Deutschland-Premiere auf der A45: 40.000-Tonnen-Brücke verschoben
A45-Brücke bei Rinsdorf verschoben: 500 Meter lang, 70 Meter hoch, 40.000 Tonnen schwer – eine technische Premiere in Deutschland.

Fast 21 Meter wurde die 45.000 Tonnen schwere und 70 Meter hohe Brücke verschoben - vergleichbares gab es bislang in Deutschland noch nicht.
Foto: picture alliance/dpa/Thomas Banneyer
Im Siegerland wurde etwas bewegt, das sich normalerweise keinen Millimeter rührt: Ein fast 500 Meter langes Brückenteil der A45, inklusive seiner massiven Pfeiler, wurde quer verschoben. Insgesamt 20 Meter und 59 Zentimeter wanderte das 40.000 Tonnen schwere Bauwerk – so viel Brückengewicht wurden bislang in Deutschland noch nicht bewegt. Hinzu kommt eine Pfeilerhöhe von bis zu 70 Metern.
Karl-Josef Fischer vom ausführenden Bauunternehmen Strabag formulierte es im Vorfeld folgendermaßen: „Dabei verschieben wir erstmals in Deutschland eine so hohe Talbrücke samt ihrer Pfeiler“.
Der „Querverschub“ war nötig, um das neu errichtete Teilbauwerk an die bestehende Konstruktion anzukoppeln. Neu ist das Verfahren nicht, so wurde im Jahr 2021 die Lennetalbrücke ebenfalls auf diese Weise verschoben. Damals mussten 30.000 Tonnen bewegt werden und die Brücke war nicht ganz so hoch.
Zurück zur Talbrücke Rinsdorf: Was nüchtern klingt, war logistisch und technisch ein Präzisionsmanöver mit vielen Beteiligten.
Hydraulik schiebt Betonkoloss
Die Talbrücke Rinsdorf überquert ein tief eingeschnittenes Tal. Die alte Brücke stammte aus dem Jahr 1967 und war für heutige Verkehrsbelastungen nicht mehr ausgelegt. Sie wurde vor drei Jahren gesprengt. Um den Verkehr nicht zu unterbrechen, errichteten die beteiligten Unternehmen zunächst ein Teilbauwerk in Seitenlage. An dessen Seite entstand dann das zweite Brückensegment – mit der Maßgabe, es später an Ort und Stelle zu schieben.
Das Verschubverfahren selbst begann am Dienstagmorgen und dauerte bis Mittwochnachmittag. Stück für Stück bewegten 24 hydraulische Pressen das Bauwerk. Dabei lag die durchschnittliche Verschiebungsgeschwindigkeit bei rund einem Meter pro Stunde.
Gleitplatten reduzieren Reibung
Damit die Brücke überhaupt bewegt werden konnte, mussten zunächst vorbereitende Maßnahmen umgesetzt werden. Die sechs bis zu 8000 Tonnen schweren Pfeiler wurden mithilfe von Hohlraumpressen um etwa zwei Zentimeter angehoben. Darunter schoben die Baufachleute Teflonplatten. Diese Kunststoffplatten wirken wie ein Gleitkissen und wurden zusätzlich mit Spezialfett beschichtet.
So wurde der Reibungswiderstand zwischen Pfeilerfundament und Boden auf ein Minimum reduziert. „Die Brücke bewegt sich quasi auf Schienen“, erklärte Bauleiter Gunther Nöh. Jede der eingesetzten Pressen konnte bis zu 650 Tonnen schieben. Sollte sich dabei ein Teil verhaken, konnte die Konstruktion jederzeit millimetergenau zurückgesetzt werden.
So funktioniert der Brückenverschub:
Bei der Talbrücke Rinsdorf kam ein sogenannter Querverschub zum Einsatz – eine Methode, bei der ein komplettes Brückenteil mit Pfeilern in Seitenrichtung bewegt wird. Der Ablauf:
- Brückenpfeiler werden hydraulisch leicht angehoben (ca. 2 cm).
- Teflonplatten dienen als Gleitlager zwischen Fundament und Verschubbahn.
- 24 hydraulische Pressen bewegen die Brücke in 15 Schritten à 1,40 m.
- Gesteuert wird der gesamte Prozess millimetergenau per Computer.
- Die Gesamtverschiebung beträgt exakt 20,59 Meter.
Diese Technik ermöglicht das Verschieben schwerer Bauwerke ohne Rückbau – besonders nützlich bei laufendem Verkehr auf benachbarten Spuren.
Steuerung per Computer
Angesteuert wurde das System über ein computergestütztes Leitsystem. Das garantierte, dass sich die Brücke gleichmäßig und kontrolliert in Richtung der Endposition bewegte. Die Verschiebung erfolgte in 15 Schritten zu je 1,40 Meter.
Gunther Nöh bezeichnete das Verfahren als „revolutionär“ und lobte die Zusammenarbeit aller Beteiligten: von den Ingenieur- und Bauunternehmen über die Autobahn GmbH bis hin zu wissenschaftlichen Institutionen. Die Höhe von über 70 Metern mache das Projekt besonders herausfordernd. „In dieser Größenordnung ist der Verschub die sicherste Lösung“, so Nöh.

Arbeiter überwachen den Verschiebevorgang an der Verschubbahn für die bis zu 70 Meter hohen Pfeiler der Brücke an der Autobahn A45 – Sauerlandlinie.
Foto: picture alliance/dpa/Thomas Banneyer
Verkehrsfluss bleibt erhalten
Während der gesamten Maßnahme blieb der Verkehr auf dem westlichen Brückenteil in Fahrtrichtung Frankfurt unbeeinträchtigt. Die Baustelle wurde so geplant, dass der laufende Verkehr nicht unterbrochen werden musste – ein weiterer Vorteil der gewählten Methode.
Die Entscheidung, das Teilbauwerk seitlich zu verschieben, fiel früh in der Planungsphase. Dort hatte man auch externe Expertinnen und Experten aus dem Bauingenieurwesen eingebunden, wie Elfriede Sauerwein-Braksiek von der Autobahn GmbH erklärte: „Wir wägen Risiken sorgfältig ab und entwickeln mit wissenschaftlicher Unterstützung tragfähige Lösungen.“
Ein Pilotprojekt mit Signalwirkung
Für die Autobahn GmbH ist das Projekt ein Pilot, der auch auf andere Bauvorhaben übertragbar sein könnte. Staatssekretärin Dr. Claudia Elif Stutz sagte: „Wir zeigen heute, was technisch in Deutschland möglich ist, wenn innovative Planung und Bauindustrie zusammenarbeiten.“
Dirk Brandenburger, Technischer Geschäftsführer der Autobahn GmbH, ergänzte: „Mit dieser Brücke zeigen wir erneut, dass wir die Brückenmodernisierung entschlossen vorantreiben.“ Angesichts des Zustands vieler Autobahnbrücken – insbesondere an der A45 – werde diese Erfahrung noch oft gebraucht, so Brandenburger.
Vorteile des Querverschubs:
Der Querverschub von Brücken inklusive Pfeilern und Fundamenten bietet mehrere praktische Vorteile:
- Weniger Bauzeit: Es entfallen aufwändige Hilfskonstruktionen wie Hilfspfeiler. Dadurch verkürzt sich die Bauzeit erheblich.
- Mehr Sicherheit: Die Arbeiten finden in Bodennähe statt. Aufwändige Montagearbeiten in großer Höhe sind nicht erforderlich.
- Geringere Emissionen: Lärm und Staub reduzieren sich, da zusätzliche Bauteile nicht erstellt und später abgerissen werden müssen.
- Materialeinsparung: Der Verzicht auf Hilfspfeiler spart rund 13.000 m³ Beton und etwa 730 Tonnen Stahl ein – das schont Ressourcen.
Der Verschub erfolgt in der Baugrube und erst nach Umlegung des Verkehrs auf das bereits fertiggestellte Teilbauwerk in Endlage.
A45 bleibt Sorgenkind
Die Sauerlandlinie A45 wird oft als „Königin der Autobahnen“ bezeichnet. Doch viele ihrer Brücken stammen aus den 1960er-Jahren und sind dem heutigen Schwerlastverkehr nicht mehr gewachsen. Zahlreiche Bauwerke entlang der Strecke müssen ersetzt oder umfassend saniert werden. Die Talbrücke Rinsdorf ist dabei nur ein Beispiel von vielen.
Dass der Querverschub in Rinsdorf erfolgreich war, gibt Hoffnung – auch für kommende Bauabschnitte entlang der A45. Die Kombination aus technischer Präzision, digitaler Steuerung und sorgfältiger Planung könnte Schule machen.
Schlussposition erreicht
Am Mittwochnachmittag um 16:58 Uhr war es soweit: Das Brückenteil dockte erfolgreich an das parallel verlaufende Teilbauwerk an. Damit steht die Fahrbahn nun auf allen sechs Pfeilern an ihrer endgültigen Position.
Einige Anwesende sprachen später von einem „Meilenstein“. Für die Beteiligten vor Ort war es vor allem eins: ein sorgfältig vorbereitetes Vorhaben, das exakt nach Plan ablief – und möglicherweise einen neuen Standard für zukünftige Brückenprojekte setzt.
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