Elektronenstau macht aus Wärme Strom – und das sogar effizient
Wie lässt sich mithilfe eines Elektronenstaus Strom aus Wärme erzeugen? Ein Forschungsteam der TU Wien hat einen neuen Weg gefunden, mit der es die Effizienz thermoelektrischer Materialien deutlich steigern konnte.

Schlüssel zum Erfolg: Mit einem Kagome-Gitter (l.) lassen sich die Bewegungen der Ladungsträger beeinflussen, was die thermoelektrischen Eigenschaften verbessert:
Foto: TU Wien
Elektrischen Strom in Wärme zu verwandeln, das ist keine große Kunst. Ein handelsüblicher Elektroherd stellt dies tagtäglich unter Beweis. Doch wie sieht es umgekehrt aus? Lässt sich Wärme in Strom umwandeln? Bei dieser Frage kam es den Forschenden nicht nur auf die Antwort „Ja“ an, sondern auch auf den Weg. Denn dass sich Wärme in Strom wandeln lässt, ist durch den Einsatz von Hilfsmitteln oder zusätzlichen Prozessen problemlos möglich. Beispiel Dampfturbine. Vielmehr ging es den Forschenden darum, einen direkten Weg zu finden, wie es vor über zwei Jahrhunderten dem Physiker Thomas Seebeck bereits gelungen war. Er bewies, dass sogenannte Thermoelektrika Strom erzeugen, wenn sie auf einer Seite erhitzt und auf der anderen gekühlt werden. Der dabei entstehende Temperaturunterschied sorgt für elektrische Energie, ganz ohne bewegliche Generatoren – ein Phänomen, das heute als Seebeck-Effekt bekannt ist.
Thermoelektrische Hybridwerkstoffe mit Potenzial zur industriellen Nutzung
Thermoelektrische Generatoren bieten sich besonders dort an, wo nur geringe Mengen an Strom benötigt werden, beispielsweise bei Raumfahrtmissionen. Doch die bislang verfügbaren Materialien weisen für diesen Zweck nicht ausreichend Effizienz auf. Eine Alternative zu herkömmlichen Kraftwerken stellen sie eher nicht dar. Ein Forschungsteam der Technischen Universität Wien (TU Wien) beschäftigte sich deshalb damit, neuere, leistungsfähigere Thermoelektrika zu entwickeln. Mit einer innovativen Methode gelang es dem Team nun, eine deutliche Steigerung der Leistungsfähigkeit dieser Materialien zu erreichen.
Elektronenstau erzeugt Strom aus Wärme: Der Schlüssel liegt im Material
„Trotz jahrzehntelanger Forschung an halbleitenden Materialien gab es seit der Entdeckung von Wismut-Tellurid in den 1950er-Jahren keine signifikanten Fortschritte mehr, die zu einer weitverbreiteten, alltäglichen Anwendung der Technologie geführt hätten“, erklärt Andrej Pustogow, Professor am Institut für Festkörperphysik. „Uns ist jetzt ein großer Schritt vorwärts gelungen – und zwar mit metallischen Materialien, die bisher in diesem Bereich eigentlich nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit standen.“ Betrachtet man noch einmal den Seebeck-Effekt, wird deutlich, dass hier die Beweglichkeit von positiven und negativen Ladungsträgern sowohl vom Material als auch von der Temperatur beeinflusst wird. Wird in einem Halbleiter eine Seite erhitzt und die andere gekühlt, bewegen sich die negativen Ladungsträger auf der warmen Seite schneller, wodurch dort weniger negative Ladung verbleibt als auf der kühlen Seite. Das führt zu einer Spannungsdifferenz, aus der sich Strom gewinnen lässt.
Für die meisten Metalle gilt: Dort bewegen sich sowohl positive als auch negative Ladungsträger. Das führt dazu, dass sich beide Ladungstypen eher auf der kalten Seite sammeln. Das Ergebnis: Die Effekte heben sich gegenseitig auf. „Plus und Minus gleichen sich aus, also entsteht auf diese Weise keine Spannung“, erläutert Pustogow. Deshalb galten Metalle bisher als ungeeignet für den Seebeck-Effekt. Doch das Team der TU Wien konnte genau das Gegenteil belegen: Metalle eignen sich durchaus als Thermoelektrika.
Verschiedene Geschwindigkeiten erzeugen Elektronenstau
Den entscheidenden Unterschied machte folgender Ansatz: Die Forschenden brachten positive und negative Ladungsträger dazu, sich unterschiedlich schnell zu bewegen. Das sei vergleichbar mit dem Verkehr auf einer Autobahn, so die Forschenden. „Die positiven Ladungen fließen auf der linken Spur, die negativen auf der rechten Spur. Indem wir auf der linken Spur einen Stau erzeugen, bleiben die positiven Ladungen stecken, während die negativen Ladungen auf der rechten Spur ungehindert fließen“, beschreibt Pustogow das Prinzip. Auf diese Art und Weise entstünden hervorragende Thermoelektrika. Schon 2023 war dies dem Team mit bestimmten Nickel-Gold-Legierungen gelungen. Jetzt sei eine günstigere Alternative gefunden: aus Nickel und Indium.
Die Suche nach noch besseren und preiswerteren Lösungen hat die Forschenden beschäftigt. Sie führte sie zu sogenannten Kagome-Metallen. Der Begriff stammt aus dem Japanischen und beschreibt ein spezielles Flechtmuster aus Sechsecken und Dreiecken, wie es bei traditionellen Bambuskörben vorkommt. In manchen Materialien ordnen sich die Atome tatsächlich in solchen Mustern an, was besondere physikalische Eigenschaften zur Folge hat. Fachleute bezeichnen dies als „geometrische Frustration“, wenn bestimmte Ladungen im Material nahezu bewegungslos werden und im Kagome-Muster regelrecht gefangen sind.
Strom aus Wärme erzeugen: Kagome-Metalle als Hoffnungsträger
Das Ergebnis der Forschenden ist beeindruckend: Die Kagome-Geometrie löst einen ausgeprägten Seebeck-Effekt aus, sogar deutlich stärker als bei den bisher untersuchten Nickel-Gold-Legierungen. Die negativen Ladungen in einem Kagome-Metall fließen nahezu ungehindert, gleichzeitig sorgt der Elektronenstau der positiven Ladungen bei Raumtemperatur für eine sehr hohe Effizienz. Damit ließen sich sogar handelsübliche Wismut-Tellurid-Generatoren übertreffen. Die Forschenden vergleichen ihren Durchbruch mit dem Fund einer Goldgrube und wollen ihr System nun weiter optimieren.
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