Mikrobiologie 03.09.2025, 18:30 Uhr

Zusammensetzung biologischer Kondensate entschlüsselt

Forschende haben eine markierungsfreie Technik entwickelt, um die molekulare Zusammensetzung komplexer biologischer Kondensate zu bestimmen. Die Methode eröffnet neue Möglichkeiten, um das Verhalten und die Funktionen dieser lebenswichtigen zellulären Strukturen zu verstehen und könnte langfristig dazu beitragen neuartige Therapien zu entwickeln.

Eine quantitative Phasenmikroskopie-Aufnahme von biomolekularen Kondensaten

Eine quantitative Phasenmikroskopie-Aufnahme von biomolekularen Kondensaten.

Foto: Patrick McCall

Biologische Kondensate, auch als biomolekulare Kondensate bekannt, sind winzige Tröpfchen innerhalb von Zellen, die durch einen Prozess namens Phasentrennung entstehen. Sie setzen sich aus einer Vielzahl von Proteinen und Nukleinsäuren zusammen und spielen eine Rolle bei vielen zellulären Prozessen. Trotz ihrer großen Bedeutung für das Funktionieren lebender Organismen war es bisher eine Herausforderung, die genaue molekulare Zusammensetzung dieser membranfreien Organellen zu bestimmen. Ein Forscherteam des Exzellenzclusters „Physik des Lebens“ der TU Dresden, des Leibniz-Instituts für Polymerforschung Dresden und des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik hat nun einen experimentellen Ansatz vorgestellt, um dieses Problem zu lösen und die Zusammensetzung von Kondensaten aus komplexen Molekülgemischen abzuleiten.

In der Umgebung einer Zelle, in der sich zu jedem Zeitpunkt Zehntausende verschiedener Moleküle tummeln, verbinden sich Proteine oft mit RNA oder DNA und bilden durch Phasentrennung Tröpfchen, die als biologische Kondensate bezeichnet werden. Patrick McCall, unabhängiger wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden (IPF) und Hauptautor der Studie, vergleicht die Bedeutung der Zusammensetzung von Kondensaten mit der Bedeutung der richtigen Zutaten und Mengenverhältnisse beim Backen: Sowohl Kuchen als auch Kekse können mit ähnlichen Zutaten hergestellt werden, aber die spezifischen Verhältnisse in der Mischung sind entscheidend dafür, was aus dem Ofen kommt.

Wie setzen sich biologische Kondensate zusammen?

Die Untersuchung der Verhältnisse der Komponenten in biologischen Kondensaten stellt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor Herausforderungen. Bisher wurden die einzelnen Bestandteile eines Kondensats häufig mit fluoreszierenden Markierungen versehen, um ihre Konzentration zu messen. Neuere Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass diese Markierungen zu Fehlern führen können, da sie groß genug sind, um die Eigenschaften, das Verhalten und sogar die Neigung zur Phasentrennung des markierten Moleküls signifikant zu verändern. Zudem kann die scheinbare Helligkeit der Marker im Kondensat unzuverlässig sein. Bestehende markierungsfreie Methoden umgehen zwar die Probleme mit Fluoreszenzmarkern, haben aber oft Schwierigkeiten, zwischen verschiedenen Komponenten in einem Kondensat zu unterscheiden. Daher waren präzise Messungen bisher auf vereinfachte Kondensate beschränkt, die im Labor aus nur ein oder zwei Komponenten rekonstituiert wurden.

Um die Zusammensetzung realistischerer biologischer Kondensate zu verstehen, war ein neuer markierungsfreier Ansatz erforderlich. McCall erkannte diese Lücke und begann nach neuen Wegen zur Messung der Zusammensetzung von Kondensaten zu suchen. Basierend auf einer langfristigen Kollaboration mit Kollegen am PoL und am MPI-CBG wurden nun in Nature Chemistry Ergebnisse veröffentlicht, die eine neue, markierungsfreie Methode zur Messung der Zusammensetzung von Mehrkomponenten-Kondensaten vorstellen – ein bedeutender Fortschritt zum Verständnis der physikalischen Eigenschaften und Funktionen dieser Tröpfchen.

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ATRI: Analyse biologischer Kondensate

Die von den Forschern entwickelte Methode, genannt Analyse von Verbindungslinien und Brechungsindex (ATRI), kombiniert zwei physikalische Konzepte – den Brechungsindex und die Bindungslinie –, um die Zusammensetzung eines Kondensats zu bestimmen. Mithilfe der quantitativen Phasenbildgebung (QPI), einem leistungsfähigen markierungsfreien Mikroskopieverfahren, konnten die Forschenden den Brechungsindexunterschied zwischen mikrometergroßen Kondensaten und dem umgebenden Medium messen und so die Konzentration ermitteln. Bei Kondensaten, die nur aus einem einzigen Protein bestehen, liefert die QPI-Messung direkt eine Schätzung der Konzentration. Schwieriger wird es, wenn mehrere Komponenten vorhanden sind, da verschiedene Molekülkombinationen denselben Brechungsindex erzeugen können. Um diese Unklarheit zu beseitigen, nutzt ATRI zusätzlich das Konzept der Verbindungslinie aus der physikalischen Chemie, das die Zusammensetzung des Kondensats und der umgebenden verdünnten Phase mit der Zusammensetzung des Gesamtsystems in Beziehung setzt.

Die Kombination von Brechungsindexmessungen mit der Verbindungslinie ergibt grafisch zwei Linien, die sich an einem Punkt treffen, welcher die Zusammensetzung des Kondensats darstellt. ATRI generiert unter Verwendung des Brechungsindex und der Verbindungslinie als Eingaben eine Reihe von Gleichungen, um die Konzentration mehrerer verschiedener Komponenten in einem Kondensat präzise zu bestimmen und so dessen Zusammensetzung zu ermitteln. Diese Technik ist sogar bei Gemischen mit vielen verschiedenen Molekülen anwendbar und funktioniert selbst dann, wenn nur winzige Probenmengen verfügbar sind. Mit diesem neuen Ansatz gelang es dem Team, die Zusammensetzung komplexer biologischer Kondensate mit bisher unerreichter Detailgenauigkeit aufzudecken und die Konzentrationen von fünf Molekülen gleichzeitig zu bestimmen – ein bedeutender Fortschritt gegenüber früheren Experimenten, bei denen maximal zwei Proteine in einem Kondensat ohne Fluoreszenz bestimmt werden konnten.

Biologischer Kondensate: Neue Anwendungsmöglichkeiten

Die quantitative Bestimmung der Zusammensetzung von biologischen Kondensaten ermöglicht es, deren Verhalten und Eigenschaften mit größerer Genauigkeit als je zuvor vorherzusagen und ebnet so den Weg für neue Erkenntnisse. Mithilfe von ATRI können Forschende nun untersuchen, wie Kondensate auf Schwankungen in der Häufigkeit einzelner Bestandteile reagieren und so Veränderungen in der Genexpression nachahmen, die normalerweise in einer zellulären Umgebung auftreten. Über die Grundlagenforschung hinaus birgt die neue Methode auch Potenzial für Fortschritte in der Biomedizin. Da biologische Kondensate bei zahlreichen Erkrankungen eine Rolle spielen, könnte ATRI durch die Analyse der Reaktion der molekularen Zusammensetzung auf vielversprechende Verbindungen in Zukunft zur Entwicklung wirksamer Therapeutika und Behandlungen beitragen.

Ein Beitrag von:

  • Julia Klinkusch

    Julia Klinkusch ist seit 2008 selbstständige Journalistin und hat sich auf Wissenschafts- und Gesundheitsthemen spezialisiert. Seit 2010 gehört sie zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Klima, KI, Technik, Umwelt, Medizin/Medizintechnik.

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