Forschungsreaktor Jülich 28.04.2014, 18:58 Uhr

Historie aufgearbeitet: Störfälle wurden über Jahre vertuscht

Im 1988 stillgelegten Forschungsreaktor in Jülich sind in den 21 Betriebsjahren offenbar zahlreiche Störfälle vertuscht worden. Dies hat eine Expertengruppe herausgefunden, die mit der Aufarbeitung der Historie beauftragt wurde.

Auf dem Gelände der Forschungsanlage in Jülich stehe mehrere ausgemusterte Reaktoren. Im Bild der Forschungsreaktor FRJ-2 (DIDO), der von 1962 bis 2006 mit einer maximalen thermischen Leistung von zuletzt 23 MW betrieben wurde. Jetzt zeigt sich, dass viele Störfälle beschönigt wurden.

Auf dem Gelände der Forschungsanlage in Jülich stehe mehrere ausgemusterte Reaktoren. Im Bild der Forschungsreaktor FRJ-2 (DIDO), der von 1962 bis 2006 mit einer maximalen thermischen Leistung von zuletzt 23 MW betrieben wurde. Jetzt zeigt sich, dass viele Störfälle beschönigt wurden.

Foto: Forschungsanlage Jülich

Nach der Atomkatastrophe von Fukushima im März 2011 setzten das Forschungszentrum Jülich und die „Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor“ (AVR) eine unabhängige Expertengruppe ein, um die Historie des Atomreaktors aufzuarbeiten.Deren Abschlussbericht wurde gestern veröffentlicht.

1978 drangen danach 27.000 Liter Wasser in den inneren Teil des Reaktors ein. Erst sechs Tage nach Beginn des Störfalls hatte das Personal damals den Reaktor heruntergefahren. Der Aufsichtsbehörde meldeten die Betreiber einen Störfall der niedrigsten Meldekategorie „N“, also eine „geringe sicherheitstechnische Bedeutung“. Diese Meldung stuft der Bericht nun als „nicht sachgerecht“ ein.

Top Stellenangebote

Zur Jobbörse
Kliniken Maria Hilf-Firmenlogo
Techniker / Ingenieur / Master / Bachelor (w/m/d) Bauwesen, Versorgungstechnik (H/L/S), Elektrotechnik als Projektmanager für den Geschäftsbereich Technik-, Bau- und Liegenschaftsmanagement Kliniken Maria Hilf
Mönchengladbach Zum Job 
Stadtwerke München GmbH-Firmenlogo
Bauoberleitung für Neubauprojekte der Gleisanlagen der Münchner Straßenbahn (m/w/d) Stadtwerke München GmbH
München Zum Job 
Stadtwerke München GmbH-Firmenlogo
Abwicklungsleiter*in M-Solar (m/w/d) Stadtwerke München GmbH
München Zum Job 
Hamburger Energiewerke-Firmenlogo
Projektleiter Ingenieur Fernwärmeleitungsbau (w/m/d) Hamburger Energiewerke
Hamburg Zum Job 
Hamburger Energiewerke-Firmenlogo
Projektmanager Konzeption Photovoltaik (w/m/d) Hamburger Energiewerke
Hamburg Zum Job 
Hamburger Energiewerke-Firmenlogo
Projektleiter (w/m/d) Anlagenbau Energietechnik Hamburger Energiewerke
Hamburg Zum Job 
Stadtwerke München GmbH-Firmenlogo
Abwicklungsleiter*in M-Solar (m/w/d) Stadtwerke München GmbH
München Zum Job 
LBD-Beratungsgesellschaft mbH-Firmenlogo
Senior-Berater:in für die Wärmewende LBD-Beratungsgesellschaft mbH
Stadt Gifhorn-Firmenlogo
Technische Sachbearbeitung (m/w/d) als Dipl.-Ing. Fachrichtung Tiefbau (FH/Bachelor) Stadt Gifhorn
Gifhorn Zum Job 
SALT AND PEPPER Technology-Firmenlogo
Hardware-Entwickler (m/w/d) PCB Design SALT AND PEPPER Technology
Hamburg Zum Job 
SALT AND PEPPER Technology-Firmenlogo
Technischer Projektmanager (m/w/d) im Entwicklungsumfeld SALT AND PEPPER Technology
Hamburg Zum Job 
SALT AND PEPPER Technology-Firmenlogo
C++ Softwareentwickler (m/w/d) Medizinische Messtechnik SALT AND PEPPER Technology
Hamburg Zum Job 
Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme IWES-Firmenlogo
Elektrotechniker*in Prüfstand, Elektrische Messtechnik und Mittelspannung Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme IWES
Bremerhaven Zum Job 
Landkreis Grafschaft Bentheim-Firmenlogo
Ingenieur:in (Dipl.-Ing. FH bzw. BA)|im Bereich Landschaftsplanung und Naturschutz Landkreis Grafschaft Bentheim
Bad Bentheim Zum Job 
Excellence AG-Firmenlogo
Projektleiter (w/m/d) Elektrische Energieversorgungsanlagen Excellence AG
Hamburg Zum Job 
Excellence AG-Firmenlogo
Bauingenieur Erneuerbare Energien (m/w/d) Excellence AG
Hamburg Zum Job 
Excellence AG-Firmenlogo
Softwarekoordinator (m/w/d) Excellence AG
DEUTZ AG-Firmenlogo
Projektingenieur / RAMS Ingenieur (m/w/d) im Reklamationsmanagement DEUTZ AG
Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung-Firmenlogo
Bauingenieurin / Bauingenieur - Tiefbau (w/m/d) als Teilprojektleitung / Projektsachbearbeitung Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung
WISAG Elektrotechnik Berlin-Brandenburg GmbH & Co. KG-Firmenlogo
Elektroingenieur | Meister als Planer (m/w/d) für Großanlagen WISAG Elektrotechnik Berlin-Brandenburg GmbH & Co. KG

Die automatische Notabschaltung wurde überbrückt

Die Techniker haben laut Bericht die Notabschaltung so manipuliert, dass trotz gemessener „zu hoher Kühlgasfeuchte“ eine automatische Notabschaltung überbrückt wurde. „Der Messbereich wurde noch weiter verstellt, um eine Schnellabschaltung zu vermeiden“, heißt es. Im Klartext: Das Notfallsystem wurde bewusst abgeschaltet.

In vielen Fällen ging es offenbar ähnlich kreativ zu in Jülich. Insgesamt wurden dort bis zum Betriebsende 1988 ohnehin nur 48 Ereignisse gemeldet – „deutlich weniger als bei anderen deutschen Kernkraftwerken“. Bei Stichproben in den vorgelegten Dokumenten fanden sich aber Hinweise auf andere – nicht gemeldete – Ereignisse: ein Säureeinbruch 1971, eine unbeabsichtigte Kettenreaktion 1977, ein Gebläse-Schaden 1978, wiederholte Störungen an der Beschickungsanlage für den aus rund 100.000 kleinen Brennstoffkugeln bestehenden Reaktorkern.

Dahinter steckte offenbar System. So wurde der Reaktor zeitweise mit acht verschiedenen Arten von Brennelementtypen betrieben. Der Berliner Atomexperte und Buchautor Gerd Rosenkranz urteilt, dass es ausgeschlossen sei, hier noch „reproduzierbare Ergebnisse“ zu erhalten. Rosenkranz erschüttert vor allem, dass man damals trotz offenbar „grundsätzlicher Probleme“ mit dem Reaktor in der ganzen Welt mit diesem Reaktorkonzept „hausieren gegangen“ sei, um die Technik anzupreisen.

14 Jahre lang keine Temperaturmessungen

Die Temperatur im Reaktor war laut den Experten sehr viel höher, als es die Berechnungen erlaubten. Die kreative Reaktion der Betreiber: Sie schraubten einfach den Grenzwert in die Höhe. Eine Messung beispielsweise mit sogenannten „Monitorkugeln“ bewies, dass mit den Temperaturen etwas nicht stimmte. Dennoch erfolgte zwischen 1972 und 1986, also über 14 Jahre hinweg „keine weitere Temperaturmessung mit Monitorkugeln“, obwohl sich „viele einschlägige Randbedingungen geändert hatten“, schreiben die Experten in ihrem vernichtenden Bericht. Fazit der Gutachter: „Für die Expertengruppe ist nicht nachvollziehbar, warum zwischen 1972 und 1986 keine weitere Temperaturmessung mit Monitorkugeln erfolgte.“

„Die Experten konnten bestätigen, dass Menschen und Umwelt durch den Betrieb keiner radiologischen Gefahr ausgesetzt waren“, heißt es in einer offiziellen Stellungnahme des Forschungszentrums Jülich, die gemeinsam mit der AVR die Studie in Auftrag gegeben hatte. Mitglieder der Expertengruppe waren Diplom-Physiker Christian Küppers, Reaktorsicherheitsexperte Lothar Hahn, Prof. Dr. Volker Heinzel als ehemaliger Leiter des Instituts für Reaktorsicherheit in Karlsruhe sowie Dipl.-Ing. Leopold Weil, zuletzt Leiter des Fachbereichs „Sicherheit in der Kerntechnik“ beim Bundesamt für Strahlenschutz.

Tritium gelangte 1978 in die Umgebung

Fakt ist: Beim Dampferzeugerstörfall im Jahre 1978 kam es zu erhöhter radioaktiver Freisetzung im Inneren. Solche Kontaminationen beim Reaktorbetrieb können „insbesondere die Strahlenexposition des Betriebspersonals bei Arbeiten am Primärkreis erhöhen“. Tritium gelangte übrigens auch in die Umgebung. Allerdings gab es dafür 1978 noch keinen Grenzwert: „Der später festgelegte Grenzwert wäre aber etwa um das Dreifache überschritten worden.“

Der Forschungsreaktor FRJ-1 (MERLIN) wurde 1962 in Betrieb genommen und diente für Bestrahlungsexperimente insbesondere im Bereich der Materialforschung. Der Reaktor wurde nach 23 Betriebsjahren 1985 endgültig abgeschaltet.

Der Forschungsreaktor FRJ-1 (MERLIN) wurde 1962 in Betrieb genommen und diente für Bestrahlungsexperimente insbesondere im Bereich der Materialforschung. Der Reaktor wurde nach 23 Betriebsjahren 1985 endgültig abgeschaltet.

Quelle: Forschungsanlage Jülich

Für die Zeit des Atomaufbruchs beim Hochtemperaturreaktor (HTR) in Jülich machten die Experten Verhaltensweisen aus, „die einerseits ein ausgeprägtes Überlegenheitsgefühl aufwiesen, anderseits aber auch eine unzureichende Fähigkeit zur Selbstkritik und eine Unterschätzung beim HTR-Konzept und bei konkreten Anlagen erkennen ließen“. Der Vize-Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion Oliver Krischer erklärte: „Sogar ein Super-GAU mit Tschernobyl-Folgen war etwa bei dem sogenannten Wassereinbruchsstörfall im Jahr 1978 nicht ausgeschlossen.“

Gravierende Fehler auch auf Seiten des Forschungszentrums

Zusammengefasst zeigt der Bericht, dass es in den 21 Betriebsjahren gravierende Fehler und Versäumnisse auch auf Seiten des Forschungszentrums gegeben hat. „Dies bedauern wir ausdrücklich“, heißt es kleinlaut in der Stellungnahme. Die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis seien damals nicht immer eingehalten worden. „Mittlerweile sind solche Regeln seit über zehn Jahren für das Forschungszentrum schriftlich fixiert.“ Die Ergebnisse der Experten verstehe man als Mahnung, „der eigenen Forschung gegenüber kritisch zu bleiben.“

 

Ein Beitrag von:

  • Detlef Stoller

    Detlef Stoller ist Diplom-Photoingenieur. Er ist Fachjournalist für Umweltfragen und schreibt für verschiedene Printmagazine, Online-Medien und TV-Formate.

Themen im Artikel

Zu unseren Newslettern anmelden

Das Wichtigste immer im Blick: Mit unseren beiden Newslettern verpassen Sie keine News mehr aus der schönen neuen Technikwelt und erhalten Karrieretipps rund um Jobsuche & Bewerbung. Sie begeistert ein Thema mehr als das andere? Dann wählen Sie einfach Ihren kostenfreien Favoriten.