film drehen, ein Buch schreiben oder eine Technologie entwickeln: Sie gehen doch immer los und wissen nicht genau, wo Sie herauskommen. Nur durch Fehler machen wir Entdeckungen.

Was halten Sie vom deutschen Ingenieurwesen?

Ich finde es gut, dass in der Branche Familienunternehmen eine so große Rolle spielen. Wenn in Großbritannien jemand ein Geschäft beginnt, verkauft er es bei der ersten Gelegenheit, nimmt das Geld und fühlt sich sicher. Ich bewundere den Weg, den der deutsche Mittelstand geht – mit langfristigen Visionen über viele Generationen hinweg. Das ist wirklich eine Stärke und könnte weltweit beispielhaft sein. Denn ein Unternehmen zu betreiben heißt nicht, nur Geld zu verdienen, sondern auch für eine Philosophie zu stehen, Menschen zu beschäftigen und sich um sie zu kümmern. In kleinen Städten kann ein Unternehmen für Wohlstand, Gesundheit und Lebensqualität sorgen.

Fühlen Sie sich verantwortlich für Ihre Mitarbeiter und Ihre Region?

Das ist unser Job. Zu oft geben Ven-
ture-Kapitalisten und Banken den Ton in einem Betrieb an und bestimmen damit über die Menschen. Ich hingegen fühle mich selbst verantwortlich für meine Mitarbeiter. Wir sind der größte Arbeitgeber in unserer Stadt, wenn nicht sogar in unserer Grafschaft. Wir kümmern uns um Schulen und Wohnungen. Aber genauso wichtig ist es, kreativen Reichtum für das Land insgesamt zu entwickeln. Deswegen kämpfe ich dafür, mehr Ingenieure auszubilden.

Der Ingenieurmangel ist auch in Deutschland ein großes Thema. Was ist Ihr Rat?

Wir müssen ganz früh anfangen. Nur 5 % meiner Ingenieure hatten in der Schule das Fach „Design und Technologie“. Ich setze mich dafür ein, dass es mehr werden. Solche Science Courses in der Schule wären auch ein guter Weg für Deutschland. Auch Mädchen sind viel mehr gewillt, Ingenieurin zu werden, wenn sie solche Kurse besucht haben. Sie verlieren dann die Angst vor Technik. Wir haben einige Ingenieurinnen bei Dy-
son, aber nicht so viele, wie ich gerne hätte.

Wenn Sie sich selbst beschreiben würden: Sind Sie Ingenieur, Designer oder Künstler?

Ich bewundere das 19. Jahrhundert. Da konnte man sein, was man wollte, und musste sich nicht über eine Profession definieren. Ich bin eine Mischung des 19. und 21. Jahrhunderts: ein Ingenieur mit einem guten Sinn für Design. Und ich bin auch Handwerker. Früher habe ich Möbel gebaut, später 5000 Prototypen für meinen Staubsauger zusammengeschraubt. Alle meine Ingenieure bauen übrigens ihre Prototypen selber. Wir haben keine Techniker oder Modellbauer. Nur, wer selbst baut und erprobt, ist wirklich kreativ. 
JUTTA WITTE

Ein Beitrag von:

  • Jutta Witte

    Surpress Journalistenbüro in Tübingen. Themenschwerpunkte: Bildung, Forschung und Wissenschaft.

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