Bauarbeiten am Limit 29.09.2025, 07:50 Uhr

Huajiang Grand Canyon Bridge: Bau der höchsten Brücke der Welt

Die Huajiang-Brücke in China ist mit 625 Metern Höhe die höchste Brücke der Welt. Wir blicken auf ein Projekt, bei dem Bauarbeiten am Limit notwendig waren.

Huajiang Grand Canyon Bridge

Rekordbau in Guizhou: Die Huajiang-Brücke verbindet Regionen und bietet ein touristisches Erlebnis über einer 625 Meter tiefen Schlucht.

Foto: picture alliance / Xinhua News Agency | Yang Wenbin

Die Huajiang Grand Canyon Bridge in Chinas Südwesten ist die höchste Brücke der Welt. Mit 625 Metern Höhe überspannt sie den tief eingeschnittenen Beipanjiang und verbindet die Städte Liuzhi und Anlong. Nun wurde sie für den Verkehr eröffnet.

Als Hängebrücke mit einer Spannweite von 1420 Metern wurde sie für extreme Wetterbedingungen und tektonische Belastungen konzipiert.

Hoch über dem Canyon: Ein neues Kapitel im Brückenbau

In der Provinz Guizhou ist eine der spektakulärsten Brücken der Gegenwart entstanden: die Huajiang Grand Canyon Bridge. Mit einer Höhe von 625 Metern überragt sie nicht nur bekannte Bauwerke wie den Eiffelturm oder den Millau-Viadukt, sondern markiert auch einen neuen Höhepunkt im Brückenbau der Volksrepublik.

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Die Brücke verbindet die beiden Städte Liuzhi und Anlong im Rahmen eines überregionalen Schnellstraßenprojekts. Ziel ist es, entlegene Regionen zu erschließen und die Reisezeit erheblich zu verkürzen. Wo früher mehrere Stunden über enge Bergstraßen nötig waren, genügen künftig wenige Minuten. Gläserne Plattformen, Aufzüge und eine Bungee-Anlage sollen die Brücke auch zu einer Touristenattraktion machen.

Doch bevor Besucherinnen und Besucher die Aussicht genießen können, mussten die Planer und Bauingenieure eine Vielzahl an Herausforderungen meistern. Die geologischen Bedingungen in der Region gelten als äußerst anspruchsvoll: steile Hänge, instabile Böden, starke Winde und hohe Luftfeuchtigkeit prägen das Umfeld der Baustelle.

96 Lkw machen den Belastungstest

Kurz vor der Eröffnung hat die Rekordbrücke einen Belastungstest unter Extrembedingungen erfolgreich bestanden. Der fünftägige Prüfprozess zeigte nach Angaben des Expertenteams, dass Festigkeit, Steifigkeit und dynamisches Verhalten der Brücke den geforderten Sicherheitsstandards entsprechen.

Als abschließende Maßnahme vor der Verkehrsfreigabe wurde ein Belastungstest durchgeführt, der sowohl statische als auch dynamische Untersuchungen umfasste. Dafür positionierten die Prüfer 96 Lastwagen mit insgesamt rund 3.300 Tonnen Gewicht in Gruppen auf ausgewählten Bereichen der Fahrbahn. So ließen sich die Verschiebungen und Belastungen an der Hauptspannweite, den Pylonen, den Tragkabeln sowie den Hängeseilen erfassen.

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Hängebrücke mit Fachwerkträger – Technik trifft Topografie

Die Huajiang Grand Canyon Bridge ist als klassische Hängebrücke mit einem versteiften Stahl-Fachwerkträger ausgeführt. Dieses Bauprinzip ist weltweit erprobt, aber die Dimensionen, die in Guizhou realisiert wurden, sprengen alle bisherigen Maßstäbe.

Die Brücke überspannt eine Schlucht mit 625 Metern Tiefe. Um diese Distanz zu überwinden, wählten die Verantwortlichen eine Hauptspannweite von 1.420 Metern. Damit liegt sie 10 Meter über der Spannweite der Humber Bridge im Vereinigten Königreich, die 17 Jahre lang als längste Hängebrücke der Welt galt.

Die gesamte Brücke bringt es auf eine Länge von 2.890 Metern. Zwei Hauptpylone tragen das Gewicht: ein 262 Meter hoher Nordpylon auf einem steilen Hang und ein 205 Meter hoher Südpylon auf flacherem Terrain. Die Konstruktion selbst besteht aus 93 Segmenten mit einem Gesamtgewicht von rund 22.000 Tonnen – so viel wie drei Eiffeltürme. Die Zufahrtsrampen werden über mehr als zwei Dutzend 40 Meter lange Brückenelemente an die Hauptkonstruktion angebunden.

Digitale Werkzeuge für millimetergenaue Montage

Angesichts der Topografie, des schwankenden Klimas und der enormen Höhe mussten die Planer*innen auf moderne Technologien zurückgreifen. Eines der zentralen Hilfsmittel war ein intelligentes Seilkransystem, das auf dem chinesischen Navigationssatellitensystem Beidou basiert. Es erlaubte die präzise Positionierung schwerer Brückenteile mit nur einem Steuerbefehl.

Li Zhao, Chefingenieur des Projekts, erläutert: „Wenn die festgelegten Koordinaten eingegeben werden, positioniert das System den Kran automatisch an der angegebenen Stelle.“ Damit ließ sich nicht nur Zeit sparen, sondern auch die Zahl der benötigten Arbeitskräfte deutlich senken: Statt acht Menschen reichten nun vier für den Kranbetrieb.

Darüber hinaus kamen 3D-Scans und digitale Echtzeitsimulationen zum Einsatz, um Kollisionen während der Montage zu vermeiden. Laut Projektmanager Liang Junyuan konnten dadurch alle Bolzen mit 100 % Genauigkeit an den vorgesehenen Stellen angebracht werden.

Wind, Regen, Erdbeben – wie die Brücke gesichert ist

Die Lage der Brücke verlangt besondere Vorsichtsmaßnahmen. Der Huajiang-Canyon ist nicht nur tief, sondern auch windanfällig. Im Sommer erschweren plötzliche Wetterumschwünge mit starken Böen und Regenfällen die Arbeiten. Damit die Korrosionsschutzbeschichtung der 38.000 Quadratmeter großen Stahlfahrbahn unter diesen Bedingungen aufgetragen werden konnte, errichteten die Bauarbeitenden mobile Windschutzsysteme.

Auch langfristig ist die Brücke auf extreme Bedingungen ausgelegt. Die aerodynamische Form des Fahrbahnträgers reduziert Windlasten, während die flexible Aufhängung Schwingungen aufnimmt. Für den Fall von Erdbeben wurden spezielle Dämpfungssysteme integriert. Sie sollen mechanische Energie absorbieren und Schäden an der Struktur verhindern.

Belag, Schutz und Endspurt

Im Juli 2025 meldete das Projektteam einen Baufortschritt von 98 %. Die Stahlkonstruktion ist abgeschlossen, die Fahrbahn erhielt eine 7 Zentimeter dicke Asphaltbetonschicht mit einem Gewicht von mehr als 7.000 Tonnen. Die Arbeiten am Belag dauerten rund einen Monat.

Parallel wurde weiter an Zusatzbauten gearbeitet – darunter der Glasaufzug, der den Besucherinnen und Besuchern künftig eine Fahrt zur Spitze ermöglicht. Auch ein Glassteg, eine Aussichtsplattform mit Schaukel und eine Laufbahn entstehen derzeit. Der Aufzug, der sich mit seinen 207 Metern Höhe direkt am Südpylon entlangzieht, ist zu 85 % fertiggestellt. Er soll in ein Café führen, das etwa 800 Meter über dem Talboden liegt.

Der leitende Ingenieur Liu Rui sagte gegenüber lokalen Medien: „Wir haben uns für hochtransparentes Glas entschieden, damit die Aussicht nicht beeinträchtigt wird.“ Für Notfälle wurde eine separate Treppe integriert: „Wenn der Aufzug ausfällt, können die Fahrgäste den Fluchtweg nutzen, um sicher hinunterzusteigen.“

Bauarbeiter auf der Brücke

Kein gewöhnlicher Arbeitsplatz: Wer hier arbeitet, muss absolut schwindelfrei sein.

Foto: picture alliance / Xinhua News Agency | Yang Wenbin

Tourismus in luftiger Höhe

Die Huajiang Grand Canyon Bridge wurde nicht allein für Autos und Lkw gebaut. Von Anfang an war geplant, sie zu einem Anziehungspunkt für Touristen zu machen. Schon während der Bauzeit wurde das ursprüngliche Design angepasst. Die geplanten touristischen Einrichtungen hätten den Windwiderstand erhöht, also verlängerten die Ingenieurinnen und Ingenieure die Tiefe des Fachwerkträgers von 7,5 auf 8 Meter. Diese Änderung machte es möglich, mehrere Ebenen in das Tragsystem zu integrieren.

Ein zentrales Element ist der 207 Meter hohe Glasaufzug. Er ist so konstruiert, dass die Kabinen entlang des Südpylons aufsteigen und einen fast ungehinderten Blick in die Tiefe ermöglichen. Die Außenverglasung ist hochtransparent. Das Café auf der oberen Plattform befindet sich in über 800 Metern Höhe – gerechnet vom Talboden. Wer hier sitzt, blickt nicht nur über das Brückendeck hinweg, sondern direkt in die Schlucht, die sich unter der Brücke auftut.

Das Café liegt zwischen den Hauptseilen der Hängebrücke und wird durch eine zusätzliche Querstruktur mit dem Nordpylon verbunden. Das Erlebnis soll dabei nicht nur auf den Konsum ausgerichtet sein. Die Besucher*innen können die Konstruktion aus nächster Nähe erleben – dort, wo sonst nur Wartungspersonal Zugang hat.

Skywalk und Glasböden: Gehen auf dem Nichts

Direkt unterhalb der Fahrbahn wurde ein 800 Meter langer Rundgang integriert. Er führt durch den Fachwerkträger und verbindet mehrere Erlebnisräume. Diese befinden sich in Höhen von 224 bis 404 Metern über dem Boden. Besucherinnen und Besucher können auf Glasböden laufen, durch Sichtöffnungen in die Tiefe schauen und die Konstruktion aus der Perspektive Bauarbeiter erleben.

Der Rundgang endet auf einer Plattform, die 616 Meter über dem Beipanjiang liegt – dem tiefsten Punkt der Schlucht. Dort entsteht eine Bungee-Anlage für Wagemutige. Wer nicht springen will, kann über weitere Glasplatten spazieren, die direkt über dem Abgrund schweben, oder in einem zweiten Café einkehren.

Verbindung von Infrastruktur und Erlebnis

Für das Verkehrsministerium von Guizhou ist die Brücke ein Schlüsselprojekt. Sie verkürzt nicht nur Wege, sondern verbindet auch wirtschaftliche und touristische Interessen. Chen Jianlei, stellvertretender Direktor des Ministeriums, sagte:

„Die Fertigstellung der Huajiang-Grand-Canyon-Brücke wird die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Guiyang, Anshun und Qianxinan stärken und die regionale wirtschaftliche Integration fördern.“

Für die Bauverantwortlichen ist das Projekt auch persönlich bedeutsam. Li Zhao, Chefingenieur, betont: „Zu sehen, wie meine Arbeit etwas Greifbares wird – zu beobachten, wie die Brücke Tag für Tag wächst und schließlich hoch über dem Canyon steht – gibt mir ein tiefes Gefühl der Erfüllung und des Stolzes.“

Ein schwieriges Terrain schafft technische Lösungen

Die Entstehung der Huajiang Grand Canyon Bridge lässt sich nicht isoliert betrachten. Sie ist Teil einer größeren Entwicklung in der chinesischen Provinz Guizhou, die seit zwei Jahrzehnten als globales Zentrum des Brückenbaus gilt.

Der Grund dafür liegt in der Geografie: Guizhou ist geprägt von steilen Berghängen, tiefen Schluchten und einem kaum erschließbaren Gelände. Ein altes chinesisches Sprichwort beschreibt die Region so: „Kein Tag ohne Regen, kein Morgen ohne Berge, kein Cent in der Tasche.“ Ein Ingenieur aus der Region ergänzt heute schmunzelnd: „Und keine drei Kilometer ohne eine Brücke.“

Um wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen, begann China bereits in den 1980er-Jahren mit massiven Investitionen in die Infrastruktur. Seit 2001 vernetzt ein großangelegtes Schnellstraßenprogramm selbst entlegene Regionen. Besonders Guizhou profitierte davon. Die bergige Provinz verfügt heute über mehr hohe Brücken als jedes andere Land der Welt. Rund die Hälfte aller Brücken mit mehr als 300 Metern Tiefe befinden sich hier.

Bis 2030 sollen es über 1.000 Brücken mit Höhen von mehr als 100 Metern sein. Zum Vergleich: In Italien, weltweit auf Platz zwei, gibt es nur etwa 60 solcher Bauwerke.

Der Beipan-Fluss als Symbol für den Brückenbau

Der Beipanjiang – auf Deutsch etwa „Nordwindfluss“ – ist ein Nebenfluss des Perlflusses und durchquert die Provinz Guizhou. Dabei gräbt er sich tief in das Karstgestein und bildet Schluchten mit enormem Höhenunterschied. Kein anderer Fluss der Welt hat in so kurzer Zeit drei Weltrekordbrücken gesehen.

Bereits 2003 wurde die Guanxing-Brücke über dem Beipanjiang eingeweiht. Sie war die erste Hängebrücke, die eine Höhe von über 1.000 Fuß (rund 305 Meter) erreichte. 2016 folgte die Duge-Brücke mit 565 Metern. Auch sie quert den Beipan. Beide Bauwerke dienten als technologische Wegbereiter für das Huajiang-Projekt.

Die neue Brücke stellt nun den dritten Weltrekord auf – mit 625 Metern Höhe und einer Hauptspannweite von 1.420 Metern. Der Beipan-Fluss ist damit weltweit einzigartig: Kein anderer Fluss wurde mehrfach zum Standort der höchsten Brücke der Welt.

Von den 20 höchsten Brücken weltweit befinden sich 18 in China. Der Bau solcher gigantischen Infrastrukturprojekte ist jedoch nicht unumstritten, da die enormen Kosten eine große Belastung darstellen. Viele Provinzen der Volksrepublik sind stark verschuldet, was das Wirtschaftswachstum zunehmend hemmt. Besonders Guizhou zählt zu den Regionen mit der höchsten Verschuldung.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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