Studie zum globalen Plastikfluss 10.10.2025, 09:30 Uhr

Plastik im Wandel: Warum Kreislaufwirtschaft zur Überlebensfrage wird

Plastik ist überall – in Verpackungen, Textilien, Autos und sogar in der Luft, die wir atmen. Trotz wachsender Bemühungen um Recycling steigt die weltweite Produktion weiter. Die Studie „Global Plastics Flow 2023“ zeigt: Asien produziert den Großteil und investiert stark ins Recycling, Europa setzt auf Regulierung und Effizienz – doch die Plastikflut bleibt ein globales Problem.

Von Spielzeugdelfinen aus Fischernetzen bis zu Recyclingquoten-Rekorden – weltweit entstehen neue Ideen, um der wachsenden Plastikproduktion nachhaltig zu begegnen.
Foto: Martin Ciupek

Von Spielzeugdelfinen aus Fischernetzen bis zu Recyclingquoten-Rekorden – weltweit entstehen neue Ideen, um der wachsenden Plastikproduktion nachhaltig zu begegnen.

Foto: Martin Ciupek

Das Bewusstsein und die Initiativen für die umweltgerechte Behandlung von Kunststoffabfällen sowie für deren Kreislaufwirtschaft steigen – doch die Fortschritte stehen noch lange nicht in zufriedenstellender Relation zur steigenden Kunststoffproduktion. Die aktuelle Studie „Global Plastics Flow 2023“, durchgeführt von Conversio Market & Strategy, führt klar vor Augen: Plastikabfall ist ein globales Problem, doch die Ursachen und Herausforderungen hängen stark von der jeweiligen Region ab.

Weltweiter Plastikfluss – Produktion wächst

Die weltweite Kunststoffproduktion ist demnach zwischen 2018 und 2023 von 370 auf 414 Millionen Tonnen gestiegen. Gleichzeitig fielen 300 Millionen Tonnen Plastikabfall an – das entspricht 37 Kilogramm pro Kopf. Zwar werden 71 % der Abfälle inzwischen umweltgerecht entsorgt, doch 29 % gelangen weiterhin unkontrolliert in die Umwelt. Das sind fast 90 Millionen Tonnen. Der Müll wird unsachgemäß entsorgt, beispielsweise auf wilden Deponien oder er wird achtlos weggeworfen. Nichtsdestotrotz ist die Zahl des unsachgemäß entsorgten Abfalls im Vergleich zu 2018 um 3 % gesunken. Laut Thorsten Kühmann (VDMA) braucht es „ein klares Bild und entschlossene Maßnahmen gegen Verschmutzung“, um langfristige Ergebnisse zu erzielen.

Plastikproduktion verlagert sich nach Asien

Die globale Kunststoffindustrie hat sich deutlich verschoben: Heute entstehen zwei Drittel der gesamten Produktion in Asien. Haupttreiber sind wirtschaftliches Wachstum, steigende Einkommen und eine schnelle Industrialisierung, vor allem in China. Europa verliert Produktionsanteile, bleibt aber beim Recycling und der Regulierung führend.

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Abfallaufkommen und regionale Unterschiede

Nordamerika produziert laut Studie mit 122,8 Kilogramm Plastikabfall pro Kopf die größte Menge, Europa liegt mit 61,1 Kilogramm im Mittelfeld. In absoluten Zahlen entfallen dagegen 49 % des weltweiten Abfalls auf Asien, 17 % auf Europa und 15 % auf Nordamerika.
Der größte Anteil des Mülls stammt aus dem Verpackungssektor, der weiterhin das Hauptproblem der Kunststoffflüsse darstellt. Problematisch bleibt die Situation in Ländern mit schwacher Infrastruktur für Abfallmanagement, darunter zahlreiche Regionen in Afrika und Asien.

Recycling und Entsorgung in der Plastikindustrie

Positiv fällt in der Studie auf: Die umweltgerechte Entsorgung – Recycling, Verbrennung und Deponierung – hat sich verbessert.
Von den 300 Millionen Tonnen Abfall werden 213 Millionen Tonnen geordnet gesammelt.
Asien ist führend beim Gesamtvolumen recycelten Plastiks (28,4 Mio. Tonnen), während Europa mit 27 % Recyclingquote die höchste Effizienz zeigt. In den USA fehlt bislang ein geschlossenes Kreislaufsystem, da Kunststoffe dort nicht für Recycling designt und produziert werden.
Trotz des Fortschritts bleibt das Grundproblem bestehen: Mehr Produktion führt zwangsläufig zu mehr Abfall.

Best Practices und internationale Fortschritte

Die Studie nennt positive Beispiele, wie Länder Recyclingstrukturen erfolgreich aufbauen:

  • Kolumbien hat ein starkes umweltpolitisches System (Extended Producer Responsibility – EPR). Das Land verbietet Einwegplastik und integriert informelle Sammler. Die Recyclingquote wächst um 24,6 % jährlich.
  • Südafrika führt verpflichtende Herstellerverantwortung ein und baut Afrikas stärkste Recyclingindustrie auf.
  • China steigert Recycling und Energieverwertung durch massive Infrastrukturinvestitionen und nationale Richtlinien.

Europa profitiert von klaren gesetzlichen Vorgaben, Pfandsystemen und modernen Sortieranlagen.
Die Beispiele zeigen: EPR, Infrastruktur, Innovation und klare Gesetze wirken messbar.

Wirtschaftliche Hürden für die Kunststoffindustrie

Der Markt für Rezyklate bleibt schwach, weil Neuware aus fossilen Quellen billiger ist. Viele Länder haben keine stabilen Absatzmärkte für Rezyklate, was Investitionen in Recyclinganlagen erschwert. Auch illegale Exporte verschärfen das Problem – offiziell recycelter Abfall landet oft in Ländern mit schwacher Entsorgungsstruktur. Langzeitprodukte wie Bauteile, Elektronik oder Fahrzeuge sind in der Rückführung schwerer zu Erfassen. Im Gegensatz zu kurzlebigen Verpackungen werden sie erst Jahrzehnte später zu Abfall.

Wichtig für die Industrie wären deshalb neue Regulierungen und ein konsequentes Design für Recycling.  Das gilt insbesondere für Europas Kunststoffbranche mit ihren vergleichsweise hohen Energiekosten. Zudem ist hochwertiges Recyclingmaterial teurer als klassisch hergesteller Kunststoff.

Nachhaltige Praxisbeispiele

Mehrere Industrieprojekte zeigen, dass nachhaltige Kreisläufe technisch möglich sind:

  • Die Allianz Zukunft Reifen arbeitet daran, Altreifen in Europa über chemisches Recycling (Pyrolyse) in Rohstoffe, Öle und Chemikalien umzuwandeln.
  • Das polnische Unternehmen Reoil (Krakau) setzt Pyrolyse ein, um Reifenöle und andere Sekundärrohstoffe zu gewinnen.

Der Maschinenbauer Arburg verfolgt mit arburgGREENworld ein umfassendes Nachhaltigkeitsprogramm: 24 % Regenwasseranteil, 2,6 Mio. kWh Solarstrom, 71 % Recyclingquote (inkl. Metalle und Öle).

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Symbolisch steht das Projekt „Spielzeugdelfine aus Fischernetzen“ für erfolgreiches Kunststoffrecycling aus marinen Abfällen.

Arburg produziert die Spielzeugdelfine aus recycelten Fischernetzen aus dem Indischen Ozean. Foto: Tim Stockhausen

Arburg produziert die Spielzeugdelfine aus recycelten Fischernetzen aus dem Indischen Ozean.

Foto: Tim Stockhausen

Die Firma Wittmann zeigt den Einsatz von in Afrika gesammelten Kunststoffabfällen aus dem Projekt „WildPlastic“. Auf einer Maschine die mit Gleichstrom betrieben wird und somit direkt mit Strom aus Solarzellen gespeist werden kann, produziert das Unternehmen Blumentöpfe. Über einen digitalen Produktpass können alle Daten zum Material abgerufen werden.

Forschung zum Textilrecycling

Das Institut für Kunststoff- und Kreislauftechnik (IKK) an der Leibniz Universität Hannover entwickelt unter der Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), ein Verfahren, um thermoplastische Textilabfälle aus Polyurethan/Polyester-Mischgeweben aus Altkleidern für das Recycling aufzubereiten. Problematisch ist für das Textilrecycling allerdings das Materialgemisch in herkömmlicher Kleidung und Fast Fashion. So müssen vor dem eigentlichen Recycling noch Materialien voneinander getrennt werden. Das seit 2024 laufende Projekt „TexKreis“ zeigt bereits Fortschritte: Materialien können erfolgreich getrennt, zu Flocken, Granulat und Pellets verarbeitet werden. Ziel ist echtes Textil-zu-Textil-Recycling.

„Wir brauchen Monomaterialien als Ziel für die Textilbranche, um das Recycling besser und leichter machen zu können“, erklärt die Wissenschaftliche Mitarbeiterin vom IKK, Nuse Lack.

Unternehmen wie Vaude setzen bereits auf Rezyklate, stoßen aber bei Funktionskleidung auf höhere technische Anforderungen.

Neben Recycling prägen PFAS die Nachhaltigkeit beim Kunststoff

Aber nicht nur der Dauerbrenner Recycling ist derzeit ein wichtiges Nachhaltigkeitsthema für die Kunststoffbranche, sondern auch die Ewigkeitschemikalie PFAS. Das ist die Stoffgruppe per- und polyfluorierte Chemikalien. Weil sie sich in der Umwelt anreichern und teilweise gesundheitsschädliche Wirkungen nachgewiesen wurden, drohen in der EU ab 2026 erste Verbote für einzelne Produkte aus dieser Gruppe. Einige werden auch in Verbindung mit Kunststoffprodukten eingesetzt.

Die Unsicherheit bei den Anwendern spüren auch die Anbieter von Hochleistungskunststoffen. Igus aus Köln geht damit sehr offen um. Patrick Carl, Vertriebsleiter Gleitlager bei Igus erklärt auf der Messe K gegenüber VDI nachrichten: „Es sind alle Zahlen bekannt. Zwischen 10.000 und 14.000 PFAS gibt es, darunter 38 Fluorpolymere. Eines davon ist PTFE.“ Das Problem aus seiner Sicht: „Welche PFAS davon reguliert werden, untersucht derzeit die Europäische Chemikalienagentur. Ziel ist, zum Ende 2026 einen Vorschlag an das europäische Parlament abzugeben.“

Hersteller ersetzt PTFE in vielen Kunststoffprodukten

Abwarten ist für Igus keine Option: „Wir nehmen das bereits jetzt sehr ernst und bieten jetzt schon eine Vielzahl alternativer Produkte ohne PTFE-Zusatz an. Ferner testen wir diese zusätzlich auf 96 kritische PFAS, um sicherzugehen, dass diese nicht durch Hilfs- oder Betriebsstoffe in Herstellung oder Verarbeitung kontaminiert werden“, berichtet Carl.

Laut Carl gibt mittlerweile sehr viele Alternativen zu dem Additiv PTFE auf den Märkten. „Mit denen weisen unsere Produkte gleiche oder auch bessere tribologische Eigenschaften auf“, macht er deutlich. „Dazu entwickeln und testen wir stetig neue geeignete Materialkompositionen, die neben den guten Gleiteigenschaften auch eine hohe Verschleißfestigkeit gewährleisten.“ Igus habe es geschafft, bereits einen Großteil seiner Produkte PTFE-frei zu gestalten, ohne Einbußen in der Performance des Produktes zu haben.

„Unser Ziel ist es, für nahezu jedes Material eine PTFE-freie Variante anbieten zu können“, sagt der Igus-Vertriebsleiter für den Gleitlagerbereich. Doch wie sieht es in Bereichen aus, in denen es noch keine Alternative gibt? „Bei Gleitlagern gibt es natürlich mit der Zeit eventuell Abrieb, der auch in die Umwelt gelangen kann. Von vielen Materialien, die wir hier anbieten, ist das so nicht schädlich und wir sprechen hier von sehr geringen Mengen“, erklärt Carl.

Nachhaltig durch Einsatz von Holz und Rücknahme von Energieketten

Eine andere Option für mehr Nachhaltigkeit bei Gleitlagern ist der Einsatz natürlicher Materialien wie Wellen aus Holz. Holzwellen und Holzlager gibt es schon seit Jahrhunderten. Nur kann ein metallisches Lager auf dem Holz Schaden anrichten. Manche Gleitlager-Werkstoffe von Igus „vertragen“ sich aber laut Carl mit Holz ohne großartig Verschleiß zu verursachen. Gleiches gelte für WPC (wood plastic composite).

Beim Recycling geht Igus schon länger mit eigenen Konzepten zur Müllvermeidung voran, beispielsweise mit seinem „Chainge Projekt“. Das Unternehmen nimmt dazu Energieketten am Ende ihrer Lebensdauer zurück und recycelt das Material. Für sein Fahrrad-Projekt „Igus-Bike“ verwendet das Unternehmen Ocean-Plastic. Dazu wird Material aus alten Fischernetzten eingesetzt. Die im Rotationsverfahren hergestellten Fahrradrahmen enthalten nach Unternehmensangaben einen Anteil von etwa 60 % an recyceltem Material.

Beim RCYL-Projekt von Igus wird das Fahrrad aus recycelten Fischernetzen hergestellt. Foto: Tim Stockhausen

Beim RCYL-Projekt von Igus wird das Fahrrad aus recycelten Fischernetzen hergestellt.

Foto: Tim Stockhausen

 

Ein Beitrag von:

  • Anastasia Pukhovich

    Anastasia Pukhovich ist Volontärin beim VDI Verlag. Ihre Tätigkeit beim Max-Planck-Institut für Nachhaltige Materialien weckte ihr Interesse an allen Themen rund um Chemie und Umwelt, welche sie auch journalistisch verfolgt.

  • Martin Ciupek

    Martin Ciupek ist Ingenieur und Technikjournalist mit den Schwerpunkten Maschinenbau, Robotik und Automatisierungstechnik.

  • Tim Stockhausen

    Tim Stockhausen ist Volontär beim VDI Verlag. 2024 schloss er sein Studium der visuellen Technikkommunikation an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg ab. Seine journalistischen Interessen gelten insbesondere Künstlicher Intelligenz, Mobilität, Raumfahrt und digitalen Welten.

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