Ein Halbleiter für alles: Strom und Licht aus einem Material
Neuer Halbleiter aus Japan vereint LED- und Solar-Technik. Forschende zeigen, wie ein Material Licht erzeugt und zugleich Strom liefert.
Strom und Licht aus einem Material? Japanische Forschende machen es möglich.
Foto: Smarterpix / Fotofabrika
Stellen Sie sich ein Material vor, das zwei Jobs gleichzeitig übernimmt: Es kann helles, farbiges Licht erzeugen und Sonnenstrahlen in Strom verwandeln. Genau daran tüfteln Forschende am Institut für Science Tokyo – und sie haben tatsächlich einen Halbleiter gefunden, der beides kann. Ein echter Brückenbauer zwischen LED-Technik und Solarzellen.
Der Name klingt zwar wie ein Zungenbrecher – (Zn,Mg)Sc₂S₄ –, doch die Geschichte dahinter ist alles andere als trocken.
Inhaltsverzeichnis
Warum LEDs und Solarzellen bisher getrennte Wege gehen
LEDs und Solarzellen funktionieren beide mit sogenannten pn-Übergängen. Das sind Grenzflächen, an denen ein Bereich mit Elektronenüberschuss (n-Typ) auf einen Bereich mit Elektronenmangel (p-Typ) trifft. Je nachdem, wie die Elektronen und „Löcher“ miteinander interagieren, entsteht entweder Licht oder elektrischer Strom.
Das Problem: Die Materialien, die sich für LEDs eignen, sind oft schlechte Solarzellen – und umgekehrt. Silizium etwa fängt Sonnenlicht hervorragend ein, leuchtet aber kaum. Galliumarsenid wiederum strahlt stark, ist aber teuer und weniger geeignet für großflächige Photovoltaik. Genau hier setzt die Forschung in Tokio an.
Was bedeutet n-Typ und p-Typ?
- n-Typ-Halbleiter: „n“ steht für negativ. Hier gibt es einen Überschuss an Elektronen. Diese frei beweglichen Elektronen transportieren den Strom.
- p-Typ-Halbleiter: „p“ steht für positiv. Hier fehlen Elektronen – es entstehen sogenannte „Löcher“, die sich wie positiv geladene Teilchen verhalten und ebenfalls Strom leiten.
Treffen beide Bereiche aufeinander, entsteht ein pn-Übergang. Er ist das Herzstück von LEDs, Solarzellen und vielen anderen Bauelementen.
Ein Halbleiter mit doppeltem Talent
Das Team um Hidenori Hiramatsu, Kota Hanzawa und Hideo Hosono hat nun ein Material entdeckt, das beides kann. Es gehört zur Familie der Spinell-Sulfide – bekannt für ihre spezielle Kristallstruktur, die außergewöhnliche elektronische Eigenschaften möglich macht.
Unbehandelt leuchtet der Stoff orange. Tauscht man Zink gegen Magnesium, verschiebt sich die Farbe – über Grün bis hin zu Blau. Genau dieser Bereich, das „Green Gap“, war für LEDs bisher ein Schwachpunkt. „Unser Halbleitermaterial eignet sich sowohl für die grüne Lichtemission als auch für photovoltaische Anwendungen“, sagt Hiramatsu.
Chemie als Feintuning
Was die Forschenden besonders fasziniert: Mit kleinen Änderungen in der Zusammensetzung lässt sich das Material flexibel einstellen. Ein wenig weniger Zink – schon leitet es wie ein p-Typ. Ein bisschen Titan hinzu – schon wird es zum n-Typ. Damit kann der Halbleiter in beide Richtungen genutzt werden.
Das klingt technisch, heißt aber: Mit nur einer Materialfamilie könnten künftig sowohl LEDs als auch Solarzellen gebaut werden. Und nicht nur das – auch Laser oder andere optoelektronische Bauelemente sind denkbar.
Die Leitfähigkeit des Materials lässt sich über neun Größenordnungen verändern. Aus einem fast isolierenden Stoff wird so ein ordentlicher Halbleiter. Dieser große Spielraum eröffnet neue Konstruktionsmöglichkeiten für Geräte, die bisher mehrere verschiedene Materialien benötigt hätten.

ZnSc2S4 weist eine direkte Bandlücke auf und kann Licht von Orange bis Blau emittieren. Seine Zusammensetzung kann chemisch so angepasst werden, dass zwischen n-Typ- und p-Typ-Leitung über neun Größenordnungen umgeschaltet werden kann, wodurch es sich für LED- und Solarzellenanwendungen eignet.
Foto: Institute of Science Tokyo
Potenzielle Anwendungen: Von Solarzellen bis Displays
Die Entdeckung könnte gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Erstens schließt sie die Effizienz-Lücke im grünen Bereich, die viele LED-Anwendungen bislang ausgebremst hat. Zweitens könnten Solarmodule vielseitiger, einfacher und möglicherweise günstiger produziert werden.
Doch das ist nur der Anfang:
- Displays könnten farbtreuer und energieeffizienter werden.
- Laser für Glasfaserkabel oder medizinische Anwendungen ließen sich einfacher herstellen.
- Tandem-Solarzellen, bei denen verschiedene Materialien übereinanderliegen, könnten durch das Spinell-Sulfid noch leistungsfähiger werden.
Wie groß ist der Fortschritt?
Im Vergleich zum Status quo ist der Ansatz ein echter Paradigmenwechsel. Heute braucht es für LEDs, Solarzellen oder Laser meist verschiedene Materialien, die jeweils aufwendig hergestellt und kombiniert werden müssen. Das macht Geräte teuer, komplex und teilweise anfällig.
Das Spinell-Sulfid aus Tokio könnte diese Trennung überwinden: ein Allrounder, der gleich mehrere Funktionen übernimmt. Noch ist das Grundlagenforschung – von einer industriellen Massenproduktion ist man ein Stück entfernt. Doch die Möglichkeit, eine ganze Geräteklasse mit nur einer Materialfamilie abzudecken, wäre ein enormer Sprung für Optoelektronik und Energietechnik.
„Das in dieser Studie identifizierte Sulfid-Halbleitermaterial erfüllt die Anforderungen sowohl für hocheffiziente Lichtabsorber in Solarzellen als auch für grüne Lichtemitter in LEDs“, fasst Hiramatsu zusammen. „Damit ist es ein starker Kandidat für optoelektronische Geräte der nächsten Generation.“
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