Gips für Nuklear-Stützpunkte in Russland? Knauf wehrt sich
Knauf weist Vorwürfe zurück, Baustoffe für russische Nuklearanlagen geliefert zu haben. Der Rückzug aus Russland läuft, ist aber noch nicht abgeschlossen.

Gips von Knauf kann bei russischen Baustoffhändlern gekauft werden.
Foto: PantherMedia / z1b (YAYMicro)
Ein Bericht des „Spiegel“ legt nahe, dass Baustoffe des deutschen Unternehmens Knauf beim Bau russischer Nuklearanlagen zum Einsatz kamen. Knauf bestreitet jede direkte Verwicklung und verweist auf unabhängige Händler. Der Rückzug aus Russland ist laut Unternehmen im Gange, aber rechtlich komplex.
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Recherchen werfen Fragen auf
Der Spiegel-Bericht in Zusammenarbeit mit dem dänischen Investigativ-Portal Danwatch sorgt für Aufsehen: Demnach sollen Baustoffe des deutschen Unternehmens Knauf beim Ausbau russischer Nuklearwaffenstützpunkte verwendet worden sein. Grundlage der Vorwürfe sind Daten aus russischen Ausschreibungsportalen, die auf die Lieferung von Knauf-Produkten an Militärprojekte hindeuten – darunter 32 Tonnen Gips für ein Raketenregiment in Jasnyi.
Doch Knauf widerspricht. Das Unternehmen mit Sitz im unterfränkischen Iphofen sieht sich erneut gezwungen, Stellung zu beziehen – und betont, keine Produkte an militärische Einrichtungen in Russland zu liefern.
Knauf: Keine direkte Verbindung zum Militär
In einer Stellungnahme erklärte Knauf: „Wir widersprechen in aller Deutlichkeit dem Vorwurf, den Ausbau russischer Nuklearwaffenbasen zu unterstützen.“ Die Tochterunternehmen in Russland produzierten ausschließlich für den zivilen Markt und verkauften ihre Waren an unabhängige Baustoffhändler. Dabei habe Knauf keinen Einfluss darauf, wer letztlich als Endkund*in auftrete.
Auch vertragliche Beziehungen zum russischen Verteidigungsministerium oder zu nachgeordneten Behörden bestünden nicht. Knauf bekräftigt: Die Produkte seien „weder dafür vorgesehen noch geeignet, Waffensysteme einsatzfähig zu machen bzw. zu halten“.
Die Strategie: Produktion vor Ort
Tatsächlich exportiert Knauf seit Beginn des russischen Angriffskrieges keine Waren mehr aus Deutschland nach Russland. Stattdessen wird vor Ort produziert. Der Gips-Spachtel „Uniflott“ wird laut Knauf nicht mehr geliefert. An seiner Stelle produziert das Unternehmen in Russland das vergleichbare Produkt „Unihard“.
Diese Strategie – keine Ausfuhren, aber lokale Produktion – sorgt jedoch für Kritik. Denn die russischen Tochtergesellschaften gehören weiterhin zu 100 % dem deutschen Mutterkonzern. Marke, Logo und Name sind nach wie vor in Russland präsent.
Rückzug läuft – aber schleppend
Bereits im Frühjahr 2024 hatte Knauf angekündigt, sich aus Russland zurückzuziehen. Passiert ist das bislang jedoch nicht. Auf Nachfrage teilt das Unternehmen mit, dass die Gespräche „weit fortgeschritten“, aber noch nicht abgeschlossen seien.
Der Rückzug sei regulatorisch äußerst komplex. Zuständige Behörden in mehreren Ländern seien beteiligt. „Das Verfahren erfordert diverse und recht langwierige Genehmigungen in verschiedenen Jurisdiktionen“, so Knauf.
Ein vollständiger Verkauf russischer Tochtergesellschaften ist auch wirtschaftlich schwierig. Laut aktuellen Vorgaben des Kremls dürfen ausländische Unternehmen ihre russischen Aktivitäten nur für maximal 60 % des geschätzten Werts verkaufen – und müssen darauf zusätzliche 35 % Abgaben zahlen.
Kritik: Beteiligung am Wiederaufbau von Mariupol?
Schon zuvor war Knauf wegen seiner Russlandaktivitäten in die Kritik geraten. Ein Bericht des ARD-Magazins „Monitor“ hatte 2023 gezeigt, dass Knauf-Baustoffe auch in Mariupol zum Einsatz kamen. Die Stadt gilt als Symbol des russischen Angriffskriegs. Sie wurde fast vollständig zerstört – und wird nun unter russischer Führung wiederaufgebaut.
Laut „Monitor“ seien dabei Baustellen gesichtet worden, auf denen Knauf-Produkte zum Einsatz kamen. Das Unternehmen betont auch in diesem Fall, sich an sämtliche EU-Sanktionen zu halten und keine Produkte aus der EU nach Russland zu liefern. Es habe sich – wenn überhaupt – um in Russland produzierte Materialien gehandelt, die von unabhängigen Händler*innen vertrieben wurden.
Unklar, wohin die Produkte gelangen
Ein zentrales Problem bleibt: Knauf kontrolliert nicht, was mit den Baustoffen nach dem Verkauf an den Handel geschieht. Wer zu den Kund*innen dieser Händler gehört, ist aus Sicht des Unternehmens nicht nachvollziehbar.
Daraus ergibt sich ein juristisches, aber auch moralisches Spannungsfeld: Ist ein Unternehmen verantwortlich, wenn seine Produkte – ohne direkte Einflussnahme – auf Militärbaustellen gelangen?
Gewinne fließen nicht mehr nach Deutschland
Nach Angaben von Knauf fließen seit April 2024 keine Gewinne der russischen Tochtergesellschaften mehr nach Deutschland ab. Das Unternehmen betont, mit seinem Rückzug keine Zeit zu verlieren – verweist aber auch auf den Verwaltungsaufwand und die rechtliche Komplexität.
Knauf ist eines der größten Baustoffunternehmen der Welt. Der Konzern ist in rund 90 Ländern aktiv und beschäftigt weltweit rund 40 000 Mitarbeitende. Auch in der Ukraine ist Knauf präsent – mit einem Werk in Kiew und zwei neuen Standorten im Westen des Landes. (mit dpa)
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