Einfacher bauen mit Gebäudetyp E: Ziele, Reaktionen und offene Fragen
Gebäudetyp E soll Bauen einfacher und günstiger machen. Was geplant ist, wer zustimmt und wo Kritik liegt – der Überblick.
Bauen soll einfacher werden. Der Gebäudetyp E startet. Was das für Baukosten, Verträge und Wohnkomfort bedeutet.
Foto: Smarterpix / HayDmitriy
Die Bundesregierung will das Bauen verändern. Nicht mit neuen Förderprogrammen oder weiteren Auflagen. Sondern mit einem klaren Bruch mit einer Grundregel, die den Wohnungsbau seit Jahrzehnten prägt: Es soll nicht mehr automatisch der höchste Standard gelten. Genau dort setzt der Gebäudetyp E an.
Das „E“ steht für „einfach“ – und in manchen Papieren auch für „experimentell“. Am 20. November legten das Bundesjustizministerium und das Bundesbauministerium ein gemeinsames Eckpunktepapier vor. Jetzt beginnt ein politischer und fachlicher Prozess, der darüber entscheidet, wie Zukunftsbau in Deutschland aussehen könnte.
Inhaltsverzeichnis
Warum die Debatte jetzt Fahrt aufnimmt
Die Lage im Wohnungsbau ist angespannt. Hohe Materialkosten, fehlende Fachkräfte und komplizierte Vorschriften bremsen Projekte aus. Dazu wachsen die Anforderungen aus Normen und anerkannten Regeln der Technik stetig. Viele davon sind sinnvoll, einige notwendig – aber andere verursachen Kosten, die nicht immer einen spürbaren Mehrwert schaffen.
Genau an diesem Punkt setzt der Gebäudetyp E an. Bauparteien sollen künftig bewusst vereinbaren können, auf bestimmte Komfortstandards zu verzichten. Der Clou: Die Abweichung von anerkannten Regeln der Technik gilt nicht länger automatisch als Mangel, wenn sie vertraglich festgelegt wurde. Die Grundidee lautet: Weniger Bürokratie, mehr Freiheit für pragmatische Lösungen.
Was die Regierung plant
Der Eckpunkteentwurf beschreibt mehrere zentrale Schritte. Sie alle sollen ein neues Vertragsmodell ermöglichen und gleichzeitig Sicherheit schaffen.
Gebäudetyp-E-Vertrag
Kern des Vorhabens ist ein eigenständiger Vertragstyp im Bürgerlichen Gesetzbuch. Er soll rechtssicher regeln, dass Beteiligte niedrigere Baustandards vereinbaren können. Grundlage bleiben weiterhin die technischen Baubestimmungen der Länder. Wo diese keine Vorgaben machen, genügt ein einfacher Standard.
Ein Zitat aus dem gemeinsamen Papier fasst den Ansatz klar zusammen: „Ist zum Beispiel die Dreifachverglasung nicht erforderlich oder im Bad der Handtuchheizkörper zusätzlich zur Fußbodenheizung, soll hier künftig eingespart werden können.“ (Pressemitteilung der Ministerien)
Etablierung des Gebäudetyps in der Praxis
Der Gebäudetyp E soll nicht nur ein juristisches Konstrukt bleiben. Pilotprojekte aus Hamburg und Bayern liefern bereits erste Erfahrungen. Die Ministerien planen, diese systematisch auszuwerten und der Fachöffentlichkeit zugänglich zu machen. Dazu sollen Best-Practice-Sammlungen, Musterverträge und Leitlinien entstehen.
Weniger Vorschriften, gleiche Sicherheit
Der Gebäudetyp E bedeutet keine Abstriche beim Schutzniveau. Brandschutz, Statik und grundlegende bauliche Sicherheit bleiben gesetzt. Aber darüber hinaus soll es mehr Wahlfreiheit geben. Ob der Schallschutz maximal sein muss, ob besonders hochwertige Wandmaterialien nötig sind oder ob komplexe Lüftungsanlagen eingebaut werden – all das soll verhandelbar sein.
Was die Politik sagt
Die beiden verantwortlichen Ministerinnen sehen im Gebäudetyp E ein Instrument gegen steigende Baukosten und lange Bauzeiten. Justizministerin Stefanie Hubig bezeichnet den Ansatz als Mischung aus Preisdämpfer und Bau-Beschleuniger: „Der Gebäudetyp E ist ein bisschen wie Baupreisbremse und Bauturbo in einem.“
Sie betont, dass Wohnen sicher bleiben muss, aber nicht jeder Mensch höchste Ausstattungen benötigt. Die fünfte Steckdose im Wohnzimmer wird dabei zum Sinnbild übertriebener Normtiefe.
Bauministerin Verena Hubertz formuliert es ähnlich direkt: „Wir bauen einfacher, schneller und günstiger, ohne an Qualität zu sparen. Weg von Schnickschnack, der den Bau verteuert.“ Sie verweist auf Pilotprojekte, die zeigen, dass Fensterlüftung statt komplexer Anlagen, weniger massive Wände und serielle Bauweisen funktionieren können – wenn Bauparteien das wollen.
Reaktionen der Baubranche: Zustimmung, aber mit Vorbehalten
Der Entwurf löst in der Fachwelt eine breite Diskussion aus. Hier einige wichtige Stimmen aus der Baubranche,
Bundesingenieurkammer: vorsichtig optimistisch
Der Präsident der Bundesingenieurkammer, Heinrich Bökamp, bewertet die Eckpunkte positiv.
„Wir begrüßen den Schulterschluss der beiden Bundesministerien, um zukünftig rechtssicher vereinfacht bauen zu können.“
Er betont, dass Planerinnen und Planer weiterhin gewährleisten, dass sicherheitsrelevante Standards eingehalten werden. Aber dort, wo teure Maßnahmen keinen wesentlichen Nutzen bieten, könne gespart werden.
Immobilienwirtschaft: „E wie endlich!“
Auch der BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen begrüßt die Pläne deutlich. BFW-Präsident Dirk Salewski spricht sogar von einem Wendepunkt: „E, wie endlich! Die Eckpunkte für den Gebäudetyp E können das Fundament einer zukünftigen Bauwende werden.“
Er lobt die geplante Rechtssicherheit, sieht aber auch Detailfragen, etwa zum Anwendungsbereich und zur Auslegung einzelner Begriffe.
Bauindustrie: Bedenken wegen möglicher Stigmatisierung
Tim-Oliver Müller vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie erkennt im Eckpunktepapier den richtigen Ansatz: „Gut ist, dass die Eckpunkte den Kern des Problems erfassen.“
Dennoch warnt er vor möglichen Nebenwirkungen. Seiner Einschätzung nach könnte der Gebäudetyp E ein Stigma entwickeln, wenn er zu stark von den üblichen Standards abweicht. Er fordert, dass einfacheres Bauen künftig grundsätzlich möglich sein sollte – nicht nur über ein spezielles Vertragsmodell.
Was die Bundesregierung erreichen will
Die Regierung hat verschiedene Ziele formuliert, was Gebäudetyp E verändern soll:
- Baukosten senken
- Bauzeiten verkürzen
- den Wohnungsmarkt entlasten
- private Eigentümer unterstützen
- Mieten stabilisieren
Gleichzeitig bleibt die Anwendung freiwillig. Niemand muss einen Gebäudetyp-E-Vertrag abschließen. Bleibt er aus, gelten weiterhin die hohen Standards.
Chancen und Risiken
Der Gebäudetyp E könnte den Wohnungsmarkt verändern.
Chancen:
- schnellere Genehmigungen
- geringere Kosten für private Bauprojekte und Kommunen
- mehr Experimentierräume für Materialwahl und Grundrisse
- praxistauglichere Regelungen
Risiken:
- mögliche Zwei-Klassen-Standards
- Diskussionen über Lärmschutz oder Komfort
- langfristig höherer Renovierungsbedarf, wenn Einsparungen falsch gesetzt werden
Viele Experten betonen, dass der Erfolg vom Feinschliff des Gesetzestextes abhängt. Das gilt besonders für Fragen wie Haftung, Verbraucherschutz und Mindeststandards.
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