Hochschule 21.01.2011, 19:51 Uhr

Wer gut schreibt, der bleibt

Technikwissen reicht häufig nicht, wenn die Kenntnisse nicht in gute Fach- texte umgesetzt werden. Seminar- oder Doktorarbeiten zu verfassen, ist weniger eine Begabungssache als eine erlernbare Technik. Dafür gibt es zunehmend Studienangebote.

„Der Semesterkurs im Schreiben und Präsentieren gab mir die nötige Selbstsicherheit für meine Studienarbeit über die unterirdische Lagerung von CO2-Abgasen aus Kohlekraftwerken“, sagt Johanna Georg, Bergbaustudentin an der Technischen Hochschule Aachen.

Das Thema verspricht eine klimafreundlichere Stromerzeugung. Mit Johanna Georg übten sich acht weitere Viertsemester aus dem Lehrgebiet „Rohstoffe und Entsorgungstechnik“ im freien Vortrag und für die persönliche Prüfungsschrift von gut einem Dutzend Seiten. Der Kurs ist für alle angehenden Rohstoffingenieure Pflicht.

Die Dozenten geben Rat, wie man einen wissenschaftlichen Text schreibt, von der Gliederung bis zur Endfassung. Die Übung wird jetzt vom vierten aufs zweite Semester vorgezogen. „Unsere Studenten sollen möglichst früh mit dem Schreibhandwerk vertraut werden“, erläutert Betreuer Marc Schulten.

Dabei umfasst das volle Programm sogar zwei Runden. Denn die Studienarbeit muss zusätzlich in einer ausführlichen Zusammenfassung auf Englisch abgegeben und den Professoren mündlich vorgetragen werden. Das gehört zur Internationalisierungsstrategie der Hochschule. Die Note zählt für den Bachelorabschluss.

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Damit möglichst wenig schief geht, muss jeder Student ein Semester „Technical English“ absolvieren, zwei Stunden pro Woche. Ein Einstufungstest zeigt, auf welchem Niveau der einzelne anfangen kann. Am Ende winkt ein amtliches Zertifikat nach dem „Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen“. Johanna Georg sagt aus persönlicher Erfahrung: „Englisch ist unverzichtbar, um die Fachliteratur zu verstehen. Außerdem hilft das später auf dem globalen Arbeitsmarkt im Bergbau.“

Das Aachener Pflichtprogramm in der „Schlüsselkompetenz“ Schreiben ist eine Ausnahme. Sonst bieten die Technischen Universitäten solche Trainings eher als Wahlfach an.

An der TU München läuft ein Fitnesskurs unter der schönen Überschrift „Engineer Your Text“. In Ländern mit Studiengebühren wie Bayern oder Nordrhein-Westfalen speisen sich die Veranstaltungen durchweg aus dieser Geldquelle. Aber auch unabhängig davon steht wissenschaftliches Schreiben im Lehrangebot aller großen Ingenieurhochschulen (TU 9) bundesweit. Das unterscheidet sie charakteristisch von anders oder breiter aufgestellten Universitäten. Eine der größten, die Universität Köln, schiebt die Aufgabe auf kostenpflichtige Kurse des Studentenwerks.

An Fachhochschulen mit technischen Schwerpunkten sind Schreibübungen durchweg ein Mangelfach. Die sonst oft als vorbildlich gerühmte FH München hat nichts im Angebot. So bleibt es der Sprechstunde des Professors oder dem guten Willen eines Firmenbetreuers überlassen, ob die Examensarbeit einen lesbaren Zuschnitt bekommt. Die üblichen Laborberichte sind dafür ein unzureichender Test.

Immerhin können Elektrotechniker und Maschinenbauer an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, wenn es so weit ist, noch Crashkurse zur Architektur einer Abschlussarbeit belegen.

Traditionell erscheint Schreiben als Begabungsfrage – und eine Hemmung als Fall für die psychologische Beratung an der Hochschule. Die Expertin Gabriela Ruhmann vom „Schreibzentrum“ der Universität Bochum verweist dagegen auf das Musterbeispiel der besten amerikanischen Universitäten: „Dort müssen die Studierenden vom ersten bis letzten Semester Woche für Woche Papers schreiben. Die Lehrenden sprechen die Texte mit jedem Schüler durch, Stärken, Schwächen und Optimierungsmöglichkeiten.“

Dahinter steht die Erkenntnis: Schreiben ist eine erlernbare Technik zum möglichst verständlichen Ausdruck komplizierter Gedanken. Nur wer dieses Kunststück beherrscht, darf auf Widerhall bei anderen hoffen. Für diesen Lernprozess sind allerdings viele Lehrkräfte und viel Geld nötig.

Mit den Millionen aus der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern können Elite-Universitäten wie in München oder Aachen speziell ihre Doktoranden und Postdocs weiterbilden: Wie schreibe ich einen passenden Aufsatz für diese oder jene internationale Fachzeitschrift oder einen Antrag auf Forschungsgelder etwa aus EU-Töpfen? Solche Zusatzqualifikationen werden in Aachen auf einem Beiblatt (Supplement) zur Doktorurkunde eigens vermerkt.

HERMANN HORSTKOTTE

Ein Beitrag von:

  • Hermann Horstkotte

    Hermann Horstkotte ist freier Journalist und  lehrte als Privatdozent an der RWTH Aachen. In Bonn arbeitet er als Bildungs- und Wissenschaftsjournalist.

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