Schraubenkönig setzt auf KI: Das ist Würths Erbe
Vom kleinen Schraubenhandel zum globalen Milliardenkonzern: Reinhold Würth hat gezeigt, was unternehmerischer Weitblick bewirken kann. Heute erwirtschaftet die Würth-Gruppe über 20 Mrd. € Umsatz – und setzt im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz erneut Maßstäbe.
Benjamin Würth (l) steht mit einem Großvater Reinhold Würth (r), Gründer des Würth Konzerns, im Büro von Reinhold Würth.
Foto:picture alliance/dpa/Bernd Weißbrod
Zum 1. Januar 2025 hat Reinhold Würth den Vorsitz des Stiftungsaufsichtsrats an seinen Enkel Benjamin Würth übergeben. Der „Schraubenkönig“ feierte in diesem Jahr seinen 90. Geburtstag – und blickt auf eine beispiellose Unternehmerkarriere zurück, die aus einem kleinen Schraubenhandel einen weltweit führenden Konzern formte.
Vom kleinen Schraubenhandel zum globalen Milliardenkonzern
Im Jahr 1949 begann Würth eine Lehre in der Schraubengroßhandlung seines Vaters. Nach dessen Tod fünf Jahre später übernahm er als 19-Jähriger den kleinen Betrieb. Unter seiner Führung expandierte das Unternehmen in den folgenden Jahrzehnten im großen Stil. Heute umfasst das Sortiment mehr als eine Million Produkte – unter anderem für Handwerks- und Industriebetriebe. Dazu gehören neben Schrauben und Dübeln zum Beispiel auch Werkzeuge und Arbeitsschutz-Artikel.
Die Festrede anlässlich seines 90. Geburtstags hielt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Er würdigte Reinhold Würth als
„innovativen Traditionalisten und traditionsbewussten Erneuerer“.

Sorterbahnen bringen die verschiedenen Produkte in Schalen zu den Verpackungsstationen: Mehrere Kilogramm können die bei Würth zu verpackenden Teile wiegen. Eine Roboterlösung mit KI-Unterstützung soll die Beschäftigten jetzt deutlich entlasten und die Effizienz im Betrieb steigern.
Foto: Festo SE & Co. KG
Im KI-Zeitalter angekommen
Beim Thema künstliche Intelligenz (KI) macht Befestigungstechnikspezialist Würth jetzt Nägel mit Köpfen und will Erfolg versprechende Projekte konsequent umsetzen. Zu erleben ist das bereits im Logistikzentrum in Künzelsau am Hauptsitz der Würth-Gruppe. An den Endverpackungsstationen muss bisher viel körperliche Arbeit geleistet werden.
Auf sogenannten Sorterbahnen kommen verschiedenste Produkte in Schalen an. Mitarbeitende nehmen die Objekte aus den Schalen und verpacken diese in Versandkartons. Rund 1 Mio. Produkte hat Würth im Sortiment, die von Schrauben, Dübeln und Werkzeugen bis zu chemisch-technischen Produkten reichen. Gerade die Arbeit mit schweren Teilen ist für die Beschäftigten enorm belastend. Doch das ändert sich gerade dank Roboter- und KI-Unterstützung.
Künstliche Intelligenz hilft beim Greifen im Lager
Gemeinsam mit dem Automatisierungsspezialisten Festo entwickelte das Großhandelsunternehmen in einem Innovationsprojekt eine maßgeschneiderte und gleichzeitig flexible Lösung. Mit der „GripperAI“ wird dabei der Roboter in die Lage versetzt, bis zu 20 kg schwere Teile sicher handhaben zu können. Schrauben werden damit ebenfalls gehandhabt. Die sind dann allerdings schon vorverpackt in größeren Einheiten, die ein entsprechendes Gewicht erreichen können.
Über zwei Jahre lang hat die Entwicklungsabteilung bei Festo nach eigenen Angaben an dem Projekt gearbeitet. Jan Seyler, Leiter des Bereichs Advanced Development Analytics and Control, beschreibt das Vorgehen: „Wir haben in unserem Labor eine Kopie der Sorterbahnen von Würth aufgebaut und konnten so die verschiedenen Fähigkeiten des Roboters entwickeln: objektabhängige Greiferauswahl, das Greifen beliebiger Objekte aus den Schalen, das Packen von Versandkartons sowie das Handhaben der Kartons und Schalen.“

Roboter hilft beim Kommissionieren: Gemeinsam entwickelten Festo und Würth diese individualisierte Technik für Warenlager. Die KI-Software kann dabei prinzipell auch mit anderen Robotern kombiniert werden.
Foto: Adolf Würth GmbH & Co. KG
Das Besondere: Die Roboterzelle besitzt einen Werkzeugbahnhof. Das heißt, der Roboter kann sich dort verschiedene Greifer und Saugnäpfe abholen. Jetzt kommt die KI (engl. AI) ins Spiel: Je nach Objektart, Form und Oberflächenbeschaffenheit legt die GripperAI fest, welches Greifwerkzeug am besten geeignet ist. Eine Kamera im Roboter erkennt dank Bilderkennung die verschiedenen Objekte, was eine präzise Auswahl ermöglicht. Nach Unternehmensangaben kann die Lösung damit nahezu alles greifen, was im Arbeitsbereich liegt und wofür Greifer und Roboter ausgelegt sind. Bei Bedarf können sogar einzelne Schrauben gegriffen werden, was bei dieser Anwendung aber nicht erforderlich war.
Für die Anwendung bei Würth wurden spezielle Greifer entwickelt und Saugnäpfe aus dem Portfolio von Festo genutzt. Seit 2023 ist die erste Roboterzelle im Einsatz. Sie kann laut den beiden Entwicklungspartnern alle vorgesehenen Bahnen bedienen. Weitere Entwicklungsarbeiten und Ziele wurden bereits definiert, etwa eine höhere Arbeitsgeschwindigkeit und die Optimierung beim Packen sowie des Gesamtablaufs.
Effiziente Anpassung der Roboter ohne aufwendiges Anlernen
Zur effizienten Arbeitserleichterung wird die angepasste KI-Roboterlösung auch deshalb, weil sie sich durch die Interpretation ihrer Arbeitsumgebung leichter auf unterschiedliche Objekte einstellen kann. Als Vorteil nennt Roland Schneider, Abteilungsleiter Technische Abteilung bei Würth, dass sie dabei keinen langen Anlernprozess und kein Training braucht. „Einfach machen, einfach loslegen“, beschreibt er die bisherigen Erfahrungen im Umgang mit der Technik. Wichtig für ihn ist dabei auch, dass die KI-Lösung mit jedem Roboter und Bildverarbeitungssystem läuft. „Das macht uns flexibel in der Auswahl unserer Partner“, hebt er hervor.
Auch das Team von Festo profitierte von der Entwicklungspartnerschaft mit Würth. Es konnte die KI-Fähigkeiten aus der Forschung testen und validieren. Dabei konnten die Experten auch auf ihre langjährige Erfahrung in den Bereichen Mechanik, Logistik und Industrieautomatisierung aufbauen. Laut Seyler soll nun parallel ein Lehrpfad entwickelt werden, der die Fachkräfte für die zukünftige Arbeitswelt weiterbildet und erklärt, wie sie gemeinsam mit dem kollaborativen Roboter arbeiten.
Mit Blick in die Zukunft sagt Johannes Scheuermann, Abteilungsleiter Bestandsmanagement bei Würth: „Wir sind davon überzeugt, mit diesem Projekt unsere Logistikprozesse erheblich verbessern zu können und weiteres Wachstum auch in schwierigen Zeiten des Fachkräftemangels zu ermöglichen.“
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