Grüne Chemie mit schwarzem Schimmelpilz: Basis für neue Stoffe
Schwarzer Schimmel – in den eigenen vier Wänden ein Alptraum, in der Chemie ein wahrer Helfer? Zwei Ingenieure des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI) sehen im schwarzen Pilz viel Potenzial für die Zukunft der Grünen Chemie.
Der schwarze Schimmelpilz Aureobasidium pullulans verwandelt Nebenprodukte in wertvolle Chemikalien.
Foto: Tillmann Franzen
Die beiden Wissenschaftler Lars Regestein und Till Tiso sehen in dem schwarzen Schimmelpilz vor allem eins: Die Möglichkeit, die Chemieindustrie nachhaltiger zu gestalten und den Übergang zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Genau diesem Ziel soll sich ihr vor Kurzem gemeinsam gegründetes Start-up-Unternehmen, Biophelion, widmen.
Schimmelpilz als Freund und Helfer?
Die beiden Ingenieure wollen den hefeähnlichen schwarzen Pilz, auch bekannt unter dem wissenschaftlichen Namen Aureobasidium pullulans, nutzen, um Stoffgemische, die bisher als wertfreie Nebenprodukte oder sogar als Abfall gezählt haben, in etwas Nutzbares zu verwandeln. Durch seinen enorm variablen Stoffwechsel ist der Mikroorganismus dazu fähig, kohlenstoffhaltige Substanzgemische aus industriellen Abfallströmen in neue Produkte zu verwandeln. Solche Abfälle entstehen beispielsweise bei der Bioethanolproduktion oder bei der Herstellung von Papier und Zucker in großen Mengen. Durch den Einsatz des Schimmelpilzes landet der enthaltene Kohlenstoff nicht wie bisher als klimaschädliches Kohlendioxid in der Atmosphäre, sondern kann von Menschen neu genutzt werden.
Pilz produziert drei Schlüsselverbindungen
Der Schimmelpilz produziert aus diesen Abfallstoffen drei wesentliche Verbindungen: ein Polyester, aus dem zum Beispiel zukünftig Plastik für Verpackungen hergestellt werden kann, das essbare Polymer Pullulan, welches auch heute schon in der Lebensmittelindustrie eingesetzt wird, und das neuartige Tensid, dessen Eigenschaften und möglicher kommerzieller Nutzen noch nicht vollständig erforscht worden sind.
„Die Biophelion entwickelt gezielt Anwendungen, die heute noch nicht denkbar sind – gerade mit Pullulan oder unserem Tensidmolekül betreten wir Neuland“, sagt Till Tiso, CTO des Start-ups.
Pullulan für 3D-Druck interessant
Das Polymer Pullulan könnte in Zukunft beispielsweise für den 3D-Druck genutzt werden, ein Fertigungsverfahren, welches seit einigen Jahren einen enormen Aufschwung erlebt. Der hohe Materialbedarf, der dabei entsteht, könnte in Zukunft mit Pullulan gedeckt werden. Klassische Kunststoffe, die bisher dafür eingesetzt werden, könnten so reduziert werden.
Es wäre sogar denkbar, künftig 3D-gedruckte Bioreaktoren für die zirkuläre Biowirtschaft aus Pullulan herzustellen. Damit würde ihr Mikroorganismus, also der Schimmelpilz, gewissermaßen sein eigenes Kulturgefäß produzieren.
Hand in Hand mit Lehre und Forschung
Den Anstoß für die Gründung hat die Bundesagentur für Sprunginnovationen SPRIND gegeben. Der von ihnen ausgeschriebene Wettbewerb „Circular Biomanufacturing Challenge“ fördert gezielt die Gründung neuer Hochtechnologie-Unternehmen in den Lebenswissenschaften.
Als Spin-off des Leibniz-HKI und der RWTH Aachen wurde das Start-up in der zweiten von insgesamt drei Förderphasen gegründet. Das Start-up wird in Zukunft ganz in der Nähe des Leibniz-HKI zu Hause sein. Es soll auch eine enge Zusammenarbeit mit dem Institut geben, um die Bioverfahren zur Herstellung der neuen Produkte weiter zu optimieren.
Ein Beitrag von: