Interview 18.04.2023, 08:01 Uhr

Von Salz und Keramik: Batterie auf Salzbasis von ALTECH und dem Fraunhofer-Institut

Keramische Festkörperbatterie: Altech-Gruppe kommerzialisiert zusammen mit dem Fraunhofer Institut für keramische Technologien und Systeme
(IKTS) eine Batterie auf Salzbasis. Uwe Ahrens, Geschäftsführer der Altech Batteries GmbH und Vorstand der Altech Advanced Materials AG erklärt im Gespräch mit ingenieur.de, wie die neuartige keramische Festkörperbatterie auf Basis von Kochsalz funktioniert.

Batterie auf Salzbasis

Altech-Gruppe kommerzialisiert zusammen mit dem Fraunhofer Institut eine Batterie auf Salzbasis..

Foto: Frauenhofer IKTS

In diesem Interview erfahren Sie auch, wie die Idee zur Entwicklung von Festkörperbatterien entstanden ist und welche Vorteile sie bieten.

Was ist das Ziel von ALTECH und dem Fraunhofer-Institut bei der Produktion von Festkörperbatterien?

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Unser Ziel ist klar definiert: Wir wollen schnellstmöglich eine keramische Festkörperbatterie auf Basis von Kochsalz unter dem Namen Cerenergy® auf den Markt bringen. Dazu hat die Altech-Gruppe, zu der die beiden börsennotierten Muttergesellschaften Altech Batteries Limited (Australien) und Altech Advanced Materials AG (Deutschland) gehören, zusammen mit der Fraunhofer-Gesellschaft in München die Firma Altech Batteries GmbH gegründet. Die fertig entwickelte Batterie soll in einer ersten Ausbaustufe in einem Werk mit einer Kapazität von 100 MWh pro Jahr in Schwarze Pumpe (Sachsen) produziert werden. Aktuell wird eine detaillierte Wirtschaftlichkeitsstudie hierfür erstellt. Das Grundstück haben wir bereits erworben und das Detailengineering der Produktionsanlage geht gut voran. Wir haben einen straffen Zeitplan, um noch in diesem Jahr mit der Gesamtinvestition beginnen zu können. Ziel ist es, mit dieser ersten Linie so bald wie möglich den Markteintritt zu gewährleisten, um dann den weiteren Ausbau im Gigawattbereich voranzutreiben.

Potenzial der Festkörperbatterien

Welches Potenzial haben die Festkörperbatterien im Vergleich zu anderen Batterietechnologien und welche Vorteile bieten sie?

Diese Batterien verfügen über eine Vielzahl signifikanter Vorteile in der Herstellung und Anwendung. Zum einen ist die temperaturunabhängige Nutzung zu nennen. Ohne eine externe Kühlung oder Erwärmung kann die Batterie ohne Spannungsverluste in einem Bereich zwischen -20 °C bis +60 °C eingesetzt werden. Das erweitert nicht nur den geografischen Einsatzbereich, sondern gleichzeitig werden die Nebenkosten deutlich gesenkt, da ein Temperaturmanagement durch Klimaanlagen entfällt. Die Batterien sind somit auch völlig geräuschlos.

Im Gegensatz zu heutigen Lithium-Ionen-Batterien sind die Cerenergy®-Batterien nicht brennbar. Es kann keine thermische Kettenreaktion entstehen, da in der Batterie keine brennbaren Materialien enthalten sind. Der Hauptbestandteil der Batterien wird aus gewöhnlichem Kochsalz gewonnen. Das erhöht das Einsatzspektrum gewaltig: Die Batterien können völlig unbedenklich in Gebäuden und Hallen betrieben werden. Sicherheitsabstände sind nicht einzuhalten und die Batterien lassen sich auch gefahrlos stapeln. All das geht nicht mit herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien. Diese enthalten einen flüssigen brennbaren Elektrolyten sowie einen brennbaren Kunststoffseparator und sind, wie hinreichend bekannt ist, faktisch nicht löschbar, wenn erstmal eine chemische Kettenreaktion, bei der Sauerstoff entsteht, ausgelöst wird.

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Cerenergy®-Batterien altern praktisch nicht und besitzen die vollständige Ladeleistung über die gesamte Lebensdauer von über 15 Jahren.

Unterschied zu Lithium-Ionen-Batterien

Was ist der wesentliche Unterschied zwischen Festkörperbatterien und Lithium-Ionen-Batterien?

Eine Cerenergy®-Batterie enthält kein Lithium, kein Kobalt, kein Graphit und kein Kupfer, sondern in erster Linie nur Natrium und Aluminiumoxid (Keramik). Beides sind Stoffe, die lokal verfügbar sind und in umweltfreundlichen und verantwortungsvollen Lieferketten bereitgestellt werden können. Eine Cerenergy®-Batterie besteht aus einem Keramikrohr, dem Festkörperelektrolyt (leitend für Natriumionen) mit einem positiven Kollektor in der Mitte. Das feste keramische Rohr erfüllt die gleiche Funktion wie ein flüssiger Elektrolyt in einer Lithium-Ionen-Batterie, indem es den bi-direktionalen Transfer von Natrium-Ionen durch das keramische Rohr ermöglicht. Dieser Festkörperelektrolyt sowie die nicht vorhandene Graphitanode verhindern jeglichen Verlust von Natrium-Ionen. Ganz im Gegenteil zu Lithium-Ionen-Batterien, in denen Lithium-Ionen verloren gehen und damit die Kapazität der Batterie über die Lebensdauer ständig sinkt. Die Keramikröhre der Cerenergy® ist mit einem Kathodengranulat gefüllt, das neben Kochsalz andere Additive enthält, die einen Teil der IP und des Know-hows der Altech Batteries darstellen.

Welche Vorteile haben die Festkörperbatterien von ALTECH und dem Fraunhofer-Institut, insbesondere in Bezug auf ihre höhere Lebensdauer?

Uwe Ahrens

Uwe Ahrens, Geschäftsführer der Altech Batteries GmbH und Vorstand der Altech Advanced Materials AG.

Foto: Altech

Die Lebensdauer von Lithium-Ionen-Batterien ist je nach Anwendung auf 7-10 Jahre und häufig weniger begrenzt. Ihre Leistung verschlechtert sich mit jedem Lade- und Entladezyklus. Diese Einbußen sind häufig auf schädliche Nebenreaktionen, wie Dendriten-Wachstum, Lithiumverlust in Folge der Trennschichtbildung auf der Anode und anderer Reaktionen im Elektrolyt als auch der Kathodenstrukturen zurückzuführen. Diese negativen Effekte treten viel schneller ein, wenn die Batterie schnell (hohe C-Rate) und häufig (>1x pro Tag) oder außerhalb des idealen Temperaturbereichs betrieben wird, was sehr oft der Fall ist. Das MegaPack eines bekannten Herstellers beispielsweise garantiert einen Lade-Entladezyklus pro Tag. Wir schaffen mit Cerenergy® drei pro Tag.

Im Gegensatz dazu beträgt die Lebensdauer von Cerenergy®-Batterien mindestens 15 Jahre ohne nennenswerten Leistungsabfall.

Der größte Vorteil ist die faktische Wartungsfreiheit. Man schließt die Batterien an und das war es: Plug and Play. Da es keinen mechanischen Lüfter gibt, der Betrieb ohne Klimaanlagen auskommt und die Batteriezellen ungefährlich sind und demnach nicht überwacht, gesteuert oder ausgetauscht werden müssen, liegen die Betriebskosten unserer Cerenergy® signifikant untere denen einer Lithium-Ionen-Batterie. Wir erwarten Zykluskosten von 5 Cent und weniger.

Wie kam es zur Idee und Entwicklung der Festkörperbatterien und wie lange hat die Entwicklung gedauert?

Die Idee einer auf Keramik basierenden Batterie auf Basis von Salz ist nicht neu. Das Grundprinzip wurde schon in den 80er/90er Jahren in der sogenannten Zebra-Batterie angewendet. Der große Unterschied ist die zielgerichtete Entwicklung der Batterie für eine Anwendung im Netzbetrieb, mit leistungsstarken Zellen, die im industriellen Maßstab jetzt mit entsprechend hoher Qualität kostengünstig produziert werden können. Für diese Entwicklung hat das Fraunhofer-Institut für keramische Technologien und System IKTS in Dresden und die angeschlossenen Institute in Hermsdorf und Arnstadt 10 Jahre geforscht und einen mittleren 2-stelligen Millionenbetrag investiert. Die Batterietechnologie ist fertig entwickelt, eine Pilotfertigung in Hermsdorf erstellt und betriebsfertige Batterieprotoptypen mit 10kWh-Leitung gebaut worden, die jetzt in Dresden betrieben werden. Für die industrielle Fertigung haben wir ein BatteryPack™ mit 60kWh und ein GridPack™ mit 1MWH Leistung entwickelt. Diese wollen wir in Schwarze Pumpe produzieren.

Batteriespeicher sind das Nadelöhr für die Energiewende. Foto: Altech

Batteriespeicher sind das Nadelöhr für die Energiewende.

Foto: Altech

Anwendungsbereiche für keramische Festkörperbatterie auf Basis von Kochsalz

In welchen Anwendungsbereichen können die Cerenergy®-Batterien eingesetzt werden und was bedeutet eigentlich dieser Name?

Der Name Cerenergy® leitet sich aus Ceramics und Energy ab und steht somit für die Energiespeicherung auf Basis keramischer Werkstoffe und Technologien. Die Batterie ist für den stationären Betrieb konzipiert. Die Energiewende und der effektive Einsatz erneuerbarer Energien wie Solar- und Windenergie sind nur möglich mit angemessenen Energiespeichern, die als Energiepuffer zwischen der Energieerzeugung und -verbrauch dienen, eine sinnvolle Netzauslastung ermöglichen und Verbrauchsspitzen (peak-shaving) reduzieren. Wir werden uns im ersten Schritt auf industrielle BESS- (battery energy storage system) Systeme konzentrieren und Energieversorger, Stadtwerke und Industriekunden adressieren.

Warum konzentrieren sich ALTECH und das Fraunhofer-Institut auf den Markt für stationäre Energiespeichersysteme und Zwischenspeicherlösungen für grünen Wasserstoff?

Wir konzentrieren uns nicht auf Wasserstoff. Es ist nur so, dass bei der elektrolytischen Erzeugung von Wasserstoff viel Energie verbraucht wird und es deshalb erforderlich ist, grünen und möglichst günstigen Strom zu nutzen. Das geht natürlich nur, wenn man Batteriespeicherkapazität vorhält und somit sicherstellen kann, dass günstiger grüner Strom kontinuierlich zur Verfügung steht. Aus diesem Grund werden wir von vielen Unternehmen angesprochen, ob wir diese Energiespeicher liefern können. Und ja, das werden wir können.

Die Cerenergy®-Batterien können alle bestehenden Leistungsanforderungen an eine Netzbatterie erfüllen und bieten die Möglichkeit von 3 Zyklen innerhalb von 24h. Das macht die Batterie mit einer Spannung von 600V und Nennstrom von 100A zum Idealen Netz- und Langzeitspeicher.

Renommierte Prognosen gehen davon aus, dass der Markt für Netzspeicher in den kommenden Jahrzehnten jährlich um ca. 28 Prozent wachsen wird. Der globale Markt für Batteriespeichersysteme wird voraussichtlich von 4,4 Mrd. USD im Jahr 2022 auf 15,1 Mrd. USD im Jahr 2027 wachsen. Auf längere Sicht wird ein Wachstum von 20 GW im Jahr 2020 auf über 3.000 GW im Jahr 2050 erwartet. Die zukünftig produzierten CERENERGY®-Batterien können einen ressourcenschonenden und sicheren Betrieb bei niedrigen Anschaffungs- und Betriebskosten für den stationären Energiespeichermarkt bieten.

Wie weit ist der Kommerzialisierungsprozess der Festkörperbatterien fortgeschritten?

Die Batterie ist durchentwickelt, ein „Testwerk“ hat entsprechende Batterien bereits produziert, die im IKTS in Dresden im Betrieb sind. Jetzt skalieren unsere Ingenieure das Ganze auf ein industrielles Niveau. Unsere Machbarkeitsstudie läuft und wird nach jetziger Planung noch in Q3 dieses Jahres abgeschlossen. Das entsprechende Grundstück für das Werk haben wir in Schwarze Pumpe erworben. Die Politik und Verwaltung unterstützen uns sehr gut bei unseren Plänen, schnellstmöglich die Produktionsanlagen hochzuziehen. Wir haben alle Zulieferer ausgewählt und die Detailplanung läuft auf Hochtouren. Wann wir produzieren können, wissen wir aktuell noch nicht ganz genau. Die positiven Ergebnisse der Machbarkeitsstudie vorausgesetzt, gehen wir aktuell davon aus, dass wir in 2024 mit dem Bau der Produktionsanlage beginnen und bereits Ende 2025 erste Batterien industriell fertigen.

Wie erklären Sie das Konzept der Ressourcenschonung bei der Produktion der CERENERGY®-Batterien?

Grundstoff der CERENERGY® ist gewöhnliches Kochsalz, das nahezu überall und fast unbegrenzt verfügbar ist. Im Gegensatz dazu kommen in den klassischen Batterien Lithium, Kobalt, Graphit und Kupfer zum Einsatz. Alle diese Metalle müssen teuer abgebaut werden, ihre Vorkommen sind begrenzt und in den Herkunftsländern herrschen teilweise prekäre Umwelt- und Arbeitsbedingungen. Darüber hinaus bestehen Abhängigkeiten in den Lieferketten zu Drittstaaten und die Marktpreise für diese Rohstoffe schwanken enorm. Es ist klare EU-Strategie, von diesen kritischen Rohstoffen unabhängig zu werden. Doch ist es völlig ungewiss, woher die Unmengen an Rohstoffen für die prognostizierte Batterienachfrage und geplante Batterieproduktion in Europa überhaupt herkommen sollen. Im Gegensatz dazu können die CERENERGY®-Batterien in Deutschland mit lokalen Lieferketten verantwortungsvoll und umweltfreundlich produziert werden. Wir stehen damit nicht in Konkurrenz zu den Materialien der Lithium-Ionen-Batterie, die für die Elektromobilität unersetzlich sind.

Wie unterscheidet sich der Ansatz von ALTECH und dem Fraunhofer-Institut zur Produktion von Festkörperbatterien von der vielversprechenden Batterietechnologie auf Keramikbasis, die von der TU Wien entwickelt wurde?

Wir möchten hier nicht andere Batteriekonzepte kommentieren. Es gibt hunderte vielversprechende Konzepte, die theoretisch, physikalisch und auch labortechnisch funktionieren. Eine kostengünstige und effiziente industrielle Umsetzung, Anwendung und Akzeptanz ist eine ganz andere Hausnummer und eine Aufgabe i.d.R. von Jahrzehnten. Wir bei Fraunhofer und Altech haben eine fertige Batterie und konzentrieren uns jetzt ausschließlich auf die professionelle, qualitätsorientierte Massenproduktion in Serie.

Cerenergy

Die Cerenergy®-Batterien sind nicht brennbar.

Foto: Fraunhofer-IKTS

Was meinen Sie, welche Herausforderungen müssen in der Batterietechnologie der Zukunft noch gemeistert werden?

Grundsätzlich muss die Leistungsfähigkeit deutlich erhöht und der Ressourceneinsatz signifikant gedrosselt werden. Mittelfristiges Ziel muss es sein, die Speicherkosten mindestens zu halbieren. Batteriespeicher sind das Nadelöhr für die Energiewende. Bei der Erzeugung erneuerbarer Energie durch Wind und Sonne sind wir schon recht weit. Die wahre Herausforderung aktuell ist die Speicherung und zeitversetzte Abgabe dieser Energie. Das geht nur mit einem massiven Ausbau der Speicherkapazitäten, ohne eine neue ökologische Belastung zu erzeugen. Hier wird unsere CERENEGY® einen signifikanten Beitrag leisten und einen gangbaren Weg für reduzierte Kosten bei umweltfreundlicher Ressourcenverwendung aufzeigen.

Inwiefern können Ihrer Meinung nach künstliche Intelligenz und andere Technologien künftig zur Optimierung von Batterien beitragen?

Diese Optimierung wird nicht nur bei der Batterietechnik ansetzen. Die intelligente Verteilung und Einspeisung von Energie und das Management der Netze gilt es weiter zu optimieren und umzubauen. Hier werden KI-Lösungen mit Sicherheit einen Beitrag leisten. Smart Meter scheint auch eine Technik zu sein, die vom Einsatz künstlicher Intelligenz profitieren wird. Wir stehen da erst ganz am Anfang einer spannenden Entwicklung. Die Verbindung von künstlicher Intelligenz mit Nachhaltigkeitsthemen wird ein wichtiger Treiber der Entwicklung werden. Wir werden hier Dinge sehen, die wir uns jetzt noch gar nicht vorstellen können. Ich bin da sehr optimistisch, dass hier ein enormes Potential gehoben werden kann. Nicht zu unterschätzen ist dabei aber eine kritische Auseinandersetzung mit ethischen, moralischen und sicherheitstechnischen Anforderungen an KI. Da haben wir als Gesellschaft noch viel Arbeit vor uns.

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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